Im ersten Teil unseres Motorsport-Magazin.com Senna-Specials sprachen wir mit Ayrton Sennas Neffe Bruno über seine persönlichen Erinnerungen an seinen weltberühmten Onkel. Mit seiner positiven Einschätzung steht der 29-Jährige jedoch bei weitem nicht alleine da, auch andere Wegbegleiter oder ganz einfach Menschen, die Sennas Leben nur kurz streiften, haben versucht, sich trotz des traumatischen Endes von Imola bis heute das Gute zu bewahren. "Er war ein ganz einfacher und ruhiger Mann. Er mag auch ein begnadeter Pilot gewesen sein, aber noch viel besser war er als Mensch", erinnert sich Anna Luisa Tosoni, Besitzerin des Hotels Castello in Castel San Pietro Terme.

Der letzte Start: Ayrton Senna am 1. Mai 1994 im Grid von Imola, Foto: Sutton
Der letzte Start: Ayrton Senna am 1. Mai 1994 im Grid von Imola, Foto: Sutton

Es ist jenes Hotel, in dem Ayrton Senna zwischen 1989 und 1994 immer abstieg, wenn er zum Grand Prix in Imola weilte. Nur zehn Kilometer entfernt vom Autodromo, lockte der moderne Hubschrauberlandeplatz des Anwesens seinerzeit die F1-Teams an. Senna war erst mit McLaren, später mit Williams Gast und verbrachte hier, in Zimmer 200, seine letzte Nacht... eine mehr als traurige, war in der Qualifikation zum Rennen am Samstag doch Roland Ratzenberger in der Villeneuve-Kurve tödlich verunglückt. Der schockierte Senna war auf Grund der dramatischen Umstände und des großen Presseandrangs an jenem 30. April am Abend erst später als geplant ins Hotel zurückgekehrt - in der Lobby traf der Brasilianer dabei auf das frisch getraute Brautpaar Tinarelli, das ausgelassen feierte und von der Tragödie auf der Rennpiste noch gar nichts mitbekommen hatte.

Die letzten Stunden einer Legende

Die Startphase - Sekunden bis zur Katastrophe..., Foto: Sutton
Die Startphase - Sekunden bis zur Katastrophe..., Foto: Sutton

Trotz seiner Trauer und Bestürzung ließ es sich der Williams-Pilot nicht nehmen, den Eheleuten zu gratulieren und kurz für ein gemeinsames Erinnerungsfoto zu posieren, ehe er auf seiner Suite verschwand, um noch lange mit seiner damaligen Freundin Adriane Galisteu in Portugal zu telefonieren. Heute erinnert nur noch ein Karton voller unzähliger Zeitungsausschnitte, Erinnerungen und Fotos an den Besuch des Weltstars. McLaren-Teamkoordinator Jo Ramirez hatte dem Hoteliers-Ehepaar Tosoni damals sogar eigens ein riesiges Modell eines McLaren MP4/4 geschenkt - die Italienerin hat es bis heute aufbewahrt.

Zwischen Senna und ihrem Mann Valentino, der bereits vor über zehn Jahren verstarb, hatte sich mit der Zeit eine Freundschaft entwickelt, da der Hotelier fließend Portugiesisch sprach, was beim Brasilianer Senna natürlich vermisste Heimatgefühle weckte. "Er war eine ganz liebenswürdige und auch großzügige Person. Wann immer er gekommen ist, hat er uns Karten für das Fahrerlager mitgebracht, obwohl ihn nie darum gebeten haben", denkt Tosoni an den charmanten Rennfahrer zurück. "Selbst als ich wegen der Geburt meines ersten Kindes im Krankenhaus lag, hat er trotz seines vollen Terminkalenders am Rennwochenende noch daran gedacht, mir einen großen Blumenstrauß zu schicken."

Hotelbesitzerin Anna Luisa Tosoni erinnert sich noch gut an Senna, den Weltstar zum Anfassen, Foto: Frederik Hackbarth
Hotelbesitzerin Anna Luisa Tosoni erinnert sich noch gut an Senna, den Weltstar zum Anfassen, Foto: Frederik Hackbarth

Da die Faszination für ihren prominenten Gast auch fast 19 Jahre nach seinem Tod nicht abgenommen hat und immer noch viele Senna-Fans zum Hotel pilgern, will sie nun eine Gedenkstelle für den dreifachen Weltmeister einrichten, ihre Erinnerungsstücke ausstellen und auch die Suite des Brasilianers nach ihm benennen. Der daraus entstehende Erlös soll letztendlich der Senna-Foundation zu Gute kommen, die sich in Brasilien um benachteiligte Kinder sorgt. Die Verbundenheit mit der Region bleibt der Familie Senna also auf viele Arten erhalten. Auch dass die Anhänger seines Onkels immer noch täglich frische Blumen und Transparente zur Unfallstelle und dem Senna-Denkmal an der Strecke in Imola tragen, berührte Bruno Senna bei seinem Gespräch mit uns sehr.

Die Geschichte in positivem Sinne fortführen

Von der nach wie vor zur Schau gestellten Anteilnahme war der 29-Jährige überwältigt - dass es sich um einen ganz speziellen Ort handelt, dessen war er sich gleichsam bewusst. "Ich denke, Imola ist eine dieser Strecken, die auf viele Arten sehr besonders ist. Auch ist es eine der Strecken, die ich gerne selbst einmal in einem Rennauto fahren würde, denn sie zählt zu den wenigen, die nicht dauerhaft durch anhaltende Modifikationen am Layout auseinandergepflückt wurden."

Noch heute legen die Fans täglich frische Blumen am Senna-Denkmal nieder, Foto: Frederik Hackbarth
Noch heute legen die Fans täglich frische Blumen am Senna-Denkmal nieder, Foto: Frederik Hackbarth

Für ihn sei es demnach eine intensive Erfahrung gewesen, wieder einmal vor Ort zu sein, war er zum 10. Todestag seines Onkels 2004 doch zuvor erst ein einziges Mal in Imola. Selbst im Auto saß er damals aber nicht - diesen Job übernahm der langjährige Teamkollege und Freund Ayrtons, Gerhard Berger, der einige Ehrenrunden drehte. "Und mit der GP2 war es dann ein paar Jahre später leider schon zu spät", ärgert sich Senna. Der Große Preis von San Marino wurde nur bis einschließlich 2006 ausgetragen. Was jedoch geblieben ist, ist der Ruf der Historie. Dass er mit seinem Namen im Motorsport, ganz gleich ob letztes Jahr in der Königsklasse oder nun in der WEC über die Maßen im Fokus der Öffentlichkeit steht, stellte für Senna eher eine Motivation als eine Abschreckung dar.

Die Geschichte seiner Familie will er ganz einfach in positivem Sinne fortführen. "Natürlich sorgt mein Name schon seit jeher für sehr großen Druck, denn die Leute erwarten von mir sehr viel." Daraus könne er jedoch auch eine ganz besondere Motivation und Kraft ziehen. "Den größten Druck mache ich mir dementsprechend selbst, durch meine Suche nach Performance und dem Limit", äußerte er sich typisch für einen Rennfahrer. "Ich bin zu mir selbst nicht weich, sondern immer sehr hart", versicherte Senna und gab an, über die Jahre gelernt zu haben, auch als Person mit seiner exponierten Stellung umzugehen.

"Ich hatte Druck von der Sekunde an, in der ich erstmals in einem Auto saß - als Neffe des dreimaligen Weltmeisters Ayrton Senna ist das natürlich ganz klar." Trotzdem sei es wichtig, zu betonen: "Dieser Familienname ist immer ein großer Anlass zu Stolz. Ayrton war nicht nur für mich, sondern für so viele Leute auf der Welt ein Vorbild und eine Inspiration." Für Senna stand ganz klar fest: "Es ist ein Privileg meine Referenz und mein größtes Idol in der eigenen Familie zu haben und diesen Namen zu tragen, ist Grund genug, immer auch ein dickes Lächeln zu tragen."

Lesen Sie im dritten Teil unseres exklusiven Senna-Specials über ein neues Filmprojekt über Ayrton Senna, das sich derzeit in der Planung befindet und anders als die gefeierte Dokumentation über den Brasilianer aus dem Jahr 2010 mit Schauspielern gedreht werden soll.

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