Erleben die Tifosi beim Heimrennen ihrer Scuderia Ferrari ein blaues Wunder statt einen roten Grund, die Start-Ziel-Gerade zu stürmen? Nach einer bisher fast tadellosen Saison mit reihenweise Podestplätzen und sogar zwei Siegen durch Sebastian Vettel, sind die Erwartungen für eine Ferrari-Gala in Monza so groß wie schon länger nicht mehr. Doch ausgerechnet beim Italien GP droht der Scuderia Ungemach - und das nicht nur in seiner üblichen Form der bärenstarken Mercedes.

Seit dem vergangenen Rennen in Belgien vor zwei Wochen taucht plötzlich ein ganz neuer Name weit oben in der Favoritenliste auf: Force India. Hintergrund ist die starke Leistung des Teams um Nico Hülkenberg in Spa - insbesondere im ersten Sektor. Dieser Abschnitt besteht in den Ardennen fast ausschließlich aus einem ultra-langen Vollgasabschnitt - dem längsten im gesamten Rennkalender. Am Ende der Kemmel-Geraden war es Sergio Perez, der (auch) dank Mercedes-Power die Topspeed-Listen dominierte. Von Rang vier gestartet, setzte der Mexikaner in Runde eins sogar eine Attacke gegen den führenden Mercedes von Lewis Hamilton.

Beim Messpunkt des ersten Sektors lag Perez sogar kurz in Führung, Foto: Sutton
Beim Messpunkt des ersten Sektors lag Perez sogar kurz in Führung, Foto: Sutton

Mercedes fürchtete Perez schon in Belgien

Wenn es ewig lang geradeaus geht, ist mit dem Force India also mehr als nur zu rechnen. Ein Faktor, der sich in Monza gewaltig bezahlt machen wird, besteht das Autodromo Nazionale praktisch nur durch Schikanen und wenige Kurven unterbrochene Geraden. Seit jeher erzielen die F1-Boliden hier die höchsten Geschwindigkeiten der Saison. Noch dazu sollte Force India die B-Version des VJM08 inzwischen noch besser verstanden haben.

"So gut wie in Spa war mein Gefühl für das Auto noch nie und das hat sich in den Ergebnissen gezeigt. In Monza müssen wir eine ähnliche Leistung zeigen", sagt Sergio Perez.

Entsprechend gewarnt sind Mercedes und Ferrari. Die Silberpfeile hatten Perez sogar schon in Belgien auf der Rechnung. "Wir wussten, wenn er gut durch Eau Rouge kommt, wird er uns mit dem Topspeedvorteil von 16 km/h überholen. Das war eines der Szenarien, die wir auf den Schirm hatten", sagte Toto Wolff nach dem Rennen. Vor Monza legt die Mercedes-Mannschaft nun mit ihren Warnungen nach.

"In diesem Sport kann man Spitzenergebnisse viel einfacher verlieren, als man sie sich erarbeiten muss", mahnt Teamchef Toto Wolff. Technikchef Paddy Lowe ergänzt: "Wir hoffen auf eine starke Performance in Monza. Auf einer Strecke mit einer solch einzigartigen Charakteristik kann man sich jedoch nie sicher sein." Diese Erfahrung musste zumindest Nico Rosberg machen, als er im Vorjahr aufgrund eines Verbremser in der ersten Schikane einen sicheren Sieg an Lewis Hamilton verschenkte.

Ferrari und Vettel erwarten Aufschwung

Uneingeschränkt optimistisch klingen dagegen die Töne aus Maranello - immerhin ist es das Heimrennen, immerhin lief Spa für Ferrari alles andere als nach Maß. Nicht nur, was Pech (Reifenschaden Vettel, Technik-Problem Räikkönen), sondern auch die reine Pace betraf. Dass es in Monza trotz des auf den ersten Blicks ähnlichen Vollgas-Layouts ganz anders laufen wird, bezweifelt bei der Scuderia wohl niemand. "Es sind beide sehr schnelle Strecken, aber es gibt große Unterschiede. Während es in Spa auch viele schnelle Kurven gibt, gibt es Monza weniger. Da kommt es mehr auf die Beschleunigung geradeaus und die Bremszonen an", sagt PR-Mann Alberto Antonini.

"Ich bin gespannt, zu sehen, wie es sein wird, auf dieser Strecke zu fahren, zum Teil, weil die diesjährige Power Unit viel stärker und das Auto besser ist", ergänzt Vettel. Die Diskussion um dessen Reifenplatzer in Spa soll derweil ebenfalls in Monza ihren Abschluss finden. Nachdem Pirelli am Montag die Analyse des Vorfalls für abgeschlossen erklärt hatte, will der Reifenhersteller in Italien die Ergebnisse präsentieren. Was bereits feststeht: Die mit Soft und Medium - Ferrari grundsätzlich genehmen - gegenüber dem Vorjahr eine Nummer weicheren Reifenmischungen bleiben trotz des Zwischenfalls in Belgien.

Lotus feierte in Belgien das erste Podium seit Austin 2013, Foto: Sutton
Lotus feierte in Belgien das erste Podium seit Austin 2013, Foto: Sutton

Williams und Lotus lauern

Neben den drei bereits genannten Teams dürfen sich auch Williams und Lotus einiges ausrechnen. Beide fahren mit Mercedes-Power. Allerdings präsentierte sich Williams in Belgien erstaunlich schwach - normalerweise kommen Highspeed-Strecken dem Team aus Grove allerdings sehr entgegen. Bei Lotus unterdessen keimt nach dem Podium durch Romain Grosjean in Belgien wieder die Hoffnung, bleibt fast zu hoffen, dass die Finanzen den sportlichen Aufschwung nicht hemmen werden.

Red Bull und McLaren dürfen sich in Monza aus den bekannten Gründen nur wenig ausrechnen, Foto: Sutton
Red Bull und McLaren dürfen sich in Monza aus den bekannten Gründen nur wenig ausrechnen, Foto: Sutton

Renault-Kunden vor Debakel

In Belgien sogar noch stärker als Lotus zeigte sich Red Bull, deren Piloten nur durch ein schlechtes Qualifying oder einen technischen Defekt im Rennen hinter Grosjean landeten. In Monza dürfte es mit der Herrlichkeit allerdings auch in Sachen Pace vorbei sein. Weil ein langer und kurviger Sektor wie Abschnitt zwei in Spa fehlt, erscheint es als ausweglos, dass Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat auf den Geraden gnadenlos verhungern. Dasselbe gilt entsprechend für die ebenfalls Renault-befeuerten Toro Rosso von Max Verstappen und Carlos Sainz. Noch hagelt es in Italien wegen Motorenwechseln Gridstrafen in Hülle und Fülle. Sauber könnte vorbei ziehen.

Manor vs. McLaren - wer liegt in Monza hinten vorne?, Foto: Sutton
Manor vs. McLaren - wer liegt in Monza hinten vorne?, Foto: Sutton

Manor & McLaren: 0,0 Chancen

Noch aussichtsloser sieht es derweil nur bei McLaren und Manor aus. Letzere fahren noch mit einer massiv unterlegenen Power Unit von Ferrari aus dem Vorjahr, während Honda in Sachen Power wohl allenfalls dem Lippenbekenntnis nach inzwischen vor Renault liegen dürfte.