Am dritten Tag der Jerez-Wintertests kam auch endlich Mercedes so richtig in Fahrt. Doch nicht nur, dass der F1 W04 erstmals mehr als 15 Runden zurücklegen konnte - Nico Rosberg absolvierte sogar mehr als zwei volle Renndistanzen - dürfte die Mercedes-Fans positiv stimmen. Auch der am Donnerstag erstmals zum Einsatz gekommene Frontflügel gibt den Anhängern von Nico Rosberg und Lewis Hamilton Hoffnung. Schon bei der Präsentation am Montag hatte Mercedes angekündigt, mit einem neuen, aus fünf Hauptelementen bestehenden, Flügel zu fahren.

Nach den beiden durchwachsenen Testtagen am Dienstag und Mittwoch, an denen die Mannschaft von Teamchef Ross Brawn nach technischen Defekten nur zu Kurzeinsätzen kam, konnten am Donnerstag endlich neue Teile ausprobiert werden. Im Fokus: der neue Frontflügel. Die Mercedes-Ingenieure gingen beim Design besonders aggressiv zu Werke. Die fünf Elemente verlaufen durchgehend von den Endplatten bis zur 'neutralen Zone' - ein von der FIA vorgeschriebenes Design in der Mitte des Flügels.

Das ist ungewöhnlich, nutzt die Konkurrenz nur einen kleinen Bereich für mehrere Elemente und führt dann den Flügel auf der Innenseite meist mit drei Elementen weiter. Hintergrund ist, dass der Bereich des Flügels in unmittelbarer Nähe der Vorderreifen äußerst kompliziert ist. Weil sich beim Einlenken die Reifen in Relation zum Flügel anders stellen und somit der Luftfluss an dieser Stelle gänzlich anders ist, generiert das Fahrzeug im eingelenkten Zustand deutlich weniger Downforce auf der Vorderachse.

Aus der Vergangenheit gelernt?

In der Vergangenheit hatten die Mercedes-Piloten sehr stark mit Untersteuern zu kämpfen. Vor allem in mittelschnellen und schnellen Kurven machte sich das 'Einlenk-Fronflügel-Problem' bemerkbar, weil dort die Wirkung der Aerodynamik am deutlichsten wird. Die meisten Teams setzen deshalb auf viele Flügelelemente unmittelbar vor den Reifen - also auf der Außenseite des Autos - und tendieren zu weniger Elementen auf der Fahrzeuginnenseite. Die Stuttgarter sind im Bezug auf Untersteuern und Reifenverschleiß ein gebranntes Kind und versuchen womöglich mit einer radikaleren Lösung diesen Problemen entgegenzuwirken.

Natürlich ist es wie immer, kein Vorteil ohne Nachteil: Die erhöhte Stabilität der Aerodynamik muss sich Mercedes mit einem generell niedrigeren Abtriebsniveau erkaufen. Lewis Hamilton merkte nach seinem ersten - zugegeben recht kurzen Testtag - bereits an, dass er bei McLaren deutlich mehr Abtrieb hatte als im Mercedes. Wenn Mercedes durch den neuen Flügel noch einmal Anpressdruck verliert, könnten sich die Vorteile im Bezug auf Verschleiß und Stabilität teuer bezahlt machen.