Wenn zwei Autos ineinander krachen, geht es immer zuerst um die Schuldfrage. Was für den normalen Straßenverkehr gilt, das gilt erst recht in der Formel 1. Susie Wolff und Felipe Nasr gerieten beim Testauftakt in Barcelona in den frühen Nachmittagsstunden aneinander und landeten mit havarierten Boliden im Kies.

Das ist wirklich passiert

Als Susie Wolff den versammelten Journalisten ein Video vom Unfallhergang zeigte, saß Motorsport-Magazin.com in der ersten Reihe. Wolff hatte das Video direkt von der Race Control, aus rechtlichen Gründen darf es leider nicht veröffentlicht werden.

Zu sehen war der Ausgang von Kurve vier, die folgende Gerade und der Eingang von Kurve fünf. Wolff war auf ihrer Outlap und entsprechend langsam unterwegs. Sie kam weit innen aus Kurve vier heraus und blieb auf ihrer Linie. Somit war sie für die nachfolgende Linkskurve auf der Außenseite.

Der Unfallhergang nach dem Race Control Video rekonstruiert, Foto: Motorsport-Magazin.com
Der Unfallhergang nach dem Race Control Video rekonstruiert, Foto: Motorsport-Magazin.com

Im Hintergrund kam Nasr angeschossen. Er ließ den Sauber aus Kurve fünf heraus weit nach außen tragen. Die Ideallinie führte Nasr diagonal über die kurze Gerade. Um die Kurve möglichst weit außen anzufahren, zog er konsequent nach rechts.

Während Nasr weiter mit hoher Geschwindigkeit der Ideallinie folgte, lenkte Wolff schon ganz leicht für die Linkskurve ein. Nasr fuhr Wolff vorne links über die Aufhängung, er selbst beschädigt seinen Sauber vor allem hinten rechts. Bei Sauber mussten Heckflügel, Unterboden und sogar das Getriebe gewechselt werden.

Klärung der Schuldfrage

"Ich habe zwar gehört, dass ich mich angeblich bei ihm entschuldigt hätte. Aber das stimmt nicht, weil es nichts gab, wofür ich mich entschuldigen hätte müssen", sagte Wolff, die betonte, das unmittelbar nach dem Unfall bereits klargestellt zu haben. "Ich bin zu ihm gegangen und habe gefragt: Was zum Teufel war das? Er war ein wenig sprachlos, aber ich auch."

"Das sind Dinge, die passieren, aber man nicht weiß, wie sie passieren konnten. Aus meiner Sicht war das ein unglücklicher Zwischenfall, aber keiner, den ich verhindern hätte können", so Wolff. "Ich bin auf meiner Linie geblieben und hatte nicht erwartet, dass er so aggressiv hinüber zieht."

Unfallgegner Nasr sah die Situation freilich etwas anders und fühlte sich selbst im Recht. "Ich sah, dass sie die Box verlässt und sehr langsam fährt. In Turn 4 schloss ich zu ihr auf und sah, dass sie nach rechts zieht. Daher dachte ich, sie bemerkt, dass ich komme. Daraufhin bremste ich mich in Turn 5 innen an ihr vorbei. Währenddessen gab es einen harten Schlag auf meine Hinterradaufhängung. Daher denke ich, dass sie mich nicht bemerkt hat", unterstellte Nasr Wolff mangelnde Aufmerksamkeit.

Auch das Williams-Team nahm der Brasilianer in die Pflicht. "In der Formel 1 versuchen die Teams die bestmögliche Information zu liefern, welche Autos sich rund um dich auf der Strecke tummeln und wer von hinten kommt. Da hat sie vielleicht etwas verpasst. Ich weiß nicht, ob sie keine Nachricht von Team bekommen hat oder nicht in den Rückspiegel geschaut hat, aber dieser Zwischenfall hätte verhindert werden können", war sich Nasr sicher.

Redaktionskommentar:

Motorsport-Magazin.com meint: Die Schuldfrage ist schwer zu beantworten. Will Wolff besser Platz machen und für die nächste Kurve auf die Innenseite fahren, kreuzt sie Nasrs Linie auf jeden Fall. Da ist es besser, auf einer geraden Linie weiterzufahren. Wolff meinte, sie hätte den Unfall nicht verhindern können. Das stimmt so nicht ganz. Wäre sie stärker vom Gas gegangen, hätte Nasr sie nicht getroffen. Aber am Ende ist es Nasr, der von hinten kommt und die Situation besser einschätzen muss. Er darf nicht ganz so aggressiv in Wolffs Linie ziehen - erst recht nicht bei Testfahrten.