Der 31. Januar dieses Jahres hat das Leben des Nick Heidfeld verändert. Bis dahin galt er zwar in Insiderkreisen als äußerst schneller, talentierter und technisch versierter Pilot, doch durfte er dies der breiten Öffentlichkeit nie mit wirklich siegfähigem Material unter Beweis stellen.

Seit ihm sein neuer Teamchef Sir Frank Williams wenige Minuten vor der Präsentation des neuen FW27 in Valencia eröffnete, dass Nick in der Saison 2005 als zweiter Stammpilot für Williams um Podestplätze, GP-Siege und vielleicht sogar den WM-Titel kämpfen soll, hat sich die Situation des sympathischen Mönchengladbachers schlagartig verändert.

Die Medien reißen sich um den ruhigen Zeitgenossen und der Druck der auf seinen neuerdings in weiß-blau gekleideten Schultern lastet ist immens. Im Gespräch mit motorsport-magazin.com-Chefredakteur Stephan Heublein gibt Quick Nick einen Einblick in seine Gefühlslage, die ersten Testwochen mit seinem neuen Arbeitsgerät sowie die Ziele und Hoffnungen für die anstehende Saison.

Nick, handeln wir zu Beginn die unvermeidlichen und zuletzt schon oft gestellten Fragen schnell ab: Hast Du es schon verarbeitet jetzt diesen blauen Overall zu tragen?

Nick Heidfeld: Ehrlich gesagt habe ich es wohl immer noch nicht ganz verstanden. Zum Feiern gekommen bin ich bis jetzt auch noch nicht. Denn nach der Präsentation sind wir direkt vier Tage in Valencia gefahren, dann ging es zwischendurch für zwei Tage nach Hause und wieder zum nächsten Test. Dementsprechend ist die Konzentration derzeit auch zu 100% auf die kommende Saison gerichtet. Deshalb konnte ich mich noch gar nicht so richtig freuen.

Kannst Du den großen Medienrummel der momentan vorherrscht überhaupt noch bewältigen?

Nick Heidfeld: Die Medienpräsenz ist natürlich viel größer als vorher. Aber auf der anderen Seite hat man natürlich auch ein Management das sich darum kümmert und probiert das ein bisschen im normalen Rahmen zu halten. Die meiste Zeit bin ich ohnehin an der Rennstrecke um zu testen und mit dem Team zusammenzuarbeiten.

Genießt Du den Rummel?

Nick Heidfeld: Nein. Der Medienrummel steht für mich nicht im Vordergrund. Mir wäre es da lieber mehr oder weniger unbekannt zu sein und stattdessen nur meinen Job zu machen.

Der ganze Rummel hält ja jetzt schon seit vielen Wochen an und begann seinerzeit mit diesem hoch gehypten Shoot-Out zwischen Antonio und Dir. Eine ähnliche Situation gab es zuletzt bei Red Bull, wo Tonio Liuzzi und Christian Klien ebenfalls lange auf eine Cockpitbestätigung warten mussten. Ist das ein Trend, den Du als Fahrer gutheißen kannst?

Nick Heidfeld: Es ist für einen Fahrer sicherlich ein sehr großer Druck. Auf der anderen Seite herrscht in der Formel 1 nun einmal ein solch großer Druck. Die Frage ist in wie weit es für ein Team Sinn macht diese Entscheidung wirklich bis auf´s allerletzte herauszuzögern. Aber die Idee zwei oder mehr Fahrer gegeneinander antreten zu lassen halte ich für gut. Denn nur dann kann das Team auch wirklich herausfinden wer wirklich der Bessere ist. Entsprechend kann man den richtigen Eindruck hinterlassen und wenn es nicht nur ums Geld geht, wie es bei Williams und wohl auch bei Red Bull der Fall war, dann kann ich das nur gutheißen.

Also lieber das Risiko eingehen auf der Strecke zu verlieren als zu wissen, dass man eigentlich besser ist aber der andere hatte den größeren Geldkoffer dabei...

Nick Heidfeld: [lächelt] Am besten ist es auf der Strecke zu gewinnen.

Siehst Du die Spekulationen über eine mögliche Verpflichtung von Jenson Button als Deinen oder Mark Webbers Nachfolger als zusätzlichen Druck an?

Nick Heidfeld: Nein, wie eben schon gesagt: Beim Shoot-Out gab es einen gewissen Druck und in der Formel 1 gibt es allgemein immer einen Leistungsdruck. Und wenn ich in diesem Jahr bei Williams einen guten Job mache, dann hoffe ich auch, dass ich mir um die Zukunft keine Sorgen zu machen brauche.

Den Januar hattest Du zum wichtigsten Monat Deiner Karriere auserkoren. Nun wird 2005 wohl zum wichtigsten Jahr in Deiner Karriere?

Nick Heidfeld: Ja und nein. Es war auf jeden Fall die größte Chance die ich hatte und zum Glück auch nutzen konnte. Auf der anderen Seite ist man in der Formel 1 sofort weg vom Fenster, wenn man keine Leistung bringt. Also muss man immer alles geben. Hätte ich das beispielsweise bei Jordan nicht gemacht, dann hätte ich wahrscheinlich auch gar nicht die Möglichkeit erhalten für Williams zu testen. Und dann wäre es vielleicht schon vorbei mit der Karriere. Man muss immer daran glauben, dass es funktionieren wird und auch immer alles geben.

Kommen wir zu einem anderen Thema: Die ersten Testwochen mit dem neuen FW27 sind vorüber. Er dürfte Dein bislang bestes F1-Auto sein...

Nick Heidfeld: Ja, ganz klar ist er das beste Auto das ich bislang gefahren bin. Kein Vergleich mit den anderen.

Wie sind die Tests bisher verlaufen?

Nick Heidfeld: Das Auto war von Anfang an sehr standfest, was uns speziell am Anfang der Saison aufgrund der neuen Zwei-Wochenend-Motoren helfen könnte und helfen sollte. Der Speed ist ebenfalls sehr gut, besonders auf Long Runs. Aber nichtsdestotrotz müssen wir da noch ein bisschen etwas finden. Da bin ich allerdings zuversichtlich, weil wir noch vor Melbourne einige Änderungen auf dem aerodynamischen Bereich bekommen werden und BMW-Williams hat ja in den letzten Jahren schon bewiesen, dass sie sich im Laufe einer Saison noch stark steigern können. Also hoffe ich, dass wir am Anfang schon vorne dabei sind und uns dann noch weiter steigern.

Wirst Du schon in Australien zur Attacke auf das Treppchen blasen?

Nick Heidfeld: Natürlich werde ich alles geben, aber es kommt ganz stark darauf an wie gut das Auto ist. Von daher setze ich für mich im Moment auch noch keine Ziele in Form von WM-Resultaten. Stattdessen warte ich einfach ab wie gut das Auto ist. Für mich ist es das Wichtigste, dass ich nach jedem Training und jedem Wochenende sagen kann: Ich habe mein Bestes gegeben.

In diesem Zusammenhang kommt nun natürlich die unvermeidliche, aber zu diesem Testzeitpunkt auch äußerst schwierige Frage danach, wo Du das Team im Vergleich zur Konkurrenz einordnest?

Nick Heidfeld: Das möchte ich im Moment noch nicht einschätzen. Natürlich bekommt man bei den Tests ein ungefähres Bild. Es ist aber unglaublich schwierig dieses genau auszuarbeiten und einzuschätzen. Schließlich weiß man nie genau wer mit welchen Reifen und wie viel Sprit unterwegs ist. Das ist aber wie ich glaube auch das spannende am Sport und der Formel 1: Man weiß wirklich erst wo man steht, wenn das erste Rennen vorbei ist.

Mit Mark und Dir hat Williams erstmals seit 1977 keinen GP-Sieger im Team. Wie kommst du mit Mark klar?

Nick Heidfeld: Sehr gut. Es gibt keine Probleme und ich denke, dass wir gut zusammenarbeiten werden und das Team gemeinsam unterstützen können.

Viele der so genannten Experten trauen Dir und Williams zu die große Überraschung des Jahres zu werden. Das dürfte dir natürlich gefallen, aber hältst Du das auch für realistisch?

Nick Heidfeld: Ja, natürlich glaube ich daran. Williams hat in den letzten Jahren schon genügend Weltmeistertitel eingefahren und zwar sowohl auf der Konstrukteurs- als auch der Fahrerseite. Man kann also sagen, dass ich bei einem Top-Team untergebracht bin und mir selbst traue ich auch einiges zu. Mein Ziel ist nach wie vor der Weltmeistertitel und von daher wäre es schön, wenn diese Vorhersagen zutreffen würden.

Vielleicht schon in dieser Saison?

Nick Heidfeld: Das kommt wie gesagt darauf an, wie stark das Auto ist. Da müssen wir einfach abwarten.

Fast so ein kompliziertes Thema wie die Cockpit-Entscheidung bei Williams sind derzeit wieder einmal die Regeländerungen. Verfolgt man als Fahrer was da an zigtausend Seiten geschrieben wird?

Nick Heidfeld: Selbstverständlich ist ein gewisses Interesse da, aber wie gesagt gibt es da viele Vorschläge die diskutiert werden und da kann man sich nicht mit allem auseinandersetzen. Als Fahrer muss man sich ohnehin letzten Endes mit dem zufrieden geben was das Reglement vorschreibt und dann versuchen das Beste daraus zu machen.

Sind denn immer so viele Regeländerungen pro Jahr notwendig?

Nick Heidfeld: Es sind schon Änderungen nötig, speziell auch um die Autos langsamer zu machen oder zumindest zu verhindern, dass sie nicht noch schneller werden. Ein Fahrer sagt natürlich immer, dass er die Autos vom Speed her nicht einschränken und sie so schnell wie es nur irgendwie möglich ist haben möchte, aber wenn man über die letzten zehn bis zwanzig Jahre keine Änderungen vorgenommen hätte, wären die Autos heute wohl unfahrbar.

Ist es nicht komisch, dass derzeit unbedingt Regeländerungen für 2006 respektive 2008 diskutiert werden müssen, während manche der 2005er Regeln – etwa bei den Reifen – noch gar nicht geklärt sind?

Nick Heidfeld: Ich denke, dass da hinter den Kulissen genug darüber diskutiert wird und ich glaube schon, dass wir bis zum ersten Rennen alle bescheid wissen werden, mit welchem Reglement wir antreten müssen. Da mache ich mir keine Sorgen.

Im Fußball heißt es immer so schön: Der Sport ist so beliebt, weil die Regeln so einfach und für alle gleich sind. Dieses Motto scheint Max Mosley nicht zu kennen. In der Formel 1 ist alles kompliziert und keiner kennt sich aus...

Nick Heidfeld: Ich glaube dieser Vergleich ist ein bisschen zu einfach. Denn wenn man sich die Zuschauerzahlen und die Erfolge in der Formel 1 anschaut, dann dürfen wir uns da glaube ich nicht beschweren.

Und werden die Fans aufgrund der neuen Regeln mehr Überholmanöver zu sehen bekommen?

Nick Heidfeld: Auch das wird die Saison zeigen. Ich vermute aber, dass es da leider keine großen Änderungen geben wird. Das wäre auch ein Wunsch von meiner Seite als Fahrer, dass es wieder einfacher werden sollte zu überholen, was es natürlich auch für die Zuschauer viel spannender machen würde.

Wie könnte das erreicht werden?

Nick Heidfeld: Wenn es so einfach wäre, dann hätte man es wahrscheinlich schon längst getan. Ein wichtiger Punkt ist aber mit Sicherheit die Aerodynamik. Man verliert einfach Anpressdruck wenn man näher an ein vor sich fahrendes Auto heranfährt und das macht es einfach schwierig.