Kennt ihr die größte Herausforderung eines Live-Tickers? Die Kunst besteht darin, Menschen kontinuierlich zu informieren, obwohl häufig kaum bis wenig passiert. Genauso ist es auch im Fall Michael Schumachers, der seit einer Woche auf der Intensivstation eines Krankenhauses in Grenoble liegt und nach einem tragischen Ski-Unfall um sein Leben kämpft. Bislang gab es zwei Pressekonferenzen mit behandelnden Ärzten sowie wenige Statements von Schumachers Managerin, Sabine Kehm. Trotzdem sind die weltweiten Live-Ticker zum Thema Schumacher bis zum Bersten mit News und Infos gefüllt.

Nun wäre es aber schwierig, einen solchen Ticker über eine Woche lang lediglich mit den wenigen offiziellen Aussagen zu füllen. Also gehen Journalisten den nächsten Schritt. 'Wie drehen wir den Schumacher-Unfall heute weiter?', heißt es täglich aufs Neue in den Redaktionen dieser Welt. Helm-Experten und frühere Opfer eines Schädel-Hirn-Traumas kommen dann genauso zu Wort wie ehemalige Rennfahrer-Kollegen Schumachers. Und natürlich außenstehende Ärzte und Medizinexperten. Warum machen wir das alles, wo es doch eigentlich seit einer Woche nur wenig Neues zu berichten gibt?

Tolle Fan-Aktion vor dem Krankenhaus, Foto: Ferrari
Tolle Fan-Aktion vor dem Krankenhaus, Foto: Ferrari

Die Antwort ist einfach: Wir sind Journalisten und haben den Auftrag, die Öffentlichkeit rundum zu informieren. Wir sind keine Mediziner - also müssen wir mit welchen sprechen, um zu verstehen, was genau die Ärzte in Grenoble über Schumachers Kondition sagen. Wir sind auch keine Ski-Profis - also sprechen wir mit Experten, die uns die Materie genau erklären. Diese Informationen bereiten wir auf und geben sie an die Leser weiter. Das ist Journalismus in seiner natürlichsten Form.

Selten zuvor gab es einen solch großen medialen Aufwand um eine Person, die nach einem Unfall - Gott sei Dank - noch lebt. Gar nicht einmal unverständlich, schließlich ist Michael Schumacher eine Ikone des Rennsports und weltberühmt. Er und seine Erfolge haben einen großen Anteil daran, dass wir hier überhaupt in diesem Umfang über die Formel 1 berichten können, so viele Fans in Deutschland die Formel 1 verfolgen und so viele andere deutsche Rennfahrer den beschwerlichen Weg in die Formel 1 angetreten haben - allen voran ein gewisser Sebastian Vettel. Doch selten zuvor gab es so viel öffentliche Kritik an der allgemeinen Berichterstattung. 'Das ist doch alles nur Effekthascherei' und 'Lasst Schumacher endlich in Ruhe', hieß es oft.

Schumacher umringt von Medien, Foto: Mercedes-Benz
Schumacher umringt von Medien, Foto: Mercedes-Benz

Journalismus ist ein äußerst schnelllebiges Geschäft. Jeder möchte eine Geschichte zuerst und im besten Falle exklusiv haben. Auch daran gibt es im Kern nichts auszusetzen, das gehört eben zu den Anforderungen unseres Berufs. Wo aber großes Interesse und nur wenig Informationsgehalt besteht, werden die Grenzen des guten Geschmacks nicht selten übertreten. So auch bei Schumacher. Einem Familienvater, der um sein Leben ringt.

Da tauchen Meldungen über Aussagen von Unbeteiligten auf, die wenige Stunden später wieder zurückgenommen werden. Falsch zitiert, heißt es dann. Da gibt es Berichte über genau den einen Stein, auf den Schumacher geprallt sein soll. Herangezoomte Bilder des Unfallortes, auf denen sogar Blutspuren zu sehen sein sollen. Berichte noch am selben Tag des Unfalls, in denen der Autor zu wissen oder zu erahnen glaubt, wie alles passiert sei. Annahmen über den 'Speed-Junkie' Schumacher, den angeblich verantwortungslosen Raser, von Menschen, die nie ein Wort mit dem Rekordchampion selbst gewechselt haben.

Großer Medien-Rummel um Schumacher, Foto: Sutton
Großer Medien-Rummel um Schumacher, Foto: Sutton

Und genau hier ist die Grenze überschritten. Die Gier und heutige Sensationsgeilheit nach immer neuen Nachrichten (obwohl es keine gibt) führt dazu, schnell über die Stränge zu schlagen und dabei nicht selten ins Pietätlose abzudriften. Seien wir einmal ehrlich: Wer hat denn letztendlich etwas davon, Schumachers (vermeintliche) Blutspuren im Schnee zu sehen oder den einen Stein, auf dem er aufgeschlagen sein soll? Das bietet keinerlei Mehrwert, sondern stillt lediglich den Sensationshunger einiger Medienleute und einer gewissen Zielgruppe, die wenig mit dem Sport und dem Menschen Schumacher an sich zu tun hat.

Es ist nichts Verwerfliches daran, über das Thema Schumacher ausführlich und hintergründig zu berichten. An dieser Stelle nehmen wir uns bei Motorsport-Magazin.com nicht aus - natürlich berichten wir über Schumachers Unfall und seinen Gesundheitszustand. Das ist unser Job, das ist der Anspruch, den unsere Leserschaft in aller Welt, also ihr da draußen vor den Computer-, Handy- und Tablet-Bildschirmen, zurecht an uns stellt. Würden wir nicht darüber berichten, würden wir unseren Job nicht richtig erledigen.

Schneller Sport - schneller Journalismus, Foto: Sutton
Schneller Sport - schneller Journalismus, Foto: Sutton

Doch wir alle sollten uns in diesen Tagen bei jeder Geschichte die Frage stellen, ob wir die Leser damit sinnvoll informieren. Bei der schier unendlichen Schumacher-Nachrichtenflut passiert es leicht, mit der Zeit abzustumpfen. Doch das darf nicht sein. Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir über einen realen Menschen in Not berichten. Es ist in Ordnung, zu schreiben, dass Schumachers Familie bei ihm ist - aber muss man seiner gerade am Krankenhaus eingetroffenen Ehefrau Corinna deshalb die Kamera mitten ins Gesicht halten?

Im Großen und Ganzen ist die weltweite Berichterstattung über Schumacher absolut sauber und wird mit der angemessenen Sorgfalt und Sensibilität gehandhabt. Es sind die wenigen Spekulanten und Ausreißer - Stichwort: 'Journalist' im Priesterkostüm - die unsere Arbeit in Verruf bringen können. Und diesen schwarzen Schafen dürfen wir - trotz des Anspruchs, immer der Schnellste zu sein - keine Plattform bieten. Wir versuchen, uns bei jedem Thema, nicht nur Michael Schumachers Unfall, an diese Prinzipien zu halten. Ob uns dies gelingt, beurteilt ihr, unsere Leser, indem ihr uns eure Meinung in den Kommentaren gerne kritisch mitteilt. Am Ende des Tages entscheidet ihr, welche Artikel ihr auf welcher Webseite lest und welche nicht.