Groß war der Aufschrei schon 2014. Die Veranstalter des Großen Preises von Italien hatten kurzerhand mal eben das gefürchtete Kiesbett hinter der Parabolica in Monza asphaltiert. Zwar für die Suberbikes, doch muss seitdem auch die Formel 1 auf den besonderen Kick, den großen Nervenkitzel in der berüchtigten Kurve verzichten.

Eine ähnliche Debatte wie vor knapp einem Jahr kommt aktuell in Spielberg in Gang. Auslöser sind die zahlreichen Ausrutscher und Ausritte der Fahrer in die asphaltierten Auslaufzonen des Red Bull Rings am laufenden Rennwochenende. Wobei Debatte eigentlich das falsche Wort ist. Vielmehr schlägt sich nahezu das gesamte Fahrerlager auf dieselbe Seite.

Wolff: asphaltierte Auslaufzonen schwachsinnig

Am besten bringt Toto Wolff die Sachlage auf den Punkt. "Ich finde Auslaufzonen, in denen jemand einen Fehler macht und dann aus der asphaltierten Auslaufzone wieder zurückkehren kann, absolut schwachsinnig. Wenn du dein Auto verlierst, dann solltest du es auch beschädigen. Das sollte mehr Konsequenzen haben. Das ist meine Meinung. Das sind Gladiatoren da draußen, die unheimlich schnelle Autos fahren, die auch immer noch gefährlich sind. Aber das müssen wir besser rüberbringen", sagt der Mercedes-Teamchef.

Aufsichtratschef Niki Lauda pflichtet Wolff bei: "Seit Freitag fahren alle dauernd hinaus. Deswegen wäre meine Regel, dass neben der Strecke Sand oder sonst etwas kommt, aber keine Auslaufzone. Eigentlich ist es eine Frechheit, wie die alle da draußen rumturnen und nichts passiert. Die fahren rein und dann wieder weiter. Das würde ich sofort ändern."

Hamilton verbremste sich in Spielberg, blieb allerdings nicht im Kies stecken, Foto: Sutton
Hamilton verbremste sich in Spielberg, blieb allerdings nicht im Kies stecken, Foto: Sutton

Hamilton & Bottas: Kiesbetten bremsen besser

Lewis Hamilton gehörte im Qualifying zu jenen Piloten. In Kurve eins verbremste sich der Weltmeister und hatte Glück nicht in ein Kiesbett zu rodeln, sondern auf dem Asphalt zu bleiben. Mit einem Kiesbett wäre es aus Fahrersicht jedoch genau dasselbe. "Nur, dass ich nach meinem Dreher nicht hätte zurückfahren können", sagt Hamilton Motorsport-Magazin.com. Gehe es nach ihm, gäbe es die ganze Saison über ausschließlich Kies- und Rasenflächen. Das wäre auch in puncto Sicherheit weniger schlecht, als man annehmen sollte.

"Hier gibt es Kiesbetten, das mag ich. Aber in den wichtigsten Kurven ist kein Kies, daher werden Autos in der Auslaufzone in Turn eins oder zwei kaum gebremst. Diese Strecke ist aber auch so knifflig genug, weil das Gripniveau aus irgendeinem Grund nicht gut ist", erklärt Hamilton. Ähnlich sieht das Williams' Valtteri Bottas: "Ich denke Kies stoppt die Autos ziemlich gut, aber vielleicht wissen andere in puncto Sicherheit besser Bescheid."

Geht es allein um den Faktor Anspruch spricht zu der Finne sogar komplett für mehr Kiesbetten in der Formel 1 aus. "Ja, das wäre gut. Dann wird ein Fehler wieder härter bestraft und es kostet einen viel mehr. Bei den meisten Strecken ist der Auslauf inzwischen asphaltiert. Wenn man da im Rennen zu weit rauskommt, dann verliert man vielleicht eine halbe Sekunde", sagt Bottas im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Pastor Maldonado nennt einen weiteren Sicherheitsvorteil. "Wenn du Kiesbetten hast, gehst du weniger Risiko ein", sagt der Venezolaner.

Nico Rosberg nach seinem Fehler rutschte bis ins Kies. Er musste aussteigen, Foto: Sutton
Nico Rosberg nach seinem Fehler rutschte bis ins Kies. Er musste aussteigen, Foto: Sutton

Danner: Es muss Konsequenzen geben

Genauso sieht es Christian Danner. "Kein Mensch ist dort vorsichtig, weil ja nichts passiert", kommentiert der Motorsport-Magazin.com-Experte die asphaltierten Auslaufflächen. Zudem sei er - ganz wie Toto Wolff - ein Befürworter des Prinzips, dass Handlungen Konsequenzen haben müssen.

"Wenn ich einen Schmarrn zusammenfahre und es gibt keine Konsequenz, dann ist der Wert des Fahrens gleich null und meine Lernkurve wird immer gleich bleiben. Wenn es Konsequenzen gibt und ich zum Beispiel im Kiesbett lande, muss ich schauen, dass ich ans Limit gehe, präzise werde, keine Fehler mache und trotzdem schnell bin", schildert Danner. "Wenn einer sauber durchfährt, ist er ein guter Fahrer. Wenn nicht, ist er kein guter Fahrer und soll mit den Konsequenzen leben."