"Jacques, I guess there is nothing much to do here..." war das letzte, was Millionen TV-Zuseher beim Grand Prix von Malaysia zu hören bekamen. Es war symptomatisch: 27. Runde, der Weltmeister von 1997 war nach einem selbstverschuldeten Ausritt tief ins Kiesbett der Kurve 1 eingetaucht. Zu diesem Zeitpunkt lag er gerade noch vor Karthikeyan, Monteiro und Albers hinter ihm – Fahrer, die er in seiner Glanzzeit ohne mit der Wimper zu zucken zum Frühstück verspeist hätte.

Jetzt, da Bernie Ecclestones Fernsehimperium den gewöhnlichen TV-Konsumenten auch akustisch an "Radio Boxengasse" teilhaben lässt, liefern Funksprüche dieser Art einen oft ungewollten Einblick in die teaminterne Kommunikation.

So konnten wir bei Rennhälfte Ingenieur Jacky Eeckelaert deutlich funken hören "Jacques gib nicht auf! Du verlierst sehr viel Zeit im 2. Sektor, gib nicht auf!"

Das wirft die Frage auf: Wollte oder konnte der Kanadier nicht mehr geben? Ist er am Ende nicht mehr fit genug, mit der Babyboomer-Generation seines Teamkollegen Felipe Massa mitzuhalten. Dieser Brasilianer ist übrigens jener Fahrer, dem Jacques noch vor drei Jahren unterstellt hat, er hätte – vorsichtig ausgedrückt – sogar Probleme, ein Formel 1-Auto auf der Geraden unter Kontrolle zu behalten.

Hier beginnt eines der vielen Probleme, die Jacques Villeneuve mit der Formel 1 oder die Formel 1 mit ihm hat. Der Mann macht den Mund auf. Und er hat daher im Laufe der Jahre einige Feinde gesammelt, die nun heftig die Messer wetzen.

Bernie Ecclestone gehört nicht dazu. Glaubt man der Stillen Post im Fahrerlager, dann war Bernie am Comeback des Ex-Weltmeisters nicht ganz unbeteiligt. Weil der allemal besser ist für seinen Wanderzirkus als der nächste hochtalentierte milchgesichtige Go Kart-Champion.

Dass die drei Rennen bei Renault ein Reinfall erster Güte waren und Villeneuve bei den ersten beiden Saisonrennen von Felipe Massa im Schnitt 0.85 Sekunden pro schnellster Rennrunde aufgebrummt bekommen hat, das stand leider nicht im Drehbuch.

Zu seiner Ehrenrettung muss dennoch einiges angefügt werden:

Villeneuve ist ein Kämpfer. Mit dem Geldregen, den der selbst gezüchtete B·A·R - Goldesel über ihn ergossen hat, hätte er sich schon längst auf ewig in die Schweizer Berge zum Skifahren zurückziehen können, ohne je bei seiner Bank nachfragen zu müssen.
Villeneuve ist von der Entwicklung im letzten Jahr überrollt worden. Als die Renault-Ingenieure bei seinem Test in Silverstone vor dem Wiedereinstieg mit rauchenden Köpfen panisch Fehleranalyse betrieben, konnte ein entmutigter Villeneuve nur leise anmerken, er sei trotzdem die schnellste Runde seines Lebens in Silverstone gefahren. Die Formel 1 verzeiht vieles, nur keinen Stillstand!
Und Villeneuve ist alles, nur kein alternder Star. Wohl sind seit seinem letzten GP-Sieg mittlerweile sage und schreibe siebeneinhalb Jahre vergangen, doch mit 33 und 136 GPs ist man auch auf dem heutigen Formel 1-Arbeitsmarkt noch vermittelbar.

Vielleicht ist es die ungewöhnlich direkte und doch introvertierte Art des Kanadiers, die ihn in den Augen vieler als launische Diva erscheinen lässt. Vielleicht sind auch die Erwartungen an einen, der seinen ersten GP um ein Haar gewonnen hätte, in seiner ersten Saison um ein Haar Weltmeister geworden wäre und mit 26 am Olymp angekommen war, seit jeher zu hoch gesteckt gewesen. Doch einer, der nach den ersten zehn Runden seines Lebens in einem Formel 1-Auto schneller als David Coulthard nach zwei Jahren war, hat wohl vom Lieben Gott ein gewisses Maß an Talent mitbekommen.

Vielleicht vergisst man auch einen nicht ganz unwichtigen Faktor. Sowohl bei Renault als auch heuer bei Sauber misst man Villeneuve an zwei Fahrern, die als Jahrhundert-Talente gehandelt werden. Fernando Alonso hat dies ja in Malaysia eindrucksvoll bestätigt und auch Felipe Massa ist weit besser als sein Ruf: Im Formel Euro 3000-Lager bekommen sie heute noch feuchte Augen, wenn man seinen Namen erwähnt und bekommt glaubhaft vermittelt, dass kein Fahrer seiner Generation je die Grenzen der Physik so außer Betrieb setzen konnten wie "Pipo", wie sie ihn nennen.

Selten jedoch hat man Peter Sauber so schmallippig im Fahrerlager angetroffen. Er hat der Formel 1 gegen den Widerstand aller Kimi Räikkönen geschenkt. Und er hat Felipe Massa ermöglicht, beim Brasilien GP nicht mehr nur Pizzas für die Formel 1-Stars servieren zu müssen. Doch Peter Sauber hat auf dem Transfermarkt nicht immer nur Edelsteine geschürft. Einmal, am Ende der Saison 2000 hat er leicht genervt bemerkt (Pardon, Herr Sauber – ich denke die Sache ist verjährt und darf nun weitererzählt werden) sein Nummer 1-Pilot sei "ohnehin schon in Pension" während der andere "sehr gut als Model tauge" (!!).

Es wird wohl eine Portion eidgenössische Eitelkeit dabei gewesen sein, als man den Wahlschweizer Villeneuve zur Unterschrift unter den Zweijahresvertrag bewegte. Sauber, das biedere Team aus Hinwil mit dem medialen Charisma eines alpenländischen Bernhardiners schnappt den anderen einen Weltmeister weg. Das macht sich gut im Lebenslauf. Auch wenn ein führendes Team-Mitglied schon damals öffentlich bemerkte "Wenn der kommt, dann kehrt hier nie Ruhe ein..."

Sieht so aus, als hätte der Mann früher als befürchtet recht behalten.