Die Ausgangslage vor dem Großen Preis von Singapur war vielversprechend - das Rennen hätte zu einem absoluten Leckerbissen für Strategiefeinschmecker werden können. Doch es blieb beim Konjunktiv, da das Safety Car zwei Mal auf den Plan gerufen wurde, was zur Folge hatte, dass alle Spitzenpiloten gleichzeitig zum Reifenwechsel kamen, sodass sich ein taktisches Patt ergab. Motorsport-Magazin.com zeichnet das Nachtrennen nach.

Vettels perfekter Start

Vettel lag in Singapur von Anfang an in Führung, Foto: Ferrari
Vettel lag in Singapur von Anfang an in Führung, Foto: Ferrari

Für Sebastian Vettel lief es in Singapur von Anfang an wie am Schnürchen. Der Ferrari-Pilot hatte die erste Pole Position für die Scuderia seit mehr als drei Jahren erzielt und vermochte es beim Start, die gute Ausgangslage auszunutzen. Vettel kam nach dem Erlöschen der Ampeln perfekt weg und nahm seinem ersten Verfolger Daniel Ricciardo in den ersten vier Runden mehr als fünf Sekunden ab.

"Ich bin ein bisschen ins Ungewisse gefahren, deshalb habe ich versucht, eine Lücke aufzumachen", schilderte Vettel, der sich überrascht zeigte, Ricciardo derart dominieren zu können. Danach ließ es der Heppenheimer etwas ruhiger angehen, sodass Ricciardo den Abstand zwar verringern konnte, in Schlagdistanz kam der Red-Bull-Pilot allerdings nie.

Safety Car gibt die Strategie vor

Die von Pirelli errechnete schnellste Strategie in Singapur sah drei Boxenstopps vor, wobei die ersten drei Stints auf den superweichen Reifen absolviert werden sollten, ehe im Schlussabschnitt des Rennens die Soft-Pneus ihren Einsatz haben sollten. Doch es kam völlig anders als vom italienischen Reifenhersteller erwartet, da wie in Singapur üblich das Safety Car zum Einsatz kam und damit alle strategischen Planungen über den Haufen geworfen und anstatt drei nur zwei Stopps absolviert wurden.

Von Pirelli vorgeschlagene Strategie
1. Stint2. Stint3. Stint4. Stint
Supersoft (16 R)Supersoft (15 R)Supersoft (15 R)Soft (15 R)
Strategie der Ferrari- und Red-Bull-Piloten
1. Stint2. Stint3. Stint4. Stint
Supersoft (13 R)Supersoft (24 R)Soft (24 R)-
Rosbergs Strategie
1. Stint2. Stint3. Stint4. Stint
Supersoft (13 R)Soft (24 R)Soft (24 R)-
Kvyats Strategie
1. Stint2. Stint3. Stint4. Stint
Supersoft (12 R)Supersoft (21 R)Soft (28 R)-

In Runde 13 kollidierten Nico Hülkenberg und Felipe Massa, was einen havarierten Force-India-Boliden und viel Schrott auf der Strecke zurückließ. Die Rennleitung entschied sich zunächst dazu, nur das virtuelle Safety einzusetzen, schwenkte bald aber doch auf das echte Sicherheitsfahrzeug um, damit die Strecke gereinigt werden konnte.

Das Safety Car nahm dem Rennen viel Spannung, Foto: Sutton
Das Safety Car nahm dem Rennen viel Spannung, Foto: Sutton

Diese Neutralisierung des Rennens nutzen alle Spitzenpiloten, um an die Box zu kommen. Vettel, Ricciardo und Kimi Räikkönen blieben bei den superweichen Reifen, die Mercedes-Fahrer griffen hingegen zu den weichen Pneus. Als das Rennen in Runde 19 wieder freigegeben wurde, gelang es Ricciardo zunächst, sich einige Runden lang hinter Vettel im DRS-Fenster zu halten. Einen Angriff konnte der Australier allerdings nicht lancieren.

Danach zeigte Vettel, was in ihm und seinem Ferrari steckte, und zog das Tempo massiv an, wovon Ricciardo offenbar völlig überrascht wurde. Binnen drei Runden vergrößerte er den Vorsprung auf mehr als vier Sekunden und entledigte sich damit seines Verfolgers. Der Abstand pendelte sich auf diesem Niveau ein, ehe in Runde 37 erneut das Safety Car zum Einsatz kam. Diesmal aber nicht aufgrund eines Unfalls, sondern weil sich ein lebensmüder Fan auf die Strecke verirrt hatte.

Mercedes nimmt kein Risiko

Erneut liefen alle Spitzenpiloten die Boxen an, um sich frische Reifen abzuholen. Vettel, Ricciardo und Räikkönen wechselten gemäß des Reglements für die verbleibenden 25 Runden auf die weiche Mischung, bei der auch Rosberg blieb, der aber auch zu den superweichen Pneus hätte greifen können. Allerdings entschied sich Mercedes dagegen und nahm dem Grand Prix damit jegliche verbliebene Spannung.

"Es wäre zu lang gewesen. Wir hatten einen so großen Verschleiß und wussten, dass sich nichts geändert hätte", erklärte Motorsportchef Toto Wolff auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com die konservative Herangehensweise der Silberpfeile, die das gesamte Wochenende über insbesondere mit der weicheren der beiden Mischungen zu kämpfen gehabt hatten. "Wir waren eingefroren auf dem vierten Platz hätten am Ende ein Verschleißproblem bekommen", so der Österreicher. "Es hätte am Ergebnis nichts geändert, aber das Risiko erhöht."

Sofort als das Safety Car die Strecke wieder verlassen hatte, zog Vettel seinen Verfolgern davon und schraubte den Vorsprung bis auf knapp vier Sekunden. Dank der ungewöhnlichen Dynamik des Rennens geriet der Heppenheimer nie in die Verlegenheit, um seinen dritten Sieg in Diensten von Ferrari zittern zu müssen, da es seinen Konkurrenten nicht möglich war, sich über alternative Strategien einen Vorteil zu verschaffen. Für den Rest sorgte der SF15-T, das mit Abstand beste Auto an diesem Wochenende. Gemeinsam mit dem entfesselt fahrenden Vettel eine unschlagbare Kombination.

Enttäuschung bei Red Bull

Ricciardo waren die Hände gebunden, Foto: Sutton
Ricciardo waren die Hände gebunden, Foto: Sutton

Enttäuscht zeigte man sich nach dem Rennen vor allem bei Red Bull über die eingeschränkten strategischen Möglichkeiten, die Ricciardo die Händen banden. "Als ich das Safety Car rauskommen sah, war ich frustriert, aber ich wusste, es gibt einen noch einen Stopp", sagte der Australier. "Aber dann kam das Safety Car wieder und das war es. Wir haben versucht, was wir konnten."

Besonders hart wurde Daniill Kvyat von den Safety-Car-Phasen getroffen. Der Russe stoppte jeweils kurz bevor Bernd Mayländer auf den Plan gerufen wurde, was ihn aller Chancen beraubte, die gute Pace seines Red Bulls in ein Spitzenergebnis umzuwandeln. Am Ende kam er nicht über den sechsten Rang hinaus. "Ich habe zwei Plätze an die Mercedes nach dem ersten Stopp und einen an Bottas nach dem zweiten verloren", klagte Kvyat, der sich aber sicher war: "Meine Zeit wird kommen."