Wieder einmal tritt die Strategy Group der Formel 1 auf der verzweifelten Suche nach einem Kompromiss um eine nachhaltige und spektakuläre Zukunft zusammen. Beim heutigen Gipfel in London steht viel auf dem Spiel, schließlich hat sich das Gremium bislang dermaßen selbst blockiert, dass bis auf ein beabsichtigtes Maßnahmenpaket für 2017 nichts herausgekommen ist. Wie dringend die Situation der kriselnden Formel 1 ist, zeigt die Tatsache, dass Donald Mackenzie, Mitbegründer der CVC, ein öffentliches Statement angekündigt hat, was nur zu den seltensten Anlässen geschieht. Außerdem soll Max Mosley als Spezialgast neuen Wind in die Diskussionen bringen, jedoch schlug er die Einladung der Times zufolge aus.

Die Teilnehmer machen Druck. Nicht wenige von ihnen selbst haben bereits den Sinn der Strategy Group öffentlich in Frage gestellt. Dazu gehört insbesondere Red Bull; doch Teamchef Christian Horner will dem Gremium aus Formel-1-Teams, FIA und den kommerziellen Rechteinhabern um Bernie Ecclestone noch eine Chance geben: "Es ist ein ganz wichtiges Meeting. Die Formel 1 ist in einem kritischen Zustand."

Er fügte hinzu, dass die Strategy Group nicht weiter ihre Befugnisse überschreiten sollte. Sie hat sich seit ihrer Gründung zur Regelinstitution aufgeschwungen: "Wir müssen zurück zu den Wurzeln kehren, warum diese Gruppe existiert und sicherstellen, dass wir alle auf derselben Seite stehen. Der Sinn dieser Gruppe ist, die strategische Richtung des Sports zu entscheiden." Und eben mitnichten, das Reglement selbst zu schreiben. "Sie ist da, um eine Einigung über die künftige Richtung des Sports zu erzielen."

Oberste Priorität: Das Fahrzeugkonzept für die Saison 2017, Foto: Ferrari
Oberste Priorität: Das Fahrzeugkonzept für die Saison 2017, Foto: Ferrari

Fernley will Lösung für Kostendilemma

Problematisch nur, wenn eine solche Einigung nicht erzielt werden kann. Bob Fernley, offiziell noch stellvertretender Teamchef von Force India, de facto aber der Kopf des Teams, kritisierte gegenüber Autosport: "So wie es im Moment läuft, wird die Formel 1 von den permanenten Mitgliedern in der Strategy Group bestimmt. Ihr Selbstinteresse zerstört die Verbesserung der Formel 1."

Die Königsklasse kämpft mit zweierlei Problemen: Die in Scharen davonlaufenden Fans in den Kernländern des Sports will man mit spektakuläreren Autos zurückholen. Das zweite Problem betrifft die anhaltende Finanzkrise, die seit der Causa van der Garde zwar öffentlich wieder in den Hintergrund gerückt ist, aber weit davon entfernt ist, gelöst zu sein. Für Fernley ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen: "Ich denke, wir haben es verpasst, die Nachhaltigkeit der Formel 1 zu garantieren, indem wir keine Kostenkontrollen eingeführt und nicht auf die Verteilung der Gelder geachtet haben. Ich glaube, wir haben eine riesige Gelegenheit verpasst."

Ständiges Nagen am Hungertuch: Kann Fernley mit Mosleys Hilfe die Kostengrenze durchdrücken?, Foto: Sutton
Ständiges Nagen am Hungertuch: Kann Fernley mit Mosleys Hilfe die Kostengrenze durchdrücken?, Foto: Sutton

Druck auf Todt nimmt zu

Nun soll es Ex-FIA-Präsident Max Mosley richten, der als Gast eingeladen worden ist und neuen Schwung in die Diskussion bringen soll. Dort hätte er seinen Nachfolger Jean Todt getroffen, dessen Rolle von vielen als zu passiv wahrgenommen wird. Wo der Franzose die Probleme lieber in Hinterzimmern klärt und jüngst erst Bernie Ecclestone zurechtwies, seine ständigen öffentlichen Negativ-Kommentare zugunsten einer internen Klärung der Probleme zu unterlassen, suchte Mosley stets das Licht der Öffentlichkeit, um seine Verhandlungsposition zu stärken.

Todt wehrt sich gegen die Vorwürfe, er säße nur da und ließe die Formel 1 vor die Hunde gehen: "Die Leute beklagen, ich sei ein stiller und unsichtbarer Präsident. Es wäre aber eine völlig falsche Analyse zu sagen, dass die Formel 1 sich in einem schlechten Zustand befindet - was nicht bedeutet, dass nichts getan werden müsse. Aber eine Einigung in der Formel 1 zu erzielen ist das schwierigste, was ich je gesehen habe." Horner glaubt, den Grund dafür zu kennen: "Ich denke, Jean versucht, zu viele Parteien gleichzeitig glücklich zu machen. Es ist unausweichlich, dass das nicht möglich ist. Ich denke, er sollte das tun, was am besten für den Sport ist und nicht für gewisse Teams."

Fernley hofft unterdessen, mit Hilfe Mosleys einen neuen Anlauf im Hinblick auf eine vernünftige Kostenkontrolle zu erlangen. Doch diese steht gar nicht an oberster Stelle, sondern das Reglement für 2017 unter dem Motto ‚schneller, stärker, spektakulärer‘. "Hoffentlich können wir, nachdem wir das 2017er-Auto von einem weißen Papier heraus konstruiert haben, vielleicht auch ein bisschen darauf schauen, wie wir eine bessere Nachhaltigkeit auf die Beine stellen können. Ein Sinn fürs Kollektiv muss in in die Köpfe einiger Leute dieser Organisation kommen." Er verwies wiederholt auf die Diskrepanz zwischen Werks- und Privatteams, die sich auch durch die Saison 2016 ziehen werde.

Update: Max Mosley hat die Einladung nicht angenommen, da er fürchtet, dass seine Präsenz Krach verursachen könnte.

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Wenn man schon einen seit fünf Jahren nicht mehr amtierenden früheren FIA-Präsidenten als Retter anpreist, kann die Lage nur hoffnungslos verzwickt sein. Doch es war richtig, nicht teilzunehmen. Was sollte Mosley schon bewirken? Die Sache wäre vorhersehbar: Er würde sich wiederholt für seine Budgetgrenze stark machen und damit auf den Widerstand der Werksteams stoßen. Diese wollen lieber den Kuchen vergrößern wollen und damit an Ecclestone scheitern. Stattdessen wird man sich vielleicht am Ende dafür feiern, wieder ein spektakuläres Zukunftskonzept zu haben - im Glauben, man könne damit die Fans zurückgewinnen, die aus ganz anderen Gründen davonlaufen. (Heiko Stritzke)