Formel 1 Fahren - für jeden Rennfahrer ist dies nach wie vor der absolute Traum. Andre Lotterer musste sich lange gedulden, bis er in den Hochgenuss von mehr als einem PS pro Kilogramm im Rennen kam. Der überraschende Einsatz in Spa-Francorchamps zog zwangsläufig Fragen nach sich, wie ein Formel-1-Fahrzeug sich im Vergleich zu einem LMP1 verhält. Lotterer konnte darüber einige Angaben machen, schließlich fuhr er in den Ardennen dieses Jahr bereits ein Sechs-Stunden-Rennen im LMP1. Das Ergebnis des Vergleichs: Zwiespältig. So gehen F1-Fahrzeug gut vorwärts, die Querdynamik hingegen beeindruckte den Duisburger weniger.
Herangehensweise in der Formel 1 komplett anders
Die größten Unterschiede sind für Andre Lotterer nicht das Fahren, sondern die generelle Herangehensweise in zwei Motorsportligen, die große Unterschiede aufweisen: "Bei Audi stehen die Dinge im Vordergrund, die sich in einem Rennen mittel- bis langfristig auszahlen, vor allem die Zuverlässigkeit. Hier geht es mehr um die kurzfristige Performance." Auch die Tatsache, dass in der Formel 1 alles auf einen Fahrer zugeschnitten wird, sei ein großer Unterschied - diesen Punkt führten schon mehrere Umsteiger an. "Dort sind mehrere Fahrer involviert und man denkt beim Setup nicht in erster Linie an sich selbst, sondern an die Teamkollegen."
Ein weiterer Unterschied offenbart sich bei der Datenanalyse: Während in der LMP1-Klasse die Regeln so freizügig ausgelegt sind, dass generelle Veränderungen am Konzept des Fahrzeugs einen großen Unterschied bewirken können, ist in der Formel 1 wesentlich mehr Detailarbeit angesagt: "Man geht hier etwas mehr in die Tiefe und alles wird auf einen selbst zugeschnitten, da es eine Individualsportart ist", so der 32-Jährige, der aber auch Gemeinsamkeiten ausmachen konnte: "Es gibt spezielle Leute für Aerodynamik, Reifen, Elektronik und Motor, das ist dasselbe Prozedere."
Fahrspaß vor allem in der Beschleunigung
Aber wie ist denn nun das Fahren? "Die Power dieser Autos ist wirklich beeindruckend", freute sich der Langstrecken-Weltmeister von 2012, der aber auch Abstriche machte: "Eher negativ ist der Grip: Wir haben nicht so viel Traktion, man muss auf dem Gas sehr aufpassen. Es braucht eine Menge Zeit, um die Leistung auf den Asphalt zu beringen. Mit dem Audi kannst du Gas geben und fühlst mehr Grip." Das liege daran, dass der Audi R18 e-tron quattro wesentlich mehr Abtrieb produziert. "Wir haben dort lediglich etwas mehr als 600 PS, dafür aber einen großen Diffusor und sehr gute Reifen. In den Kurven kannst du viel Gas geben - sogar mehr, als du vom Auto erwarten würdest."
Der Grund dafür ist einerseits im Allradantrieb zu suchen, denn in der Langstrecken-Weltmeisterschaft wirkt der Elektroantrieb auf die Vorderachse, während in der Formel 1 die gesamte Power über die Hinterreifen übertragen wird. Auch die großen Flächen des R18 sorgen dafür, dass er im Le-Mans-Trimm mehr Abtrieb produziert als ein Formel-1-Fahrzeug in Monaco-Abstimmung. Dafür sind die Hybrid-Monster der LMP1 aber auch wesentlich schwerer als die Formel-1-Boliden: 691 Kilo für Auto plus Fahrer in der Formel 1, 870 Kilogramm für LMP1-Fahrzeuge ohne Fahrer. Selbst zum Start eines Grand Prix sind Formel-1-Autos also noch immer über 100 Kilogramm leichter.
LMP1 komplizierter als Formel 1
Für die Ingenieure hingegen sei die WEC interessanter: "Die Autos dort sind schon komplexer. Man kann viel mehr Profile programmieren, mit denen das Auto Dinge selber macht. Es weiß, wo es auf einer Runde ist und ändert die Settings automatisch. Wir haben längere Meetings, aber vielleicht ein bisschen weniger im Auto zu tun als ein Formel-1-Fahrer." Das liegt vor allem an den Standardisierungen, die in der Formel 1 vorgenommen worden sind, insbesondere im Bereich der Elektronik, die seit 2008 vereinheitlicht ist.
Die WEC-Saison 2014 hat ein neues Zeitalter im Motorsport eingeläutet und die Effizienz in den Vordergrund gestellt. Die Formel 1 schwenkte ebenfalls in diese Richtung, aber weniger extrem. Die zu Beginn der Saison oft als Spritspar-Formel kritisierte F1 ist für Lotterer aber weiterhin Vollgas-Sport. "In der WEC geht es vor allem darum, den Spritverbrauch auf einer Runde im Blick zu haben. In der Formel 1 ist der Kniff, das DRS richtig einzusetzen. Du hast ein paar Pre-Settings für härtere und weniger harte Bremsvorgänge, die du aktivierst und deaktivierst."
Dieses Systemmanagement ist für ihn nicht Neues: " Als ich ein paar Settings ändern sollte, fühlte ich mich sofort wohl und wusste, was zu tun war." Das sind aber auch schon einzigen Gemeinsamkeiten des Langstreckensports mit der Formel 1 im Cockpit, deshalb beendete Lotterer das Interview auch mit den Worten "Es ist komplett unterschiedlich, man kann es nicht vergleichen." Aber was macht denn nun mehr Spaß? "Das ist schwer zu sagen. Natürlich macht es viel Spaß, wenn man gewinnt. Hier werde ich garantiert nicht gewinnen, aber die Formel 1 macht auch Spaß.
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