Die FIA hat gestern verkündet, dass sie bei Zwischenfällen weniger hart ins Gericht gehen möchte. Ist das der richtige Weg?
Johnny Herbert: Aus meiner Sicht schon. Manchmal gibt es Zwischenfälle, die einfach nur Rennzwischenfälle sind. Man sollte niemanden bestrafen, nur weil man das kann. Der Rennsport soll schließlich auch solcher bleiben. Wenn man alles bestraft, leidet das Racing darunter. Schauen wir uns Kanada an: Ich denke nicht, dass man jemanden dafür die Schuld geben kann [Unfall zwischen Sergio Perez und Felipe Massa].

Man kann vielleicht sagen, dass Sergio ein winziges Stückchen nach links gefahren ist, und man kann vielleicht sagen, dass Felipe ihm möglicherweise ein bisschen mehr Platz hätte lassen sollen. Aber ich kann keinem dafür die Schuld geben. Ich weiß, Felipe war richtig sauer deswegen, aber es war für mich kein aggressives Manöver. Wenn er jemanden ins Gras drückt, dann ist es gefährlich. Aber das war es für mich nicht.

Die Rennkommissare haben den Fall hier noch einmal untersucht. Was hältst du davon?
Johnny Herbert: Normalerweise haben die Stewards nach so einem Vorfall immer alle Daten, Videoaufnahmen und Aussagen beider Fahrer zur Verfügung. Danach treffen sie eine Entscheidung. Aber in Kanada haben sie nie mit einem der Fahrer gesprochen. Das ist in meinen Augen absolut lächerlich.

Die Situation hätte gefährlich enden können, aber jemanden deswegen zu bestrafen, weil es ein schlimmerer Unfall hätte sein können, halte ich nicht für den richtigen Weg. Damit würde man die Fahrer davon abhalten, zu überholen und zu racen. Und genau das wollen wir doch sehen! Ich habe jedenfalls keine schmutzige Aktion gesehen.

Hier in Spielberg gibt es einen anderen Aufreger in Kurve acht...
Johnny Herbert: Das gefällt mir nicht. Ich finde es ist falsch, dort keine Strafen mehr auszusprechen, wenn Fahrer zu weit rausfahren. Das akzeptiere ich nicht. Es gibt ein Limit und wenn man darüber hinausgeht, erhält man einen Vorteil. Was auch immer die Fahrer sagen, sie werden nie zugeben, dass sie einen Vorteil daraus ziehen. Sie geben aber nur dann über die Grenze, wenn sie sich davon einen Vorteil versprechen - sonst würden sie es nicht machen.

Liegt es an den Kerbs?
Johnny Herbert: Es ist egal, ob es an den Kerbs, einer Bodenwelle oder dem Speed in der Kurve liegt. Das Limit ist das Limit - wenn das bedeutet, dass man weniger über den Kerb fahren muss, dann ist dem eben so. Nur weil das Auto wegen dem Kerb etwas ausbricht, kann man nicht einfach sagen: Jetzt fahre ich immer 1,5 Meter drüber und habe damit eine breitere Strecke. Dann muss man eben etwas langsamer oder mit einem anderen Stil durch diese Kurve fahren. Aus meiner Erfahrung sind 1,5 Meter mehr ein Vorteil von rund vier km/h bis zum Scheitelpunkt von Kurve acht.