Schrille Auftritte erhöhen die Popularität. Das weiß jedes Sternchen, das ein Star werden will. Nick Heidfeld ist so etwas schnuppe. Er gehört zum elitären Kreis der 20 besten Rennfahrer der Welt und ist doch der nette Junge von Nebenan geblieben. Bescheiden, zurückhaltend, freundlich und höflich. Dabei gäbe es eine Menge, womit er angeben könnte. Zum Beispiel seine Karriere.

Als Steppke von noch nicht einmal fünf Jahren fuhr er schon Motocross – gemeinsam mit seinem jüngeren und seinem älteren Bruder. Kleine Maschinen mit 50-ccm-Motoren boten jede Menge Fahrspaß. "Bis ich bei einem Unfall mit dem Bein zwischen Rad und Schutzblech hängenblieb, wobei das Gas leider auch auf voll hängenblieb…", erinnert sich der Mönchengladbacher an den schmerzhaften Verlust seines Wadenmuskels.

Als Erstklässler wäre er schon gerne Kart gefahren. "Ich war aber zu klein. An den Leihkartbahnen gab es immer solche Stangen: Wer darunter durchlaufen konnte, durfte nicht fahren." Bei einem der ungezählten Familienausflüge zum Nürburgring war es endlich soweit. Mit zwei Reifen und einer Decke im Rücken durfte er auf der brandneuen Kartbahn fahren. Indem er dort seinen Vater Wolfgang überholte und abhängte, qualifizierte sich Nick Heidfeld für sein erstes eigenes Kart. Er bekam es als Achtjähriger. Clubmeisterschaften in Kerpen-Manheim, Rennen auf nationaler Ebene, Teilnahmen an Europa- und Weltmeisterschaftsläufen – er lernte sein Handwerk gründlich und sammelte Trophäen wie andere Kinder bunte Bildchen. Mit 17 Lenzen dominierte Heidfeld die Deutsche Formel Ford 1600-Meisterschaft – acht Siege in neun Rennen. Ein Jahr später holte er sich den Titel in der Formel Ford 1800.

1996 war er als 19-Jähriger der Jüngste im Feld der Deutschen Formel-3-Meisterschaft und fasste auch dort sofort Fuß – drei Siege und Rang drei im Gesamtklassement, außerdem Poleposition und Laufsieg beim Formel-3-Weltfinale auf dem abenteuerlichen Stadtkurs von Macau sowie Platz drei beim europäischen Kräftemessen der Formel 3 in Zandvoort.

Nick Heidfeld wurde 1997 schon vor Saisonbeginn als kommender Formel-3-Meister gehandelt. Zumal auch Mercedes bereits den Rohdiamanten in ihm erkannt hatte und die ersten Formel-1-Testfahrten mächtig mediale Aufmerksamkeit erregten. Der Formel-1-Boom in Deutschland war gerade in voller Beschleunigung, eine Folge der ersten beiden WM-Titel Michael Schumachers. Heidfeld ließ sich durch nichts beirren. Er hatte das Talent, um die Meisterschaft zu gewinnen, im Opel Team von Bertram Schäfer auch das Material dazu – und er setzte seine Möglichkeiten um. Mit fünf Siegen machte er sein Meisterstück im deutschen Championat. Mit seinem Triumph beim Formel-3-Grand-Prix in Monaco kam sein Name auch international ins Gespräch.

"Die Formel 3 war die erste Station im professionellen Motorsport, das konnte man nicht mehr Hobby nennen", sagt er rückblickend. "Es war eine sehr wichtige Lehrzeit."

1998 und 1999 wurden noch intensivere Jahre. Er trat in der Internationalen Formel-3000-Meisterschaft an – drei Siege und Zweiter der Meisterschaft im ersten Jahr, im zweiten Jahr reichten vier Siege zum Titel. "Mein Teamchef David Brown war ein sehr guter Ingenieur", sagt Heidfeld, "er hatte unter anderem schon mit Ayrton Senna und Nigel Mansell gearbeitet, und er hat mir wahnsinnig viel in Sachen Setup beigebracht." Parallel arbeitete Heidfeld als Formel-1-Testfahrer für McLaren-Mercedes. 1999 gehörte er, wie Mark Webber, zur Mercedes-Fahrerriege für das 24-Stunden-Rennen von Le Mans, aus dem die Fahrzeuge allerdings zurückgezogen werden mussten.

2000 fand er bei Prost einen Platz als Stammfahrer. "Die Hoffnungen waren groß", erinnert er sich. "Das Team hatte gute Leute und gute Sponsoren. Aber letztlich haben wir nicht einen einzigen Punkt erzielt. Viele Rennen habe ich gar nicht beenden können."

Es folgten drei Jahre bei Sauber. 2001 erzielte er in Brasilien seinen ersten Podiumsplatz. "Eine schöne Zeit", sagt Heidfeld. "Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt und habe auch jetzt noch freundschaftlichen Kontakt zu einigen Teammitgliedern." In dieser Zeit schlug er auch privat seine Zelte in der Schweiz auf. "Monaco war immer für ein paar Tage witzig, aber nicht das, was ich mir langfristig gewünscht habe." Mittlerweile hat er sich in der Schweiz ein Haus zugelegt. "Erbaut Mitte des 19. Jahrhundert", erzählt er, "und wir haben bei der Renovierung auch Wert auf altes Handwerk gelegt." Ein Fitnessstudio, moderne Einzelstücke beim Interieur und moderne Kunst bilden Kontraste zum traditionsbewussten Wohnen.

Ähnlich abwechslungsreich ist der Standort. "Wir haben absolute Ruhe", sagt der stolze Hausbesitzer, "aber wir können auch in einer Viertelstunde nach Zürich fahren und diese sehr schöne Stadt genießen." Trotz wachsender Naturverbundenheit möchte Heidfeld auf die Lichter der Großstadt nicht verzichten. "Zum Rennrad oder Mountainbike fahren ist die Gegend ideal." Zu Heidfelds Fitnessrepertoire gehören auch Tennis, Golf "und eine Menge anderer Sportarten. Mir macht das alles Spaß. Es gibt keine Einzelsportart, der ich mich besonders verschrieben habe."

Dass er Sauber Ende 2003 verlassen musste, "hat mich natürlich nicht gefreut. Aber es lag sicher nicht daran, dass ich meinen Job nicht gut gemacht hätte." Es folgte ein harter Winter. "Ich war froh, als ich dann die Möglichkeit bei Jordan bekam, obwohl ich wusste, dass die Saison sehr schwierig werden würde. Anfangs haben wir uns aber doch überraschend gut gesteigert. Bergab ging es, als Mitte der Saison einfach kein Geld mehr für die Entwicklung da war."

Heidfeld klagt nicht. Er stellt das ganz sachlich fest. Der erste Test im BMW WilliamsF1 Team hat ihn beeindruckt: "Es war alles in allen Bereichen besser, eine andere Welt. Ich hatte mich auch tierisch auf diesen Test gefreut", gesteht er, "ich bin offen empfangen worden, alles hat prima funktioniert." Es gab nicht nur mehr Material zum Testen, sondern auch gestiegenes öffentliches Interesse. Vordrängeln ist dabei seine Sache nicht. Er lässt vor allem Taten sprechen. Aber einmal angestoßen, ist Nick Heidfeld auch ein sprudelnder Gesprächspartner. Intelligent, informiert, offen und eloquent. Stille Wasser sind eben doch tief.