Liebe motorsport-magazin.com-Leserschaft,

Am vergangenen Wochenende erlebten wir einen spannenden ersten Grand Prix des neuen F1-Jahres 2005. Beginnend mit diesem Australien GP, hoffe ich für Sie immer dienstags nach dem Rennen noch 18 weitere packende WM-Läufe analysieren zu dürfen.

Der Streitfall Minardi

Noch bevor die ersten Motoren im Albert Park zu Melbourne dröhnten, lieferten sich Jean Todt, Paul Stoddart und Max Mosley ein Wortgefecht, welches sogar vor Gericht endete. Mir kam der ganze leidige Vorfall dabei wie eine übertriebene Selbstdarstellung des Australiers vor.

Schließlich stehen die neuen Regeln für die Saison 2005 schon lange fest. Und obwohl Stoddart zuerst sagte, dass Minardi kein Geld habe um bis Melbourne neue Flügel zu entwickeln, wurden urplötzlich über Nacht solche aus dem Frachtkoffer gezaubert und die Autos damit ausgestattet.

Durch das ganze Chaos im Vorfeld erreichte Stoddart eine hohe Medienpräsenz für sich, sein Team, seine Sponsoren und seine neue Fluglinie. Für mich gehört eine solch inszenierte Selbstdarstellung aber nicht in die Formel 1. Das ganze Chaos war hier einfach nur fehl am Platz und sein Verhalten bei den Interviews teilweise total Banane.

Das neue Qualifying

Das erste Qualifying unter dem neuen Reglement wurde natürlich vom Platzregen beeinflusst, weswegen sich mancher Fahrer aufregte, dass dies unfair sei, aber über das Jahr gesehen dürfte sich das wieder ausgleichen. Letztlich ist im Motorsport nun einmal nichts fair.

Die Besten setzen sich dennoch immer wieder durch. So war Renault für mich an diesem Rennwochenende das beste Team und haben die Franzosen trotz des komischen Qualifyings und der durcheinander gewürfelten Startaufstellung die Plätze 1 und 3 belegt. Damit wäre belegt, dass die Schnellen immer irgendwie nach vorne kommen.

Den Additions-Charakter des neuen Qualifying-Formats finde ich an sich gut, doch gefielen mir die Einblendungen und Zählweisen im TV und auf den Zeitenmonitoren nicht. Hier fehlten im 2. Qualifying eindeutig die Rundenzeiten der aktuellen Session. Mit diesen hätte man erkennen kennen wer tatsächlich schnell ist. Dies war anhand der Gesamtzeit nicht wirklich möglich.

Was mir hingegen sehr gut gefällt, ist dass alle Piloten im 1. Qualifying mit 'leerem Tank' fahren und man so schon am Samstag herauslesen kann wer wie schnell ist.

Der Australien GP 2005

Auch wenn es noch immer an Überholmanövern mangelte, empfand ich den ersten Grand Prix des Jahres als sehr viel spannender als in den letzten Jahren.

Dass erfolgreiche Überholmanöver immer noch äußerst schwer sind, zeigt etwa die Tatsache, dass Fernando Alonso fast zwanzig Runden brauchte um am Sauber von Jacques Villeneuve vorbeizugehen. Und das obwohl der Spanier im besten Auto des Wochenendes saß.

Dennoch war das Rennen interessanter als so mancher Grand Prix der vergangenen Jahre. Besonders schön war, dass die Autos enger zusammengerückt sind. Auch dass sich ein Red Bull so lange vorne halten konnte fand ich richtig gut.

Das Kräfteverhältnis

Das beste Team ist für mich derzeit eindeutig Renault. Dahinter folgen Ferrari und McLaren sowie BMW-Williams knapp vor Red Bull.

Bei B·A·R glaube ich, dass sie momentan nicht nur Pech haben, sondern einfach noch nicht gut genug sind, um ganz vorne mitmischen zu können.

Die roten Bullen

Für mich war das starke Abschneiden von Red Bull nur ein bisschen überraschend. Michael Schumacher sagte ja schon vor dem Rennwochenende, dass Red Bull für ihn ein Geheimfavorit werden könnte und dies bestätigten die guten Testeindrücke ja auch vortrefflich.

Dass sie fast auf's Podium gefahren sind, freut mich deshalb ganz besonders für das Team, welches sehr sympathisch rüberkommt.

Der Sieger

Es war nach den Wintertests abzusehen, dass Renault sehr schnell ist. Den Sieg dürfte jeder Giancarlo gönnen, da er einfach ein sympathischer Typ ist.

Im Duell mit seinem Teamkollegen Fernando Alonso schätze ich den Spanier beim Talent ein bisschen stärker ein. Allerdings ist Fernando manchmal noch ein bisschen zu heiß. Deshalb schießt Alonso hin und wieder noch über das Ziel hinaus, während Fisichella dank seiner größeren Erfahrung am Ende des Jahres in der WM-Wertung wohl vor dem Ungarn-Sieger von 2003 liegen dürfte. Ich traue Giancarlo sogar einen Platz unter den ersten zwei bis drei zu.

Der schottisch-österreichische Zwischenfall

Für mich gestaltete sich die Überrundungssituation zwischen Patrick Friesacher und David Coulthard ganz einfach. Friesacher wollte links außen bleiben und nahm dabei etwas Gas weg, damit Coulthard rechts neben ihm vorbei fahren konnte.

Die Kritik von David, dass man an dieser Stelle nicht lupfen dürfe, kann ich nicht teilen. Denn wenn man neben der Ideallinie fährt, um dem Überholenden Platz zu machen, dann darf man auch lupfen. Auf der Ideallinie dürfte man das natürlich nicht. Aber letztlich ist ja nichts schlimmeres dabei passiert.

Der deutsch-deutsche Unfall

Der zweite knifflige Moment des Rennens hatte hingegen weitreichende Konsequenzen. Grundsätzlich stufe auch ich die Situation zwischen Nick und Michael als Rennunfall ein. Allerdings hatte Nick deutlich erkennbar mehr Speed und ist er auch frühzeitig raus gezogen, was Michael auch sah, da er ebenfalls rüberzog.

Dabei hat er die Tür ein bisschen zu sehr zugeschmissen. Nick konnte dann zwar einen richtigen Aufprall verhindern, aber auf der Wiese konnte er leider nicht mehr bremsen. Zu diesem Zeitpunkt dürfte Michael gedacht haben, dass Nick zurückgesteckt hat und sah deshalb nicht, dass er im Gras war. Sonst hätte er vielleicht auch ein bisschen mehr aufgemacht und hätte ihn vorbeischießen lassen, um danach selbst wieder innen rein zu stechen.

Insgesamt also eine extrem unglückliche Aktion. Solche blöden Rennsituationen passieren eben manchmal. Etwas übertrieben war hingegen die Reaktion von Ross Brawn. Es ist zwar immer gut, wenn das Team seinen Fahrer in Schutz nimmt, was bekanntlich auch nicht bei allen Teams üblich ist, aber einfach trotzig "Nein, der Michael hat nichts falsch gemacht!" zu sagen, hat ein bisschen etwas von einem Vater der seinen unartigen Sohn beschützen möchte.

Das Wochenende des Bruders

Nicks erstes Rennwochenende für BMW-Williams verlief gut. Er hat seinen Speed gezeigt, aber auch etwas Pech gehabt.

Sein Fehler im ersten Qualifying hat zwar Zeit, aber aufgrund des folgenden Regenchaos keine Platzierungen gekostet. Im Rennen hat man dann gesehen, dass der Speed da ist. Er war die ganze Zeit an Mark Webber dran und ohne den Unfall wäre sicherlich noch einiges möglich gewesen. Punkte waren auf alle Fälle drin.

Der taktische Doppelausfall

In diesem Zusammenhang verstehe ich die Regularien der Formel 1 nicht. Selbst den hohen FIA-Herren hätte vorher klar sein müssen, dass die Teams eine solche Regellücke ausnutzen würden, um letzten Endes doch noch den Motor wechseln zu dürfen.

Dass die FIA dem keinen Riegel vorgeschoben hat, etwa indem man sagt, dass ein Motor nur dann gewechselt werden darf, wenn ein Fahrer in den letzten zehn Runden ausgefallen ist, verstehe ich nicht. Hier besteht jedenfalls schnellstens Handlungsbedarf, damit zukünftig nicht nur noch acht Autos ins Ziel kommen.

Überhaupt ist diese Zwei-Motoren-Regel mit ihren unterschiedlichen Motoren-Zyklen der Teams eine komplizierte Sache, welche für die Fans nicht immer einfach zu verstehen ist. So darf es nicht verwundern, wenn ein unregelmäßiger F1-Zuschauer die Motoren- und Qualifying-Regeln nicht nachvollziehen kann und wieder wegschaltet.

Das Ziel der Kostensenkung verfehlte man mit der Einführung der Zwei-Wochenendmotoren ohnehin kläglich. Schließlich verursachten diese bislang nur erhöhte Kosten, welche zukünftig keine Früchte tragen werden, da es im nächsten Jahr schon wieder ein neues V8-Motorenreglement geben wird. Diesbezüglich haben die neuen Regeln gar nichts gebracht. Ein absoluter Schuss in den Ofen.

Der Ausblick auf Malaysia

Für den nächsten Grand Prix in Malaysia hoffe ich, dass die Teams, die mit neuen Motoren antreten dürfen, dadurch keinen generellen Vorteil haben werden.

So würde ich es als sehr schade empfinden, wenn beispielsweise einer der Renault in Sepang ausfallen und dadurch ein B·A·R-Fahrer gewinnen und die Lorbeeren einheimsen würde. Besonders interessant wird dies, weil das nächste Rennen in Malaysia traditionell sehr heiß ist und dadurch den Motoren einiges abverlangt wird.