Ob man ihn mag oder nicht: Kimi Räikkönen ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten im Formel-1-Zirkus. Seine Fahrzeugbeherrschung lässt die Fans jubeln, seine egozentrische Art die Journalisten, Sponsoren und Teamchefs verzweifeln. Auf die Aussage von Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali, er lebe auf einem eigenen Planeten, konterte Räikkönen einst auf seine gewohnt Art: "Ich lebe sehr gut auf meinem Planeten. Es ist schön hier." Die Meinung anderer prallt am Finnen eiskalt ab, weshalb ihm sein damaliger McLaren-Teamchef Ron Dennis den Spitznamen "Iceman" verpasste. Auf und abseits der Strecke gibt Räikkönen Vollgas - an die Konsequenzen denkt er nicht. Eine Woche nach der Vertragsunterzeichnung bei seinem bald Ex-Team Lotus trat er bei einem Schneemobilrennen in Österreich an.
Andere Piloten hätten es langsam angehen lassen, um kein Risiko einzugehen - aber Räikkönen ist nicht irgendein Rennfahrer. Er gab Gas, verlor dabei die Kontrolle über seinen Schlitten und krachte in eine Schneewand. Die Folge war eine Verletzung an seiner Hand und negative Schlagzeilen. Doch damit kennt sich der Finne aus, der gern mal betrunken von einer Yacht fällt oder als James Hunt in einem Gorilla-Kostüm auftritt. Einer, der weiß wie es hinter der Fassade des Iceman aussieht, ist sein alter Wegbegleiter aus Sauber-Zeiten Jo Leberer. Motorsport-Magazin.com verriet Leberer, wer Kimi Räikkönen wirklich ist und welche Momente ihm unvergesslich bleiben.
...das Comeback von Räikkönen:
"Ich war eigentlich nicht überrascht, dass Kimis Comeback so gut gelungen ist. Wenn er sich entscheidet, zu fahren, dann ist für mich klar, dass er sich das genau überlegt hat. Es hat viele Meinungen von so genannten Experten zu Kimi gegeben. Als er sich zu seinem Comeback entschlossen hat, habe ich sehr viele Anfragen bekommen, aber ich überließ es lieber den anderen, ihre Meinung zu äußern. Klar habe ich meine Meinung gehabt und habe mich über die Expertenmeinungen gewundert. Ich kenne Kimi von früher. Er ist so motiviert, so willensstark und dass er fahren kann, wissen alle. Also warum sollte er dann nicht wieder vorne mitfahren? Ich hatte da keinerlei Angst, denn er hat nichts verlernt. Lotus brauchte jemanden, der schnell ist und das ist Kimi."
...Motivationsprobleme bei Räikkönen:
"Motivationsprobleme gibt es bei Kimi nicht. Dass er sein Leben lebt, wie er es für richtig hält, das weiß jeder. Bei ihm weiß man, woran man ist. Gott sei Dank haben wir gerade solche Typen in der Formel 1, wir wollen ja keine Retortenfahrer haben. Dass nicht alle Fahrer gleich sind, gleich funktionieren, das macht es gerade so interessant. Seinen Kritikern kann ich nur sagen, dass er menschlich ein toller Kerl ist."
...die Anfänge bei Sauber:
"Als er bei Sauber anfing, hat keiner Kimi gekannt. Wir haben dann eine Weile zusammen in Filzmoos trainiert, dort habe ich ihn wirklich gut kennengelernt. Ich kann nur von meinen eigenen Parametern ausgehen. Aber seine Einstellung, seine Körperbeherrschung, seine Ausdauer, seine Helligkeit, wenn es ums Rennen geht, seine Aufmerksamkeit, seine Willenskraft, seine Disziplin und seine Willensstärke, in dem Sinne, dass er nicht alles akzeptieren muss, haben damals schon gestimmt. Ich wusste, wenn er im Auto auch noch schnell ist, dann wird er ein ganz Großer. Das hat sich bestätigt. Kurz darauf wechselte er zu McLaren - das ist ein Schritt, den man normalerweise nicht macht. Aber Kimi hat es geschafft."
...Räikkönens Talent:
"Wir haben, als er zu uns stieß, eine Prioritätenliste angefertigt. Er war damals nur eine Saison Single-Seater gefahren, 23 Rennen, dann ist er in die Formel 1 gekommen. Das war ein riesen Sprung, da kann man nicht das normale Vorbereitungsprogramm abspulen. Bei Sauber hat er diese Möglichkeit gehabt. Im Dezember hat er die Lizenz bekommen, im Januar/Februar hat er getestet. Gleichzeitig haben wir ihn körperlich sukzessiv auf die kommenden Belastungen vorbereitet. Wir haben uns nach vorne getastet, was Nacken etc. anging. Ein Fahrer kann nur fahrerisch und technisch vorne mithalten, wenn er auch körperlich topfit ist. Im März war das erste Rennen und Kimi holte als Sechster gleich seinen ersten WM-Punkt. Das muss man sich mal vorstellen."
...Räikkönens Coolness:
"Unglaublich wie sich Kimi zu Beginn schon präsentiert hat. Wie kühl trotz des Drucks. Ich dachte, dass irgendwann die Nervosität kommen müsste. Das war ja auch bei den anderen Piloten, selbst bei den Spitzenfahrern der Fall. Sie ist aber nie gekommen. Vor seinem ersten F1-Rennen habe ich ihn kurz vorher noch einmal massiert und er ist dabei eingeschlafen. Eine halbe Stunde vor dem Start habe ich ihn praktisch wecken müssen und er meinte nur: 'Jo, lass mich noch ein bisschen schlafen. Gib mir noch fünf Minuten.' Das muss man sich vorstellen, das war vor seinem ersten Rennen! Ich finde das einfach genial. Diese Coolness muss einem angeboren sein. Es war eine Freude, mit ihm zusammenzuarbeiten."
...Räikkönens WM-Titel:
"Das war unglaublich, denn er lag in der WM weit zurück. Das ganze Sauber-Team hat sich natürlich über seinen Titel gefreut. Am Montag nach seinem Titelgewinn sind wir beide mit der Swiss nach Zürich zurückgeflogen und er meinte zu mir: 'Hey Jo, morgen treffen wir uns in Zürich und feiern - nur enge Freunde, meine Frau und ich möchten, dass du dabei bist.' Und das nach vielen, vielen Jahren - das hat mich sehr gefreut. Der Weltmeister lädt mich persönlich ein, diese Einladung konnte ich nicht ablehnen. Wir sehen uns nicht oft, aber es ist eine Bindung da. Wenn man ihn einmal als Freund hat, dann hat man ihn immer. Obwohl er das Team gewechselt hat und damit eigentlich ein Gegner war, ist die Beziehung aufrecht geblieben. Das ist schön, das spricht für seinen Charakter."
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