Der Belgien GP war ein richtiger Kracher - zumindest ab Platz drei. "Formel 1 at it's best", meint Mercedes Motorsportchef Toto Wolff. Der ultimative Kracher kam in Runde 42: Während sich Sebastian Vettel gegen Romain Grosjean verteidigen muss, lösen sich plötzlich Teile vom rechten Hinterreifen des Deutschen. Wenige Sekunden fliegt der Reifen komplett in Fetzen davon - unmittelbar nach Eau Rouge, bei rund 300 Stundenkilometer.

Hundertprozentig wurde der Reifenschaden bei Mercedes nicht aufgelöst, Foto: Sutton
Hundertprozentig wurde der Reifenschaden bei Mercedes nicht aufgelöst, Foto: Sutton

Am Freitag erging es Nico Rosberg ähnlich. Dem Mercedes-Piloten platzte im zweiten Freien Training bei 306 Sachen ebenfalls der rechte Hinterreifen. Rosbergs Pneus hatten erst zwölf Runden auf dem Buckel, allerdings handelte es sich dabei um die weichere Reifenmischung.

Pirelli analysierte den Schaden anschließend mit Mercedes bis ins kleinste Detail. Mit dem Ergebnis, dass es kein wirkliches Ergebnis gibt. Pirelli erklärte recht bald, ein strukturelles Problem am Reifen auszuschließend. Die wahrscheinliche Ursache ist, dass der Reifen durch einen Fremdkörper aufgeschlitzt wurde. Was das genau gewesen sein soll, weiß niemand.

Mercedes lässt Strecke von FIA reinigen

"Deshalb haben wir noch einmal mit der FIA gesprochen, damit die Strecke noch einmal richtig gereinigt wird", verrät Mercedes Motorsportchef Toto Wolff Motorsport-Magazin.com. "Aber es war trotzdem ein kleiner Unsicherheitsfaktor." Um alle Eventualitäten auszuschließen, änderte Mercedes das Setup des Autos. Zwar waren Luftdruck und Stürze schon zuvor im von Pirelli vorgegebenen Rahmen, doch Mercedes ging noch einen Schritt weiter und fuhr an der Hinterachse weniger Sturz.

Trotz der eigentlichen Aussage, es gäbe kein strukturelles Problem und der Änderungen am Setup traute Mercedes dem Braten nicht ganz. "In unserem Strategiebriefing heute Morgen haben wir sogar einen dritten Stopp in Erwägung gezogen, weil das Risiko eines Reifenschadens aufgrund der Ereignisse von Freitag und Samstag - auch bei den Nachwuchsklassen - da war."

Während Mercedes über eine Dreistopp-Strategie nachdachte, versuchte es Ferrari mit einem einzigen Stopp. Vettels Medium-Reifen waren bereits 28 Runden lang montiert, als sich der rechte Hinterreifen spektakulär verabschiedete. "Es ist eine bewusste Entscheidung, die man gehen kann. Mit dem Risiko, das damit einhergeht", beurteilt Wolff Ferraris Strategie kritisch.

Wolff: Verständnis für Vettels Reaktion

"Ich verstehe, dass Vettel, der bei 300 km/h nach Eau Rouge einen Reifenplatzer hatte, nicht happy darüber ist, dass das passiert", wirbt Wolff um Verständnis für Vettels heftige Reaktion. "Ich bin allerdings der Meinung, dass man Pirelli in Schutz nehmen muss. Wir haben alle gesehen, dass es Reifenschäden gab, die nicht auf Pirelli zurückzuführen waren, sondern auf andere Umstände. Insofern bin ich hier ganz klar der Meinung: da muss man sich manchmal an der eigenen Nase fassen."

Dass Ferrari das Risiko eingegangen ist, kann der Österreicher aber aus Sicht der Italiener nachvollziehen: "Die Pace des Ferrari hätte heute nicht für das Podium gereicht. Deshalb war es die einzige Chance, die sie hatten, auf diese Einstopp-Strategie zu setzen. Und es hat auch eine Zeit lang so ausgesehen, als könnte er sich gegen Grosjean verteidigen. Deshalb wundert es mich nicht, dass Ferrari das probiert hat. Allerdings mit der Einschränkung, dass es natürlich ein Sicherheitsrisiko war."

Nachvollziehen kann der Mercedes Motorsportchef die Strategie Ferraris, erwartet hätte er sie nicht unbedingt. "Wir haben den Versuch der Einstopp-Strategie von Ferrari lange diskutiert und es hat uns etwas überrascht. Auch die anderen, Grosjean, Massa und Perez waren wohl überrascht, dass sie es versucht haben. Mit einem weiteren Stopp wäre er auf Platz sechs oder sieben rausgekommen."

Hamilton wollte nicht stoppen

Auch Lewis Hamilton wollte übrigens länger mit seinen Reifen fahren. Als ihn das Team zu seinem zweiten Stopp in die Box holen wollte, meinte Hamilton, die Reifen seien noch gut und er wolle weiterfahren. Erst nachdem die Ingenieure Hamilton erklärt hatten, dass Rosberg den Undercut bekommt, wenn er nicht zum Stopp kommt, entschied sich der Brite für den Reifenwechsel.

"Der Fahrer spürt wie sich Auto und Reifen anfühlen. Er hat gesagt, es ist richtig gut. Aber er sieht nicht das Gesamtbild, was die perfekte Strategie ist. in diesem Fall haben wir ihm gesagt, dass es nicht die schnellste Strategie ist", erklärt Wolff. "Er hat die Priorität, weil er vorne liegt. Wenn er die nicht wahrnimmt, dann hat sie der zweite Mann. Nico hätte es sicher gemacht."