Im Moment größter Freude und Erleichterung, auf dem Siegerpodest in Indien, von den lokalen Fans gefeiert, für die Sebastian Vettel die Verkörperung schlechthin der Formel 1 ist, dachte der alte und neue Weltmeister auch an die für ihn wohl schwierigsten und bittersten Momente dieser Erfolgssaison. Im Siegerinterview sprach er sie selbst an, die Pfiffe und Buh-Rufe vor allem in Monza und Singapur. "Das war für mich schon sehr schwierig, ausgebuht zu werden, obwohl man doch alles richtig gemacht hatte... Das dann zu überwinden und auf der Strecke die richtige Antwort zu geben, um dann am Ende doch die Anerkennung zu bekommen, die jeder Rennfahrer sucht..."

Das zeigte, dass Vettel die öffentliche Meinung über ihn natürlich doch nicht so ganz egal ist, zumindest dann nicht, wenn er sich nun wirklich ungerecht behandelt fühlt. Andererseits will er das Thema nicht zu groß machen, wohl auch, um sich selbst vor etwas zu schützen, was er nur sehr schwer beeinflussen kann. So spielte er die Sache dann wieder ein bisschen herunter, als sich ein italienischer Journalist in der Pressekonferenz bei ihm für die Pfiffe der Ferraristi entschuldigte.

Er verstehe die Leute ja, meinte Vettel da, in unserer schnelllebigen Welt sei es nun mal so, "dass die Leute erst mal nicht genau zuhören, was ich sage, oder lange überlegen. In der Hitze des Gefechts fängt dann einer an zu pfeifen, anderen stimmen ein... Wenn man Fan eines bestimmten Teams oder Fahrers ist, gefällt einem halt erst mal nicht, wenn immer ein anderer gewinnt. Das hat gar nicht unbedingt direkt etwas mit mir zu tun. Ich denke, ich bin reif genug, das zu verstehen."

Dass Vettel weltweit vor allem beim breiten Publikum immer noch nicht die Anerkennung und den Stellenwert genießt wie früher ein Ayrton Senna oder Michael Schumacher, das hat verschiedene Gründe. Auch den, dass die Formel 1 heute insgesamt im Welt-Sportgeschehen nicht mehr ganz den Stellenwert hat wie noch vor einigen Jahren: In Zeiten von Finanzkrise, Rezession in vielen Ländern, aber auch von Nachhaltigkeit, Umweltschutz und "politischer Korrektheit", die sich oft sehr "grün" gibt, tut sie sich schwer, gerade in etwas gehobeneren, auch intellektuelleren Kreisen noch die entsprechende positive Resonanz zu finden. Gerade dieses Publikum wäre es aber andererseits, dass Sebastian Vettel mit seinem Background und seinen durchaus sehr weit über den Rennsport hinaus reichenden Interessen eigentlich ansprechen müsste.

In Indien ließ sich Vettel feiern, Foto: Sutton
In Indien ließ sich Vettel feiern, Foto: Sutton

Und gerade weil er seine Konkurrenz zeitweise schon fast deklassiert, geht fast unter, dass er ja trotzdem sehr, sehr starke Gegner hat, mehr und härtere vielleicht sogar als Michael Schumacher in seiner größten Zeit: Immerhin fährt er gegen vier ehemalige Weltmeister, Alonso, Hamilton, Räikkönen und Button. Tatsache ist: Eine ausgeprägte Dominanz über eine sehr lange Zeit führt nun einmal insgesamt zu geringerem Interesse, zu einer gewissen "Selbstverständlichkeit" und zu gefühlt deutlich weniger Spannung und Emotionen - im Fahrerlager genauso wie draußen.

In Indien hatte das ganze Wochenende für die meisten sehr wenig von der Faszination anderer WM-Entscheidungsrennen. Das war 2002 und 2004 bei den vorzeitigen WM-Siegen von Michael Schumacher freilich nicht wesentlich anders. Aber man kann ja Vettel und Red Bull nun wirklich keinen Vorwurf dafür machen, dass sie besser arbeiten als alle anderen...

Für Abhilfe soll nun nächstes Jahr das neue Reglement sorgen: Fans und auch viele Experten hoffen darauf und rechnen auch ein bisschen damit, dass es dann doch endlich wieder zu einer Veränderung der Machtverhältnisse und damit zu mehr Spannung kommen soll. Vor allem auf die neuen Turbomotoren richtet sich der Blick, auf die immer wieder kursierenden Gerüchte, dass da das neue Mercedes-Triebwerk denen der Konkurrenz von Renault und Ferrari überlegen sein soll.

Und das, zusammen mit dem Faktor, dass die Aerodynamik ab 2014 durch neue Bestimmungen im Auspuff-Bereich eine etwas geringere Rolle spielen soll, schürt bei einigen die Hoffnung, dass dann dem Vettel-Newey-Red Bull-Triumvirat vielleicht doch einmal zumindest deutlich auf die Pelle zu rücken wäre. "Wir arbeiten sehr hart daran und sind da auch sehr optimistisch, dass wir das schaffen", sagt etwa Mercedes-Pilot Nico Rosberg. Wenn man allerdings weiß, dass eine der besonderen Stärke von Vettel ist, seinen eigenen Fahrstil besonders gut neuen Gegebenheiten anpassen zu können, und dass Andrian Newey immer besonders gut und schnell auf neue Herausforderungen reagiert, bleiben auch da Zweifel...