Pat, es gab große Diskussionen und auch teils heftige Kritik am Technischen Reglement und dem neuen Rennformat zu dieser Saison. Wie sehen Sie die Lage?

Pat Symonds: Es gab so viele Neuerungen für 2005, dass die Auswirkungen der einzelnen Änderungen gern vermischt werden. Ich möchte sie deshalb Punkt für Punkt durchgehen.

Betrachten wir zuerst die beschnittene Aerodynamik. Ich finde, dass die Modifikationen genau das gebracht haben, was sie erreichen sollten. Das Ziel lautete, die Rundenzeiten nicht weiter sinken zu lassen. In Melbourne deutete alles darauf hin, dass das gelungen ist. 2004 war die schnellste Rennrunde 1.24.128 Minuten, 2005 lag sie bei 1.25.683 Minuten. Rechnen wir dann noch mit ein, dass die Teams bei stabilen Regeln meist anderthalb bis zwei Sekunden pro Jahr finden, bedeuten die Zeiten von Melbourne, dass wir drei oder mehr Sekunden über jenen Rundenzeiten liegen, die wir ohne die Eingriffe der FIA erreicht hätten. Im Moment scheinen wir uns etwa auf dem Niveau von 2002 zu bewegen. Damals fuhr Rubens Barrichello Pole Position mit 1.25.843 Minuten.

Kommen wir zu der verlängerten Motorenlaufzeit. Ich finde eine Lebensdauer von zwei Grand Prix-Wochenenden durchaus sinnvoll. Leider ließ die FIA das Schlupfloch, dass Piloten, die nicht die Zielflagge sehen, ihren Motor ohne Strafe wechseln dürfen. Das ist in der derzeitigen Umsetzung lächerlich. Einen Motorwechsel ohne Sanktion zu erlauben, wenn das Triebwerk hochging oder bei einem Unfall beschädigt wurde, scheint mir vernünftig. In jedem anderen Fall sollten die Teams ihre Motoren ein zweites Wochenende einsetzen müssen. Dazu würde eine kurze neue Interpretation der bestehenden Regeln genügen. Ansonsten wird diese Lücke weiterhin schamlos ausgenützt. [Nach dem Interview gab die FIA eine solche Regeländerung bekannt, d. Red.]

Die neuen Reifenregeln haben sich recht gut bewährt. Ich würde es gern sehen, wenn uns ein drittes Set Pneus am Freitag zur Verfügung stünde. Damit könnten die Teams mehr fahren, die Reifen sorgfältiger auswählen und den Zuschauern etwas mehr Show bieten. Im Rennen werden wir es wohl selten sehen, dass der Führende einen großen Vorsprung herausfährt, weil er seine Reifen nicht unnötig beanspruchen möchte. Damit kann dich aber auch jeder kleine Fehler die Führung kosten. Ein anderer Effekt: Auf einem Reifen mordenden Kurs werden wir viele Überholmanöver gegen Rennende erleben. Und in Melbourne gab es immer sehenswerte Zweikämpfe, wenn ein Auto nach einem Tankstopp mit kalten Reifen und schwerer Spritladung wieder auf die Strecke ging.

Bleibt als dritter Punkt das Renn- und Qualifying-Format. Da gibt es zwei Fronten: das Zusammenzählen der beiden Quali-Zeiten und der Zeitplan. Ich denke, das Addieren beider Läufe ist kein Fehler, denn auf diese Weise erhält die erste Session endlich mehr Gewicht. Das sah 2003 und 2004 noch völlig anders aus. Zudem verdoppelt diese Variante den "Chaos-Faktor" vor dem Rennen. Nach meiner Ansicht kann es nicht schaden, wenn mehr Unvorhergesehenes passiert. Es sah vielleicht etwas kompliziert aus, aber das lässt sich mit einer verbesserten Darstellung lösen. Ich glaube, dass sich die Zuschauer schnell an das neue Format gewöhnen werden.

Die einzige gravierende Kritik muss ich beim Zeitplan anbringen. Nach meiner Ansicht stört das zweite Qualifying am Sonntagmorgen unseren Rhythmus bei der Rennvorbereitung. Außerdem sollten die Sonntagszeitungen in der Lage sein, den Fans die endgültige Startaufstellung zu präsentieren und ihnen eine fundierte Einschätzung zu geben, wie sich das Rennen entwickeln wird. Aus Sicht der Teams ist jetzt die Arbeitsbelastung am Sonntag zu hoch. Es bleibt kaum Zeit, die Strategie zu planen oder ein im Zeitfahren beschädigtes Auto zu reparieren.

Der einzige Nutzen der Sonntags-Session ist, dass die Zuschauer an der Strecke etwas mehr zu sehen bekommen. Ich finde aber, dass dies Sinn und Zweck von Rahmenrennen ist. Das würde die Rennfans mindestens ebenso begeistern. Vor dem Grand Prix sollten Nachwuchsserien wie die neue GP2 starten, die in diesem Jahr auf den europäischen Kursen antritt, oder spektakuläre Tourenwagenrennen – das würde die Spannungskurve bis zum Hauptrennen steigern.

Welche Änderungen würden Sie also vorschlagen?

Pat Symonds: Abgesehen von der inoffiziellen Testsession, die 2003 den Auftakt bildete, würde ich gerne zu diesem Zeitplan zurückkehren – Qualifying am Freitag und Samstag, allerdings mit Addition der Zeiten. Ich muss aber dazu sagen, dass das derzeitige Format nicht grundlegend falsch ist. Wir können in diesem Jahr nur noch eine Änderung an den Regeln vornehmen, ohne unsere Glaubwürdigkeit zu verlieren. Deswegen sollten wir nichts überstürzen. Wir haben noch nicht gesehen, wie sich das neue Format bei stabilen Bedingungen bewährt. Es mag im Detail Verbesserungsbedarf bestehen, aber fundamentale Änderungen sind nicht erforderlich.