Was braucht ein junger Rennfahrer im Jahre zweitausendundfünf um in die Königsklasse des Motorsports aufzusteigen?

Fitness? Auf jeden Fall. Talent? Ist hilfreich. Grundschnelligkeit? Ist auch nicht schlecht. Einen prall gefüllten und sehr geräumigen Reisekoffer? Ohne den geht gar nichts. Allerdings nicht, weil die Piloten für die mittlerweile 19 Rennen fast pausenlos on Tour sind, sondern weil sie diesen Koffer schon bei den Vertragsverhandlungen mit ins Büro des Teamchefs bringen müssen, um dort viele Scheinchen in einer harten Landeswährung abzuliefern.

So jedenfalls verliefen die F1-Einstiege der meisten "talentierten Jungstars" in den vergangenen Jahren. Egal ob bei Minardi, Jordan oder sogar Jaguar: Eine großzügige Mitgift vom persönlichen Sponsor oder reichen Herrn Papa stach so manchen Meister einer Juniorformel aus. Dieser hatte zwar mehr Talent und fahrerisches Können, aber leider keine Moneten vorzuweisen.

Quick Nick statt Petrobras Tonio

In der Woche der Team-Launches, in welcher neben dem neuen FW27 auch der bereits getestete R25 das Licht der F1Welt erblickte, sollte sich diese Verhandlungstaktik mit dem großen Koffer allerdings schlagartig ändern.

Den Anfang machte Sir Frank Williams, der dem Mönchengladbacher Nick Heidfeld in einer Besenkammer eröffnete, dass Quick Nick und nicht der Jungle Boy Antonio Pizzonia das zweite Stammcockpit erhalten wird.

So weit so verständlich – schließlich war der Deutsche bei den Vergleichstests der schnellere Fahrer. Aber der Mann aus Manaus hatte neben seinem – zweifelsohne vorhandenen Talent – noch einen weiteren Trumpf im Ärmel: Den brasilianischen Teamsponsor Petrobras.

Doch wie das Minenspiel des grinsenden Nick und des schmollenden Antonio auf der Teampräsentation bildlich perfekt übermittelte siegte beim Racer-Urgestein Frank Williams letztlich die dunkle Seite des Geldes nicht über die gute Seite des Racings.

Der erste seiner Art

Aber nicht nur bei den Freunden und Fans von Nick Heidfeld knallten in den zurückliegenden Tagen die Korken. Auch in den für F1-Verhältnisse eher fremden Ländern Israel, Indien und Portugal darf gefeiert werden.

Während Israel sich mit seinem ersten offiziellen Minardi-Testfahrer Chanoch Nissany freuen darf (welcher allerdings der Teamphilosophie zu Folge eher den Bezahlfahrern zuzuordnen ist), bejubeln die Portugiesen mit Tiago Monteiro ihren erst vierten F1-Piloten.

Der Vizemeister der World Series by Nissan wird somit nach knapp zehn Jahren der erste portugiesische F1-Fahrer nach Pedro Lamy, der immerhin 32 Grand Prix bestritt und einen WM-Zähler ergattern konnte.

Der allererste seiner Art ist hingegen der eigenen Angaben zu Folge "schnellste Inder auf Rädern": Der zweite Midland-Jordan Stammpilot Narain Karthikeyan.

Und dieser kommentierte seinen großen Durchbruch in die Königsklasse des Motorsports fast schon Weltraumphilosophisch in Star Trek Manier: "Mein Ziel war es schon immer in die F1 zu kommen, dorthin wo noch nie zuvor ein Inder gewesen ist."

Sind die Tage der Pay Driver gezählt?

Mit seinem unerfahrenen Pilotenduo Karthikeyan/Monteiro schlägt das Midland Team in seinem letzten Jahr unter dem Namen Jordan GP einen riskanten Weg mit zwei F1-Rookies ein, die ihrerseits zusammen gerade einmal eine Hand voll F1-Tests vorzuweisen haben.

Dafür sind sie aber schon seit Jahren in diversen Rennserien erfolgreich unterwegs. Und zwar für den Midland-Sportdirektor Trevor Carlin, der seine talentierten Schützlinge nicht vergaß und deren Leistungen in der britischen F3 oder der Nissan World Series nun mit einem F1-Cockpit belohnte.

Somit hat der Einstieg der Russen von MidlandF1 der F1Welt nicht nur das Jordan Team gerettet, sondern auch dafür gesorgt, dass endlich das Talent und das fahrerische Können und nicht die Ausmaße des Geldkoffers und die Kenntnis diverser Schweizer Bankkonten über die Cockpitvergabe entscheiden. Auch wenn diese neue Rekrutierungsform vorerst nur für Fahrer aus der Carlin-Schule gilt.

Midland-Geschäftsführer Colin Kolles umschreibt das Problem des "F1-Establishments" wie folgt: "Ihre Köpfe sind so weit oben in den Wolken, dass ihre Füße den Bodenkontakt verloren haben. Oder anders gesagt: Sie wissen nicht was an der Basis geschieht – in den niedrigeren Rennformeln."

Wahre Worte, welche Kolles noch weiter untermauert: "Sie lassen zu oft obskure Manager so genannte Talente anschleppen, welche oftmals nur für diese Manager Profit bringen. Wir werden an diesem Spiel niemals teilnehmen."

Trotz dieser ehrenhaften und einmaligen Einstellung gibt es berechtigte Zweifel daran, ob zwei so unerfahrene Piloten in einem zuletzt schwer erschütterten Team wie Jordan nicht völlig überfordert sind. Während man dies bei Midland verständlicherweise rigoros verneint, hält es Red Bull Racing Sportdirektor Christian Horner für "einen Fehler" zwei solche "Grünschnäbel" zu verpflichten. "Die F1 ist eine komplett andere Welt im Vergleich zu anderen Formeln."

Entsprechend erachtet der erst kürzlich aus der F3000 in die F1 aufgestiegene Horner den Schotten David Coulthard als den "größten Wert" seines Teams. Denn Erfahrung und technisches Feedback kann man nicht kaufen. Speed allerdings auch nicht – und jener soll DC in den vergangenen Jahren (vor allem im Qualifying) hin und wieder abhanden gekommen sein...

Ein neuer Markt

Einer dürfte nach der Verpflichtung des ersten Inders der F1-Geschichte locker einen Luftsprung vollführt haben, der seine eigene Körpergröße um ein Vielfaches überstieg: Bernie Ecclestone.

Denn während Bernie noch immer um einen Grand Prix in Indien kämpft, eröffneten sich schon durch die Anbahnung eines Vertragsabschlusses zwischen Jordan und Karthikeyan ungeahnte indische Märkte: "Es war überall auf den Titelseiten", berichtete Narain über die Medienresonanz aus seiner Heimat. "In Indien wird der Sport immer beliebter. Indien wird nun eine große Motorsportindustrie bekommen und der Sport wird dort explodieren." Mit solchen Sätzen sprach sich Narain schon wenige Minuten nach seiner Präsentation als Jordan-Stammpilot in Bernies Herz.

Und wer von Bernie spricht, der muss bekanntlich auch an Max denken. Und siehe da: Auch FIA-Präsident Max Mosley meldete sich in dieser Woche wieder einmal mit einem seiner unzähligen Briefe zu Wort. Aber nicht nur das. Max holte auch zum großen Schlag gegen jene neun Teams aus, welche seiner kleinen Teeparty mit Jean Todt und Ross Brawn fern geblieben waren.

So veröffentlichte Mosley in einem erfreulichen Anfall von Transparenz und Offenheit den Briefverkehr zwischen den Teams und der FIA sowie die Notizen des letzten Teamchef-Meetings. Ein alles andere als kurzes Studium dieses Tonnen schweren Materials brachte dabei zwei wichtige Schlüsse zum Vorschein: Zum einen, dass Max Mosley von Paul Stoddart als Briefeschreiber Nummer 1 abgelöst wurde – schließlich zählte Pauls Brief an Mosley satte 42 Seiten. Zum anderen stellt sich immer noch die Frage, ob es wirklich notwendig ist das F1-Reglement jedes Jahr um irrwitzige Regeländerungen zu "bereichern"...