Dass es die Manor-Boliden überhaupt nach Australien geschafft haben, darf bereits als Sieg für sich verbucht werden. Doch die eigentlichen Probleme fangen jetzt erst an: Die nach wie vor rot-weiß gehaltenen Boliden stehen nahezu ohne Sponsorenaufkleber in der Garage. Schlimmer noch: Da es sich im Grunde genommen um nichts weiter als ein 2014er-Auto mit Vorjahresmotor und einer notdürftig auf das neue Reglement angepassten Nase handelt, wird Manor um jede Rennteilnahme kämpfen müssen. Die 107-Prozent-Hürde kennt kein Erbarmen.

Notdürftige Nase

Der Nachrichtenagentur GMM zufolge soll ein Carbon-Knubbel die einzige Änderung am Fahrzeug gegenüber 2014 sein. Und das Fahrzeug war schon im Vorjahr viel zu langsam. "Wir haben viel zu tun", wird Teamchef John Booth von Autosprint zitiert. Der Retter in letzter Sekunde, Stephen Fitzpatrick, gab zu, dass das nackte Überleben an erster Stelle stünde. Die 107-Prozent-Hürde käme erst an zweiter Stelle, wenn auch knapp dahinter.

Das erste Rennen hat Manor gewonnen: Das Fahrzeug wurde trotz der in den Weg gelegten Steine (Antrittsverbot mit dem reinen Vorjahreswagen) für Melbourne fertig. "In drei Wochen haben wir die komplette Front nach den neuen FIA-Regularien designt und gefertigt", so Booth. Das Ganze sei mit gerade einmal sechs Leuten bewerkstelligt worden. Nun will er die ersten Rennen möglichst schnell hinter sich bringen und hat ein Fernziel: "Wenn alles gut läuft, wird das 2015er-Auto nach der Sommerpause fertiggestellt sein." Bis dahin heißt es: Überleben um jeden Preis.

F1-Teamchefs zollen Respekt

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff drückt Manor die Daumen. "Ich bin froh, dass sie zurück sind", sagte er am Donnerstagmorgen in Melbourne. Die Rettung des letzten ‚kleinen Teams' sei gut für die Formel 1. "Es ist gut, dass sie einen Investor gefunden haben, der an die Formel 1 glaubt", so Wolff. "Wir haben alle großen Respekt davor, dass sie das Auto nach Australien gebracht haben. Ich weiß nicht, wie sie das geschafft haben."

Trotz all des Lobes kennt aber auch Wolff die bittere Manor-Realität: "Es wird sicherlich schwierig, konkurrenzfähig zu sein und sich mit dem Auto zu qualifizieren. Ich bin nicht sicher, ob sie geplant hatten, das Auto nach Australien zu bringen. Aber es gibt viele sehr wichtige kommerzielle Gründe, hier aufzutauchen. Alles Weitere sehen wir dann im Rennen. Ich wünsche ihnen viel Glück."

Auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner zog seinen Hut vor den Manor-Jungs. "Sie sind ein kleines Team, haben aber offensichtlich viel Begierde. Es steckt viel harte Arbeit und Leidenschaft dahinter", lobte er. Nun hofft Horner, dass Manor eine vernünftige Saison zusammenbekommt. Für Red Bull oder Toro Rosso werden sie dabei keine Gefahr darstellen.

Aber auch sonst erwartet Horner nicht, dass das modifizierte Vorjahresauto ohne Testfahrten eine Gefahr darstellen könnte. "Sie kennen das Auto recht gut und mussten durch die Crashtests", betont Horner. "John Booth ist ein Racer und er würde keine Autos in die Startaufstellung bringen, bei denen er das Gefühl hat, sie wären unsicher."