Bernie Ecclestone ist diesmal nicht in Melbourne. Die mehr als 20-stündige Flugreise ans andere Ende der Welt wollte sich der 82-Jährige nicht zumuten. Dass es einen großen Unterschied machen würde, ob er da ist oder nicht, das bezweifeln inzwischen viele im Fahrerlager. Vor allem die, die sich über die Zukunft der Formel 1 kritischere Gedanken machen als die Teamchefs der Top-Teams, die am Freitag schon wieder einmal mehr oder weniger einhellig verkündeten, die Situation der Serie sei doch insgesamt gut.

Denn von den zwei großen Problemen der Formel 1, die in Melbourne an vielen Stellen diskutiert werden - erstaunlich häufig für den Saisonauftakt, bei dem in früheren Jahren doch meist erst einmal der Sport im Vordergrund stand - würde Ecclestone wohl sowieso wieder nichts hören wollen. In einer Blase zu leben, die von der Realität ziemlich weit entfernt ist, diesen Eindruck erweckte der Brite zuletzt des öfteren. Auch bevor man wusste, dass er in seinem Büro mit entschärften Handgranaten spielt oder falsche Pralinen aus Plastik auf dem Schreibtisch hat, neben zwei Computern, die mehr Dekoration als Arbeitsgerät sind - weil der Chef sie nicht bedienen kann.

Katastrophale finanzielle Lage

Gar nicht lange her, da verkündete er, die ganzen Klagen der Teams über die zu teure Formel 1 seien doch Unsinn, die hätten in Wahrheit Geld wie Heu - und verhandelte dann ausgerechnet mit den tatsächlich reichsten von allen über zusätzliche Einnahmen. Dabei ist das das erste ganz große Thema: die katastrophale finanzielle Lage vieler Teams. Fünf geben hinter vorgehaltener Hand zu, dass man sich noch nicht sicher ist, wie man die Saison 2013 überhaupt durchstehen wird.

Das zweite Problem hat mit dem ersten zumindest indirekt zu tun: Es ist die zurückgehende Popularität der Formel 1 in weiten Kreisen der Öffentlichkeit. Die natürlich auch bewirkt, dass es immer schwieriger wird, Sponsorgelder aufzutreiben. Gerade erst hat der Weltkonzern Vodafone, Hauptsponsor von McLaren, seinen Ausstieg zum Saisonende 2013 angekündigt - negative Signalwirkung inbegriffen: Die Formel 1 - nicht mehr attraktiv als Werbeplattform?

Vodafone steigt zu Saisonende aus, Foto: Sutton
Vodafone steigt zu Saisonende aus, Foto: Sutton

Die Ursachen für die Problematik sind vielschichtig. Gegen manche davon, grundsätzlich gesellschaftlich bedingt, kann die Formel 1 nicht allzu viel tun. Zum Beispiel dagegen, dass gerade in der jüngeren Generation das Interesse am Auto als Ausdruck der Affinität zu High-Tech und Fortschritt immer mehr an Bedeutung verliert - und damit auch der Motorsport. Der Führerschein mit 18, das ist für viele nicht mehr das allergrößte Ziel - das neueste iPad oder iPhone sind da attraktiver.

Und in einer Welt, die allmählich begreift, dass Begriffe wie Nachhaltigkeit an Bedeutung gewinnen müssen, ist eine Formel 1, die in einem 300 Kilometer langen Rennen pro Auto bis zu 150 Liter Sprit verbrennt, eben für viele ein untragbarer Anachronismus. Sicher, das soll ab 2014 anders werden, mit dem neuen Reglement, den neuen "Powereinheiten" aus V6-Turbomotoren und KER-Systemen, die dann mehr Effizienz und 30 Prozent weniger Spritverbrauch versprechen.

Gegen all das anzukommen, ist schwer. Daran, dass sie aber allein kommunikationstechnisch immer mehr den Zugang zu nachwachsenden Fan-Generationen verliert, ist die Formel 1 sehr wohl selbst schuld. Sie hat den Trend zu Internet und Social Media über Jahre komplett verschlafen und erschwert. Vor allem auch deshalb, weil eben Ecclestone mit dieser Welt nie etwas zu tun haben wollte. "Ecclestone versteht das Internet nicht - und was er nicht versteht, das existiert für ihn einfach nicht", lästern englische Kollegen. Im Auftrag von Ecclestone durchforsten "Jäger" ständig Internet-Plattformen wie You Tube, um jeden Formel-1-TV-Schnipsel mit dem Verweis auf die Rechtesituation sofort wieder zu entfernen.

Günstige und gute Apps zum Thema haben Seltenheitswert - auch das eine Frage der Kosten für die Rechte. Genauso wie gut gemachte Formel-1-Rennspiele - vieles, was da auf dem Markt ist, schreckt begeisterte Spieler eher ab, zu simpel und primitiv. Und auch wenn zumindest die Teams und die meisten Fahrer sich inzwischen sehr engagiert vor allem auf Twitter bewegen: Jeder Sponsor, der etwa auf seinen Facebook-Seiten mal einen Videoclip oder einen Originalton aus dem Fahrerlager verbreiten möchte, bewegt sich ständig mit mehr als einem Fuß in der Illegalität.

Fehlende rechte Hand

Aber auch wenn Ecclestone einmal seine Macht abgeben müsste, sei es doch aus Alters- und Gesundheitsgründen oder durch eine Verurteilung in der Münchner Gribkowski-Landesbank-Affäre, dann würde auf der einen Seite manches vielleicht einfacher. Andererseits sind dann neue Probleme bereits absehbar. Denn eine Nachfolgeregelung gibt es nicht, eine "rechte Hand", die übernehmen könnte, hat sich Ecclestone nie aufgebaut. Und daran, dass Rechtebesitzer CVC dann etwas weiter denkt als daran, kurzfristig noch so viel wie möglich Gewinn aus der Formel 1 herauszupressen, glauben auch nur die größten Optimisten.