Das größte Lob war nur 100 Zeichen lang. Nachdem Stoffel Vandoorne in Sochi den vorzeitigen Titelsieg in der GP2-Serie erzielt hatte, erhielt er abends eine Nachricht via Twitter. Absender: Fernando Alonso. "Herzlichen Glückwunsch auch an meinen Freund Stoffel zu seinem GP2-Titel. Großartiger Champion und künftiger F1-Star", schrieb ihm der zweifache Weltmeister und McLaren-Kollege. Vandoornes Antwort: "Danke, das bedeutet mir viel!"

Der Belgier gilt nicht erst seit dem vorzeitigen Meisterschaftserfolg in der GP2 als eines der größten Talente im Formelsport. Jetzt sogar die offizielle Anerkennung durch einen der bekanntesten Rennfahrer der Welt – Stoffel dürfte sich gefreut haben. Mit fünf Siegen und 13 Podestplätzen dominierte er die Nachwuchsklasse wie schon lange kein Fahrer mehr vor ihm.

Erinnerungen an gute Zeiten

Im Gegensatz zu gewissen anderen GP2-Champions benötigte der 23-Jährige auch keine fünf Jahre für den Titelgewinn. Nach der Vize-Meisterschaft im Debütjahr 2014 setzte Vandoorne nun seiner kurzen GP2-Karriere die Krone auf. Es erinnerte ein wenig an frühere Zeiten, in denen die Herren Hülkenberg, Rosberg und Hamilton ebenfalls durch die Nachwuchsklassen schnurstracks in Richtung Formel 1 marschierten.

Doch die Zeiten haben sich geändert, Talent allein reicht schon lange nicht mehr für ein Cockpit in der Königsklasse. Das weiß auch der von allen Seiten gelobte Vandoorne. "Hoffentlich in die Formel 1", antwortete er auf die Frage nach seiner Zukunft. "Unglücklicherweise ist im Moment noch nichts entschieden, aber ich bin optimistisch. Ich habe das Gefühl, es gibt Chancen. Die nächsten Tage und Wochen werden entscheidend sein."

Großer Jubel bei Vandoorne und seinem ART GP-Team, Foto: Sutton
Großer Jubel bei Vandoorne und seinem ART GP-Team, Foto: Sutton

Es droht die Ersatzbank

In den Nachwuchsserien hat Vandoorne seit seiner ersten Meisterschaft 2012 in der Formel Renault 2.0 mit Josef Kaufmann Racing regelmäßig bewiesen, dass er zu den größten Talenten gehört. Doch die Ausbildungszeit ist nun vorbei, als Champion gibt es keinen Weg zurück in die GP2. Die Optionen in der Formel 1 sind jedoch mehr als begrenzt. McLaren wäre die logischste Option als hausinterne Lösung. Alonso und Jenson Button wurden aber schon für 2016 bestätigt. Ob sich Vandoorne mit dem Job des Bankwärmers in Woking zufriedengibt?

Dort müsste er sich zudem gegen seinen früheren Formel Renault-Rivalen Kevin Magnussen behaupten, der die Fortführung seiner aktiven Formel-1-Karriere noch nicht ad acta gelegt hat. Den Luxus weiterer Kundenteams genießt McLarens Motorenlieferant Honda nicht, über diese Schiene bieten sich für Vandoorne also auch keine Einsatzmöglichkeiten. Plätze gibt es zumindest theoretisch noch bei Neueinsteiger Haas, Manor, Lotus und den beiden Red Bull-Teams.

#BelieveInStoffel - aber wohin soll es gehen?, Foto: GP2 Series
#BelieveInStoffel - aber wohin soll es gehen?, Foto: GP2 Series

Kaum freie Cockpits

Haas dürfte neben Grosjean auf einen Ferrari-Adjutanten zurückgreifen. Manor braucht Sponsorengeld, das Vandoorne während seiner Karriere nie hatte. Wie es bei Lotus, Red Bull und Toro Rosso überhaupt in der Formel 1 weitergeht, steht in den Sternen. Als McLaren-Junior dürfte es Vandoorne aber schwer fallen, bei einem dieser Teams unterzukommen. Bleibt wohl nur die Rolle des Testfahrers in der Königsklasse, der sich hin und wieder bei Testfahrten beweisen darf und auf seine Chance hoffen muss.

Damit wäre Vandoorne der nächste Fahrer in einer Reihe GP2-Champions, die aus ihrem Titelgewinn nur bedingt oder gar keinen Nutzen ziehen konnten. Davide Valsecchi (Meister 2012) fährt seit zwei Jahren überhaupt keine Rennen mehr, Fabio Leimer (2013) hat nie richtig in der Formel 1 Fuß fassen können und auch Jolyon Palmer gilt bei Lotus nicht unbedingt als Kandidat für ein Stammcockpit. Angesichts des enormen Talents wäre es Vandoorne nur zu wünschen, dass er einen anderen Weg einschlägt.