Die Faszination Geschwindigkeit kann man in der Formel 1 am besten in Monza erleben. Auf der Start-Ziel-Geraden werden jedes Jahr die höchsten Geschwindigkeiten im Formel-1-Kalender gefahren. Doch wie schnell könnte ein Formel-1-Fahrzeug eigentlich werden, wenn es ausschließlich geradeaus fahren müsste?

Das BAR Honda Team glaubte im Jahr 2005, dass es mehr als 400 km/h sein würden und machte aus der Frage ein Projekt. Mit "Bonneville 400" wollte der Rennstall demonstrieren wie schnell ein Formel-1-Fahrzeug wirklich werden kann. Eine kleine Gruppe von Ingenieuren fokussierte sich für fast zwei Jahre auf das Projekt, um den Geschwindigkeitsrekord möglich zu machen.

Juan Pablo Montoya war vor dem Projekt der Rekordhalter, der die Höchstgeschwindigkeit erreichte, Foto: Sutton
Juan Pablo Montoya war vor dem Projekt der Rekordhalter, der die Höchstgeschwindigkeit erreichte, Foto: Sutton

Zum Zeitpunkt des Projektstarts betrug die schnellste je zuvor gefahrene Geschwindigkeit ca. 372 km/h. Juan Pablo Montoya hatte diesen Rekord während des Grand Prix von Italien aufgestellt. Die Geschwindigkeit um 30 km/h zu erhöhen, war eine Herausforderung, die technisch deutlich größer war als man vielleicht annehmen mag.

Der Luftwiderstand nimmt nämlich quadratisch mit der Geschwindigkeit zu. Ein Formel-1-Fahrzeug hat auf Grund der großen Flügeln und freistehenden Rädern wenig Optimierungspotenzial, um den Luftwiderstand zu senken. Das Team führte erste Versuche schon 2005 mit einem BAR Honda 006 durch. Die Tests verliefen positiv, sodass die Entwicklung des Rekordwagens intensiv vorangetrieben wurde.

Heimat der Hochgeschwindigkeitsversuche

Der Projektname "Bonneville 400" verrät schon den Ort des Rekordversuchs - der Bonneville Salzsee in Utah in den USA. Hochgeschwindigkeitsversuche haben auf dem Salzsee Tradition. Vorteil ist, dass die Auslaufzone beinahe unendlich groß ist und man über eine sehr lange Strecke geradeaus fahren kann.

Das Projekt erhielt den Namen Bonneville 400, Foto: Sutton
Das Projekt erhielt den Namen Bonneville 400, Foto: Sutton

Großer Nachteil ist die Oberflächenbeschaffenheit. Im Gegensatz zu einer Asphaltstrecke ist der Salzsee eine regelrechte Buckelpiste. Das Fahrzeug könnte springen, im schlechtesten Fall gar Unterluft bekommen und sich überschlagen. Zudem braucht der Salzsee nach Regen teilweise Wochen, um wieder auszutrocknen. Ein Termin für einen Rekordversuch kann also schon durch Regen komplett scheitern.

High-Speed Modifikationen am Fahrzeug

Honda Racing kaufte Anfang 2006 das BAR-Team auf und führte das Projekt Bonneville 400 fort. Die Ingenieure entschieden sich dazu, als Basis für den Rekordversuch einen BAR 007 zu verwenden, der im Jahr zuvor in der Pre-Season Testphase genutzt worden war. Ziel des Teams war es, dass alle Fahrzeugmodifikationen dem Formel-1-Reglement entsprechen und das Fahrzeug rein theoretisch an einem Grand Prix teilnehmen könnte. Trotz dieser Vorgabe waren die Modifikationen umfangreich.

Links der Ausgangswagen und rechts die modifizierte Version für den Rekordversuch, Foto: Sutton
Links der Ausgangswagen und rechts die modifizierte Version für den Rekordversuch, Foto: Sutton

Das gesamte Bodywork wurde auf Basis unzähliger CFD-Simulationen verändert, um den Luftwiderstand zu reduzieren. Die Kühlöffnungen wurden kleiner, die Form der Seitenkästen optimiert. Das Team fand heraus, dass nach aktuellem Reglement ein Heckflügel nicht zwingend verwendet werden muss und beschloss deshalb auf seinen Einsatz zu verzichten.

Anstelle des Heckflügels wurde zur Stabilisierung eine Finne montiert. Diese verursacht zwar so gut wie keinen Luftwiderstand, erhöht aber die Richtungsstabilität enorm. Diese Finne bewegte sich zudem, um Instabilität auszugleichen und war damit als bewegliches, aerodynamisches Hilfsmittel, dass einzige nicht vollständig reglementkonforme Teil am Fahrzeug.

Zugleich wurde der Frontflügel sehr flach eingestellt. Es wurde eine längere Übersetzung gewählt und das Hinterachsen-Differential wurde permanent gesperrt. Für die Salzoberfläche wurde außerdem der Reifendruck verdoppelt. Mit dieser Konfiguration glaubte Teamleiter Gary Savage, das bestmögliche Paket für den Rekordversuch geschnürt zu haben.

Der damalige Testfahrer Alan van de Merwe stieg für BAR Honda in der Wüste von Utah ins Auto, Foto: Sutton
Der damalige Testfahrer Alan van de Merwe stieg für BAR Honda in der Wüste von Utah ins Auto, Foto: Sutton

Ein erfolgreiches Projekt

Die Bedingungen in Bonneville am Tag des Rekordversuches waren nicht optimal. Das Salz war nicht ganz trocken, die feuchte Oberfläche war sehr rutschig. Trotzdem ging Alan van de Merwe an den Start. Die Anspannung im Team war nach nahezu zwei Jahren Arbeit erheblich. Doch die Mühe zahlte sich aus: Unter den nicht optimalen äußeren Bedingungen konnten 400,459 km/h erreicht werden. Doch leider wurde diese Geschwindigkeit nur in eine Fahrtrichtung erreicht und bei der offiziellen Messung wird der Durchschnitt aus zwei Fahrten in entgegengesetzte Richtung gewertet. Somit betrug der Wert am Ende für die Rekordbücher 397,481 km/h.

Auch wenn in offiziellen Rekordbüchern nicht das gewünschte Ergebnis niedergeschrieben ist, hat Honda die Barriere gebrochen und es geschafft, mit einem Formel-1-Fahrzeug schneller als 400 km/h zu fahren. Darüber hinaus konnte das Team bei einem Versuch auf einem Flugplatz in der Mojave-Wüste sogar noch bessere Werte erzielen: Auf Asphalt war das Bonneville-Rekordfahrzeug ganze 413,205 km/h schnell.