Die Verantwortlichen haben die Zeichen der Zeit erkannt: Die Fahrer sollen weniger Marionetten der Ingenieure sein, sondern wieder selbst für ihre Vehikel verantwortlich sein. Ein erster Schritt wird schon beim nächsten Rennen in Belgien gemacht: Die Fahrer müssen das Startprozedere wieder ohne Hilfe der Ingenieure durchführen.

Am Boxenfunk wird es künftig keinerlei Informationen mehr über Kupplungstemperatur, Drehmomentabgabe und Schleifpunkte gaben. "Die Installationsrunde war bislang ein ununterbrochenes Gequassel über Dinge, die man machen muss. Das ist jetzt alles vorbei", erklärt Rosberg Motorsport-Magazin.com.

Am Start kommt es wieder mehr auf den Fahrer an, Foto: Sutton
Am Start kommt es wieder mehr auf den Fahrer an, Foto: Sutton

Die meisten Piloten begrüßen die Änderungen, schließlich stehen sie wieder mehr im Fokus, können den Unterschied ausmachen. "Ich glaube nicht, dass sich viel ändert. Das Prozedere ist mehr oder weniger ähnlich. Vielleicht hat man weniger Informationen, aber ich glaube nicht, dass sich das Prozedere komplett ändert", meint Felipe Massa.

In der Tat wird sich am Prozedere für die Piloten nicht viel ändern. Es wird auf den ersten Blick sogar eher einfacher. Denn einen Knopf für den Schleifpunkt-Finder wird es nicht mehr geben. Der Ablauf an sich wird simpler. Dafür ist das Gefühl der Piloten mehr gefragt.

Aktuell: Perfektion in allen Bereichen

Aktuell folgt der Startvorgang einem genau vorbestimmen Plan. Die Checkliste wird vom Ingenieur minutiös mit dem Fahrer schon bei der ersten Ausfahrt aus der Boxengasse durchgegangen. Durch die Telemetriedaten können die Ingenieure sofort auf die Bedingungen reagieren. Am Vorstart wird der Schleifpunkt perfekt eingestellt. Dazu wird das Mapping perfekt darauf eingestellt.

In der Startaufstellung stehen die Piloten dann voll auf der Bremse, lassen die Kupplung mehrmals hintereinander ein wenig kommen. Das dient dazu, die Kupplung auf Temperatur zu bringen. Der Vorteil: Ist die Kupplung schon heiß, verändert sie sich während des Startvorgangs nicht mehr stark. Je heißer, desto mehr dehnen sich die Materialien aus. Von ihren Ingenieuren bekamen die Piloten bislang immer gesagt, wie heiß die Kupplung gerade ist, damit sie beim eigentlichen Start genau im Fenster ist.

All die bisher durchgeführten Checks und Tricks dienten dem perfekten Start. Der Fahrer musste zwar am Ende noch selbst das Gas dosieren und die Kupplung kommen lassen, doch durch die Perfektion in der Vorbereitung war das Gefühl für den Fahrer fast bei jedem Start gleich.

Konstanz wird wegfallen

Genau diese Konstanz wird nun wegfallen. Der Schleifpunkt wird nicht mehr perfekt eingestellt sein, genauso wie das Mapping nicht perfekt darauf angepasst sein wird. Die Kupplungs-Temperatur haben die Fahrer nun selbst im Griff. Auf dem Display werden sie Informationen dazu erhalten, aber der Ingenieur darf keine Anweisungen mehr geben.

In Silverstone überraschte Williams Mercedes am Start, Foto: Sutton
In Silverstone überraschte Williams Mercedes am Start, Foto: Sutton

Dadurch sind die Starts für die Piloten mehr eine Wundertüte. Es kommt wieder mehr auf das Gefühl der Piloten an. So perfekte Starts wie bisher wird es nicht mehr geben. Beim Vorstart müssen nun die Piloten lernen, nicht die Ingenieure. "Der Fehler wird nur kommen, wenn die Kupplung anders ist, als erwartet", erklärt Rosberg. Die Ingenieure können im Vorfeld dabei helfen, indem sie die Kupplung auf ein größeres Betriebsfenster auslegen. In der Spitze sind die Starts dann nicht mehr so gut, dafür sind Ausschläge nach unten weniger wahrscheinlich.

Die Gefahr ist größer, dass die Kupplung nun überhitzt. Auch wenn die Ingenieure das auf der Telemetrie sehen, dürfen sie nicht einschreiten. Das kann von schlechten Starts bis hin zu Defekten führen. Die Box muss tatenlos dabei zusehen. "Mein Ingenieur hat schon gesagt, dass er vor dem Rennen die Füße auf den Tisch legt, sich eine Zigarette anzündet, sich einen Kaffee holt und zuschaut", scherzt Rosberg.

Rosberg: Noch nie komplett alleine gestartet

Das komplizierte Startpozdere ist übrigens keine Erscheinung der Power Units. Wegen des hohen Drehmoments wurden die Starts nur anders. Mit der Launch-Control war der Start sogar zeitweise idiotensicher. Verglichen mit der Launch-Control hatten die Fahrer auch in letzter Zeit großen Einfluss auf den Start. "Man muss als Fahrer schon was machen, aber die Ingenieure haben sehr geholfen. Ganz alleine musste ich in meiner Karriere nie starten", gesteht Rosberg.

Viel Zeit, um neue Teile auszuprobieren und sich an die neuen Starts zu gewöhnen haben Fahrer und Teams nicht. "Wir werden das hier etwas üben, mal sehen, wie es funktioniert. Morgen wird eine gute Gelegenheit, um ein paar Dinge auszuprobieren", sagte Marcus Ericsson zu Motorsport-Magazin.com.

Nico Rosberg machte bereits am Donnerstag ein paar Trockenübungen in der Garage. "Aber das reicht auf keinen Fall, da muss man noch etwas machen. Es ist ganz anders, ich hatte mich in die alte Prozedur so eingearbeitet." Anders wie zuletzt in Großbritannien und Österreich sind in Ungarn Startübungen wieder am Ausgang der Boxengasse erlaubt. Es gibt also mehrere Möglichkeiten für Fahrer und Teams, die neuen Regeln zu testen.