"Ferrari hat Flügel", jubelte die italienische Presse nach den Bestzeiten von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen bei der ersten Wintertestserie in Jerez. Die Jubelstimmung bei den Italienern ist nachvollziehbar, immerhin ist es lange her, seit sie Jubelarien auf ihr F1-Team singen konnten. Der letzte GP-Sieg eines Ferrari-Piloten liegt über 20 Monate zurück, der letzte Fahrertitel rührt aus dem Jahr 2007.

1.20.814; 1.20.984 - diese Zahlen ließen diese Woche die italienischen Medien frohlocken und die Konkurrenz hellhörig werden. "Ferrari war in den vergangenen Tagen sicher ein Augenöffner", erklärte Nico Rosberg. Mit drei Bestzeiten an vier Tagen waren Ferrari zumindest die Schlagzeilen sicher. Die Corriere della Sera schwärmte von einer "traumhaften Leistung", Il Messaggero titelte "Der Start hätte nicht positiver sein können." Die Corriere dello Sport konnte sich angesichts der Vettel-Bestzeiten einen Seitenhieb in Richtung Red Bull nicht verkneifen und schrieb deren Werbebotschaft in "Ferrari hat Flügel" um.

Der vierfache Champion blieb hingegen auf den Boden der Tatsachen und bezeichnete die Testfahrten als gute Basis, um darauf aufzubauen. Doch seine Körpersprache sowie die des Teams war eine andere. Vettel erinnerte in Jerez wieder an den blonden Lausbub aus den Red Bull-Anfangstagen. Vettel wirkte wie ausgewechselt, war bestens gelaunt und zu Scherzen aufgelegt - und seine Stimmung war ansteckend. Dieser Eindruck verstärkt sich durch die Szene, die sich in der Ferrari-Box abspielte als Vettel nach seiner zweiten Tagesbestzeit in Folge aus dem SF15-T ausstieg.

Rings um ihn herum applaudierte die Crew, was er in typischer Vettel-Manier kommentierte: "Sie waren nur froh, dass ich das Auto auf der nassen Strecke nicht beschädigt habe." Das gezeigte Potenzial macht auf jeden Fall Hoffnung, allerdings muss jedem klar sein, dass Testfahrten ein verzerrtes Bild vom wahren Leistungsvermögen der Teams wiedergeben. Räikkönen fuhr zwar die absolute Bestzeit auf einen Vier-Runden-Stint mit weichen Reifen, Vettel seine Bestzeit sogar auf einen Elf-Runden-Stint mit medium Reifen, trotzdem weiß keiner außerhalb der Ferrari-Box, welche Spritmengen die beiden auf ihren Zeitenjagden gegangen sind.

Zwar wurde Ferrari nicht müde zu betonen, dass man keinen Wert darauf gelegt habe, eine gute Show zu zeigen bzw. die Erwartungshaltung der Bosse zu erfüllen, dennoch sollten sich die Fans keinen allzu großen Illusionen hingeben. Immerhin ist es gerade einmal 12 Monate her als Räikkönen das gleiche Kunststück in Jerez gelang. Wie die Saison für Ferrari geendet hat, muss hier wohl nicht erwähnt werden. Unsere Antwort auf die Frage Auferstehung oder Strohfeuer lautet daher: Der Weg ist zwar noch lang, doch Vettel hat frischen Wind ins Team gebracht und bei Ferrari hat Vettel sein Mojo wiedergefunden.