Die Erwartungen waren nach zwei aufeinanderfolgenden Titeln in der Fahrer- und Konstrukteursweltmeisterschaft vor der Saison 2012 natürlich riesengroß: Letzten Endes konnte Red Bull sie mit Bravour erfüllen und machte aus den zwei Doppelchampionaten drei. Der Weg bis zu diesem Erfolg war jedoch steinig und lang - und ob der Konkurrenzdichte auch nicht mehr wirklich mit dem der Vorjahre zu vergleichen. Besonders in der ersten Saisonhälfte tat sich die britisch-österreichische Truppe sichtlich schwer - im zweiten Teil des Jahres wurden dann Erinnerungen an 2010 wach: Man hatte zumeist klar das schnellste Auto, um die Zuverlässigkeit auf der technischen Seite war es manchmal jedoch nicht so gut bestellt.

Beim Saisonstart in Melbourne war das Team noch nicht da wo es sein wollte, Foto: Red Bull
Beim Saisonstart in Melbourne war das Team noch nicht da wo es sein wollte, Foto: Red Bull

Trotzdem gelang es allein schon auf Grund des puren Speeds, die bereits verloren geglaubte Vormachtstellung in der Königsklasse eindrucksvoll zurückzugewinnen. Der Schlüssel zum Triumph war dabei einmal mehr die Weiterentwicklung des Boliden, die dessen Schöpfer Adrian Newey gerne auch unter dem Gesichtspunkt der Evolutionstheorie betrachtet. Stillstand gibt es beim Briten, dem Vater des Erfolgs, nicht - ganz im Gegenteil ist er der Konkurrenz auf der technischen Seite immer schon einen Schritt voraus. Eben dieser Vorsprung wird auf der Strecke dann von beiden Fahrern in zählbare Ergebnisse umgesetzt und sowohl Vettel als auch Webber machten dabei 2012 einen guten Job.

Das Team: Festzuhalten bleibt: Eine starke Kombination der richtigen Leute, die in den richtigen Positionen, die richtigen Entscheidungen mit den nötigen Fähigkeiten vereinen, war Red Bull auch schon in der Vergangenheit. Mittlerweile ist man jedoch noch eingespielter und ob der Erfolge auch selbstbewusster geworden: Gepaart mit der täglich wachsenden Routine machen einen diese zusätzlichen Faktoren beinahe schon unschlagbar, denn Red Bull liefert auf lange Sicht mit einer Beständigkeit die geforderte Konstanz ab wie kein anderes Team in der F1. Gründe, warum sich das ändern sollte, gibt es zumindest bis zum technischen Umbruch 2014 keine - das hat man heuer bewiesen.

Wo Erfolg ist, gibt es Neid - diese Weisheit ist nicht neu. Haltlos oder gar aus der Luft gegriffen waren die Anschuldigungen der Kritiker jedoch auch nicht, denn das Weltmeisterteam bewegte sich einmal mehr am absoluten Limit des Reglements, manchmal sogar darüber. Nun fallen beim Ausloten jeglicher Grauzonen zweierlei Dinge auf. Zum einen, dass die FIA, bohrte sie einmal nach, tatsächlich auch oft fündig wurde. Zum anderen, dass man sich selbst damit nicht immer einen Gefallen tat, wie beispielsweise die Benzin-Panne von Abu Dhabi beweist. Schon nach dem Großen Preis von Monaco geriet man so ins Visier der Regelhüter, musste anschließend seine Löcher im Unterboden stopfen. In Deutschland rückte dann das mehr als grenzwertige Motoren-Mapping in den Fokus, kurzzeitig drohte sogar ein Ausschluss.

Schlussendlich kam man straffrei davon, die Regeln wurden jedoch erneut angepasst und für Ungarn musste das Team umrüsten. Auch von der Legalität der Dämpfereinstellungen am Fahrwerk war der Dachverband nicht überzeugt, getreu dem Motto: Die Flügel, die Newey Red Bull verleiht, werden von der FIA nur zu gerne gestutzt. "Es macht mich krank, immer wieder attackiert zu werden. Die Realität ist, dass die FIA und die anderen Teams immer ein Auge auf uns haben", fühlte sich der Technik-Guru regelrecht verfolgt. Mit diesem Druck muss man als Klassenprimus jedoch leben - und das kann Newey sicherlich auch ganz gut, betrachtet er einmal die ganzen Pokale in seinem Trophäenschrank...

Allmächtiger Newey: Vettel wusste bei wem er sich zu bedanken hatte, Foto: Sutton
Allmächtiger Newey: Vettel wusste bei wem er sich zu bedanken hatte, Foto: Sutton

Das Auto: Auch beim RB8 machten sich die äußeren Nöte durch die Reglementsverschärfungen massiv bemerkbar. So schien es, als brauchte die Truppe aus Milton Keynes nach der Wegnahme des angeblasenen Diffusors und den strengeren Belastungstests für den Frontflügel ein gutes halbes Jahr, um wieder in Schwung zu kommen - das dann aber richtig. Geplagt war man zunächst von der diffizilen Hinterachse und Luftverwirbelungen im Bereich der Seitenkästen - parallel sorgten inkonstante Auspuffgase für Balance-Probleme. Das Abstimmungsfenster des RB8 war dementsprechend zunächst sehr klein, weswegen man oft Kompromisse eingehen musste, anstatt aufs Ganze gehen zu können, wie man es aus den dominanten Vorjahren gewohnt war. Haperte es in der ersten Saisonhälfte oftmals noch am exakten Verständnis für das komplizierte Auto, so gelang es einem ab Jahresmitte wieder Herr der Lage zu werden.

In Valencia schlug das erste größere Updatepaket am Unterboden und den Seitenkästen voll ein - zeitenmäßig war man auf einmal in der Lage, der Konkurrenz regelrecht auf und davon zu fahren. Diese rüstete dann jedoch schnell nach, womit sie sich unterm Strich jedoch keinen Gefallen tat, denn irgendwie, so hatte es den Anschein, hatte man den schlafenden Riesen nun endgültig aufgeweckt. Das zweite Paket an Neuerungen, mit dem Red Bull zur Asien-Tournee der Formel 1 aufwartete, hatte es in sich und war letztendlich ganz deutlich der entscheidende Faktor, der einem zum Titelgewinn verhalf.

Nur durch die teilweise schon erdrückende Dominanz in den Trainings, Qualifyings und Rennen am Jahresende, konnte man jedoch die große Schwachstelle ausgleichen, die sich zum Leidwesen der Mannen von Christian Horner 2012 des Öfteren und zumeist zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt bemerkbar machte: Die Lichtmaschine. Bereits in Valencia kostete sie Vettel den Sieg, der Deutsche fiel in Führung liegend aus - auch in Monza streikte das Teil, bei Webber dann in Texas. Die Kritik am Renault-Zulieferer Magneti Marelli wurde immer lauter, die Performance der Komponente trotz Wechseln zwischen neuen und alten Versionen nicht wirklich besser. Gänzlich frei von Technikpannen war der RB8 also nicht - zudem unerklärlich bleiben die KERS-Probleme, die seit nunmehr zwei Jahren fast ausnahmslos bei Webber auftreten. Für Newey heißt das: Die Evolution ist noch lange nicht am Ende.

Die Fahrer: Den besseren Saisonstart erwischte heuer Mark Webber: Zu Beginn dominierte er Vettel im Zeittraining, mit seinem Sieg in den Häuserschluchten von Monte Carlo und seinem bärenstarken Silverstone-Triumph setzte er früh Highlights. Alles in allem präsentierte sich der Australier nach seinem Seuchenjahr 2011 diese Saison runderneuert. Kaum war sein Verbleib im Team für 2013 gesichert, fiel jedoch auch seine Formkurve wieder ab. Der 36-Jährige erklärte dieses Phänomen wie folgt: "Ich habe irgendwann versucht, die Dinge zu erzwingen. Ich war nicht bereit, mich mit Platz fünf oder sechs zufrieden zu geben. In dieser Saison wäre aber genau das nötig gewesen." In der Tat hätte Webber besser daran getan, wie in der ersten Saisonhälfte, als er beispielsweise in den ersten vier Saisonrennen viermal auf Platz vier fuhr, auf Konstanz zu setzen.

Gegen Jahresende wollte er dann oftmals zu viel, wurde dadurch in unnötige Scharmützel und Kollisionen verwickelt wie etwa auf Yas Island. Trotzdem: Dass Webber heuer deutlich näher an Vettel dran war, zeigt auch der Stand im Qualifying-Duell, in dem er dem Deutschen ausgerechnet in dessen Paradedisziplin mit 9:11 nur denkbar knapp unterlag. Die Saison des amtierenden Champions muss hingegen ebenso in zwei Hälften unterteilt werden, denn ohne Eskapaden kam Vettel 2012 nicht aus: In Kuala Lumpur und Austin beschimpfte er Narain Karthikeyan, in Hockenheim geriet er mit Jenson Button aneinander, den er neben der Strecke überholte, wofür es eine Zeitstrafe setzte - anschließend beschwerte er sich über dessen Teamkollegen Lewis Hamilton. In Monza kam es dann zur Neuauflage des Duells mit Fernando Alonso - Strafe für den Deutschen inklusive.

Trotz widriger Umstände und diverser Steine im Weg: Vettel ließ nichts mehr anbrennen, Foto: Sutton
Trotz widriger Umstände und diverser Steine im Weg: Vettel ließ nichts mehr anbrennen, Foto: Sutton

Auf der anderen Seite stand jedoch neben dem Sieg in Bahrain ein überragender Schlussspurt. Kaum zeigte der RB8 wieder die alte Dominanz, fand auch Vettel seine und mit ihr gleich die Sicherheit wieder. In Singapur war er präsent, als es Hamiltons Sieg abzustauben gab, in Japan, Korea und Indien dominierte er wie zu besten Zeiten und nach Belieben. In dieser entscheidenden Phase der Saison fuhr er mit Abstand die meisten Zähler ein und legte somit den Grundstein zur erfolgreichen Titelverteidigung. Dieser setzte er letzten Endes das Sahnehäubchen auf, indem er am Ende bewies, auch mit dem Druck umgehen zu können, einmal von hinten nach vorne fahren zu müssen, wie etwa nach dem Sprit-Fauxpas in Abu Dhabi oder auch beim Chaos-Finale in Brasilien, nach einer Kollision mit Bruno Senna. Fahrerisch kam er Alonso 2012 am nächsten - am Ende entschieden Nuancen und Vettel hatte das Glück des Tüchtigen einmal mehr auf seiner Seite.

Pro: Unterm Strich machte Red Bull von allen Teams den besten Job - dementsprechend sicherte man sich bereits ein Rennen vor Schluss verdient den Konstrukteurstitel und brachte beide Piloten 2012 parallel in die Ausgangslage, auch um die Fahrerweltmeisterschaft kämpfen zu können. Vettel nützte das Geschenk, das ihm Newey gar nicht so sehr mit dem RB8 als vielmehr mit den die Konkurrenz nahezu entwaffnenden Updates für diesen zur Verfügung stellte optimal und war einmal mehr dann da als es wirklich darauf ankam. Das eingespielte Team aus Milton Keynes bewies dabei, dass es durch die Titelgewinne der Vorjahre gereift ist und sich auch durch Rückschläge wie etwa der Lichtmaschinen-Causa oder die ewigen Technik-Streitereien mit der FIA und der Konkurrenz nicht mehr so leicht aus dem Konzept bringen lässt. Das Maß der Dinge bleibt man damit auch vor der nächsten Saison. Frederik Hackbarth

Demonstrierten Einheit: Vettel & Red Bull, Foto: Red Bull
Demonstrierten Einheit: Vettel & Red Bull, Foto: Red Bull

Contra: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Dieses alte Sprichwort lässt sich auch auf die Saison von Red Bull umlegen, denn trotz des Gewinns beider WM-Titel offenbarte das britisch-österreichische Team einige Schwächen. Zum einen verlief der Saisonstart alles andere als nach Wunsch und selbst Design-Genie Newey hatte nicht geringe Mühe, den Wegfall des angeblasenen Diffusors zu kompensieren. Auch die Geschichte rund um die defekten Lichtmaschinen warf kein besonders gutes Licht auf die Mannschaft, denn die weiteren von Renault belieferten Teams hatten mit deutlich weniger Problemen zu kämpfen - was Marko und Co. jedoch nicht davon abhielt, mit den Franzosen recht harsch ins Gericht zu gehen. Selbiges offenbarte sich im Duell gegen Fernando Alonso: Die nahezu allgegenwärtige Paranoia gegenüber der italienischen Konkurrenz und ihrer vermeintlichen Bevorzugung nahm schon humoristische Züge an. Philipp Schajer