Von einem Ende der Dominanz, ja gar vom Ende des roten Zyklus, der Ära Ferrari, wurde in den vergangenen Wochen gesprochen und geschrieben. Und tatsächlich: Die ersten drei Saisonrennen des neuen Jahres brachten keine rote, sondern eine - verminderte - gelb-blaue Überlegenheit ans Tageslicht.

Renault: Die Erwartungen erfüllt

Schon in der Schlussphase der letzten Saison kündigte Renault-Teamboss Flavio Briatore an, dass seine Truppe in diesem Jahr die Ferrari-Siegesserie durchbrechen und beenden werde. Und obwohl der Italiener nach den starken Wintertesteindrücken seines Teams vor Saisonbeginn noch einmal von diesen vollmundigen Ankündigungen abwich und etwas tiefstapelte, sprechen drei Siege aus drei Rennen eine deutliche Sprache: Die Franzosen haben ihren Testvorschusslorbeeren genüge getan und liegen verdient mit der besten Fahrerpaarung und dem besten Auto auf den ersten Rängen beider WM-Wertungen.

Während Fernando Alonso hierbei nach einer sensationellen Aufholjagd beim Auftaktrennen in Melbourne zwei glasklare Poles und Siege einfahren konnte, hatte der Auftaktsieger Giancarlo Fisichella in Malaysia und Bahrain etwas Pech und schied durch einen Unfall sowie einen technischen Defekt aus. Dennoch konnte Fisico beweisen, dass er sehr wohl das Zeug dazu hat in diesem Jahr um den Titel mitzufahren.

Da Renault bei den drei Überseerennen auf drei Kursen mit unterschiedlichen Anforderungen, Bedingungen und Charakteristiken gewinnen konnte, dürften sie auch bei der Rückkehr nach Europa noch immer jenes Team sein, welches es für alle anderen zu schlagen gilt.

Toyota: Die Erwartungen übertroffen

Das große Überraschungsteam der ersten drei Rennwochenenden ist ohne jeden Zweifel Toyota. Jodelten früher die drei Werbeaffen ihren Slogan in deutsche Wohnzimmer, so könnten es heute Jarno Trulli, Ralf Schumacher und allen voran Mike Gascoyne triumphierend vor sich hin flöten: "Nichts ist unmöglich - Toyota!"

Nach drei Lehrjahren und einem Vorbereitungsjahr scheinen die Weiß-Roten aus Köln-Marsdorf tatsächlich endlich da angekommen zu sein, wo sie der zweitgrößte Automobilhersteller der Welt, auch aufgrund des nicht gerade geringen Budgets, sehen möchte: An der Spitze.

Zwar lag der erste GP-Sieg der Japaner zwischen Melbourne und Sakhir, trotz aller Hoffnungen von Technikchef Mike Gascoyne, außer Reichweite, doch waren die beiden besten Rennergebnisse der noch jungen Teamgeschichte ein klarer Beweis für die Fortschritte unter dem britischen Rottweiler.

Sollte man das bekannte Hinterreifenproblem nun nicht nur bei den heißen Rennen in Malaysia und Bahrain, sondern auch in der kühleren Europasaison in den Griff bekommen und das leidige Aerodynamikproblem der letzten Jahre endlich gelöst haben, dann darf in den noch ausstehenden 16 Saisonrennen durchaus irgendwann mit dem Sprung auf das oberste Treppchen gerechnet werden. Und hierbei sollte es nicht überraschen, wenn es Jarno Trulli und nicht Ralf Schumacher wäre, der den ersten GP-Triumph der Kölner einfährt.

McLaren: Hinter den Erwartungen zurückgeblieben

Nach den Wintertestfahrten waren die Silberpfeile zusammen mit Renault der große Geheimtipp für einen Rennsieg beim Auftaktrennen in Donwunder. Doch während Renault seine viel versprechende Form im Land der Kängurus und auch bei allen weiteren Rennen in die Tat und vor allem Siege umsetzen konnte, fehlte den Silbernen immer wieder die Pace - welche sie aber zweifelsohne irgendwo im MP4-20 versteckt hielten.

Neben den chaotischen Wettereinflüssen von Melbourne sorgten aber auch eine Mischung aus Pech, technischen Problemen und Fahrfehlern für verkorkste Rennwochenenden, an denen man der hohen Erwartungshaltung im silbernen Lager nicht gerecht werden konnte.

Erst als Juan Pablo Montoya wegen eines Trainingsunfalls aussetzen musste, kehrte in der Wüste von Bahrain der Rennspeed wieder: Kimi Räikkönen fuhr erstmals in dieser Saison aufs Podest und Pedro de la Rosa kämpfte das halbe Feld nieder.

Dennoch durfte man damit noch nicht zufrieden sein. Schließlich fehlte den McLaren-Piloten noch immer eine vernünftige Qualifying-Pace, was durch neue Komponenten spätestens in Barcelona ausgebessert werden soll. Sobald die Silbernen also weiter vorne ins Rennen gehen können, könnte auch Renault einen von den Wintertests bekannten Gegner an der Spitze der Ergebnislisten bekommen.

Williams: Die Erwartungen zu sehr gedrückt

Wenige Tage vor Saisonbeginn sorgten Frank Williams und Patrick Head für mächtige Schlagzeilen: Nicht nur, dass Sir Frank seinen Motorenpartner BMW durch eine Enthüllung über die Verhandlungen mit Sauber unter Zugzwang brachte, nein, er gab auch öffentlich zu, dass der FW27 aerodynamische Probleme habe, welche bei den ersten Saisonrennen auch nicht behoben werden könnten.

Mit entsprechend geringer Anspruchshaltung sah man dem Williams-Debüt von Mark Webber und Nick Heidfeld entgegen. Umso überraschender war hingegen deren Abschneiden, wobei der Mönchengladbacher nach seinem Unfall beim Auftaktrennen in Malaysia sogar aufs Podest fahren konnte.

Sein australischer Teamkollege musste die ersten beiden Rennen derweil mit einer gebrochenen Rippe bestreiten, was den ein oder anderen Fehler beider Piloten aber nicht vollständig entschuldigte. Letztlich holten die Weiß-Blauen mit ihren Punkteplatzierungen allerdings das Optimum des Machbaren heraus: Siege lagen bislang außer Reichweite.

Red Bull: Die Erwartungen überflügelt

Wäre Toyota nicht zweimal hintereinander auf das Podium gefahren, so müsste man auch nach drei Saisonrennen die Ex-Jaguar-Truppe von Red Bull Racing als das ultimative Überraschungsteam des Saisonbeginns bezeichnen.

Denn was Christian Horner & Co hier gelungen ist, ist einfach nur bemerkenswert: Der unter schwierigsten Bedingungen des Ford-Ausstiegs entwickelte Jaguar Bolide wurde vom Team zu einem regelmäßigen Punkteanwärter gemacht, welchen die beiden starken Fahrer David Coulthard und Christian Klien bei allen drei Läufen in die Punkte fuhren.

Für den teilweise besser als Coulthard aufgelegten Österreicher ist nach den drei Überseerennen trotzdem vorerst Schluss: Ab Imola sitzt wie vor Saisonbeginn vermutet der Italiener Tonio Liuzzi, der als Freitagstester ebenfalls zum neuen Red Bull Höhenflug beitrug, im zweiten Stammcockpit.

Während der positive Lauf von Klien also unterbrochen wird, dürfte die noch positivere Serie der Dunkelblauen auch in Europa weiter gehen. Dennoch wird die Luft in den Punkterängen mit einer wieder erstarkten Scuderia Ferrari natürlich immer dünner werden.

Ferrari: Die Erwartungen außer Sichtweite

Im vergangenen Jahr waren Michael Schumacher und Rubens Barrichello in ihren schier unbezwingbaren F2004 ganz weit außer Sichtweite der Konkurrenten. In den ersten drei Saisonrennen dieses Jahres, waren hingegen jene Erfolge und vor allem Siege für die Roten außer Sicht.

Waren es in Melbourne noch die Wetterkapriolen im ersten Qualifying, welche ein besseres Abschneiden verhinderten, offenbarte sich in der Gluthitze von Malaysia erstmals das eklatante Ausmaß der Ferrari-Probleme: Der F2004 M und dessen Bridgestone-Pneus waren meilenweit von der Pace der Spitzengruppe entfernt. Und auch in Bahrain kamen mit dem Debüt des neuen F2005 noch einige Sorgenfalten hinzu: So war der Neuwagen zwar schneller, doch war er auch anfälliger für technische Defekte. Ein für Ferrari in den letzten Jahren vollkommen ungewohntes Problem. Zudem scheinen die Bridgestone-Gummis noch immer noch jene weltmeisterliche Form des Vorjahres zu besitzen.

Der Saisonbeginn 2005 darf also ruhigen Gewissens als ein Fehlstart allererster Güte bezeichnet werden. Doch wer die Serienweltmeister der letzten Jahre abschreibt, dass betonen alle Experten, der macht einen riesigen Fehler. Ferrari wird zurückkommen und auch wieder Rennen gewinnen. Ob es aber letzten Endes zu einer erfolgreichen Titelverteidigung reichen wird, bleibt nicht zuletzt aufgrund des Punktesystems und der breit gefächerten Konkurrenz zu bezweifeln. Aber die Saison ist ja bekanntlich die längste aller Zeiten - und da kann noch viel passieren...

Sauber: Die Erwartungen verfehlt

Im November und Dezember herrschte in Hinwil Eitelsonnenschein vor: Die ersten Tests nach dem Wechsel zu Michelin gerieten geradezu zu Sauber-Festspielen von Felipe Massa und Starneuzugang Jacques Villeneuve. Aber schon im Januar, bei den ersten Tests mit dem neuen C24, kam die große Ernüchterung: Dem Wagen fehlt es an Downforce und der gelobte Ex-Champion hat ebenfalls Probleme mit dem Setup und den Bremsen.

Entsprechend dauerte es bis zum dritten Saisonrennen, bevor bezeichnenderweise Felipe Massa die ersten beiden WM-Zähler des Jahres einfahren konnte. Und vorerst scheint es auch weiterhin so auszusehen, als ob die Schweizer diesen beiden Pünktchen nur schwerlich weitere folgen lassen können.

Die große Medienschelte für den Franko-Kanadier und die durchgeführte Hetzjagd mit dem Ziel einen Briten wie Anthony Davidson in das zweite Cockpit zu setzen, ist dennoch übertrieben. So enttäuschte der Ex-Champion bislang zwar tatsächlich, doch hatte er nur wenig Zeit zum Testen. Der Abstand zum brasilianischen Jungtalent erscheint aber trotzdem als zu groß.

Jordan: Die Erwartungen gut angepasst

Nach der Übernahme durch die Midland Gruppe ist die Zukunft des Jordan Teams gesichert - auch wenn dies auf Kosten von Ex-Teamchef Eddie Jordan ging, mit welchem das F1-Fahrerlager einen seiner letzten echten Charakterköpfe verlor.

An seine Stelle trat eine neue Generation von Teambossen, welche bei den Gelben von Trevor Carlin angeführt wird. Dieser legte immerhin realistische Maßstäbe an, die vor jedem Rennen besagten, dass man 'nur' ins Ziel kommen und ein achtbares Ergebnis erreichen möchte.

Und genau dies - nicht mehr, nicht weniger - erzielten die beiden Rookies Tiago Monteiro und Narain Karthikeyan bei den ersten drei Saisonrennen. Die Kritik an der jungen Fahrerpaarung erwies sich hierbei vor allem in Person des ersten Inders der F1-Geschichte als fehl am Platz.

Denn obwohl Narain hin und wieder zu optimistisch und aggressiv zu Werke ging, hatte er seinen von den bisherigen Erfolgen her besser erwarteten Teamkollegen klar im Griff. Um die ersten WM-Punkte zu holen, bedarf es aber eines kleinen Wunders - oder jeder Menge Ausfälle.

B·A·R: Die Erwartungen haben sich in Rauch aufgelöst

Mehr als genug Ausfälle musste das British American Racing Team in den ersten drei WM-Läufen verzeichnen: Genau genommen fielen die weißen Renner sogar immer aus! Drei Doppelausfälle in drei Rennen - also fast genau das krasse Gegenteil von Renault.

Den Stein ins Rollen brachten die britisch amerikanischen Strategen aber selbst. Und zwar mit einem taktischen Doppelausfall in Melbourne, welcher dem Team neue Motoren für das zweite Saisonrennen sichern sollte. Leider ging dieser Motorwechsel nach hinten los: Doppelausfall nach nur zwei Runden in Malaysia.

Dieser brachte dabei nicht nur das Honda-Aggregat, sondern auch Jenson Button zum Rauchen: Der Brite lästerte über das Team und machte sich damit nach dem gescheiterten Williams-Wechsel sicherlich keine neuen Freunde in Brackley.

Die Zielvorgabe ab dem ersten Rennen um Siege und vielleicht den Titel mitfahren zu können, verfehlten die Macher des Bond-Wagens mit der Typenbezeichnung 007 jedenfalls um viele Fahrzeuglängen. Das Team darf sogar mit Recht als die Enttäuschung der Überseerennen bezeichnet werden.

Minardi: Keinerlei Erwartungen gehegt

Bei Minardi konnten die Rennen gar nicht enttäuschend verlaufen, da die Mannen aus Faenza und Ledbury ohnehin ohne jegliche Erwartungen an die ersten drei Saisonrennen, welche die letzten des alt gedienten PS04B sein sollten, herangingen.

Dennoch wäre der Saisonstart beinahe zum Fiasko geworden. Dann nämlich, wenn man nicht doch noch in letzter Sekunde beim Auftaktwochenende in Melbourne die neue Aerodynamik aus den Koffern gezaubert hätte.

Abgesehen von diesen politischen Streitereien hinter den Kulissen, gab es kaum sportliche Höhepunkte für die beiden F1-Rookies Patrick Friesacher und Christijan Albers.

Dank seiner Erfahrungen als F3000-Pilot schien der Österreicher seinem aus der DTM zugewanderten, niederländischen Pendant zumindest teilweise überlegen zu sein.

Ab dem Heimrennen in Imola soll nun alles besser werden: Denn dann wird der neue, angeblich radikale, PS05 sein Debüt geben. Ein neuer Renault-Jäger wird dieser letzte Neuwagen der 2005er Generation aber wohl kaum sein...