Im Vorfeld des Großen Preis der USA stand vor allem eine Kurve im Mittelpunkt der Diskussionen: Kurve eins. Wenn man sich den Anfang der 5,516 km langen Strecke anschaut, werden Erinnerungen an die legendäre Nordschleife wach. Die passenden Schlagworte: blind und Achterbahn. Vom Start weg geht es bis zu Turn 1 ununterbrochen bergauf, der Höhenunterschied auf den ersten 250 m beträgt bemerkenswerte 41 m. Blind rasen die Piloten in Richtung Scheitelpunkt - und das auf völlig unbekanntem Terrain. Mit Sicherheit finden sich einige Buchmacher, die für den Rennsonntag Wetten auf einen Start-Unfall anbieten.

Der extrem weite Kurveneingang lädt dazu ein, ein Überholmanöver anzusetzen, doch auf der Kuppe kann es je nach Linie richtig eng werden respektive die Tür zufallen, wenn man zur falschen Zeit an der falschen Stelle fährt. Kurzum: Kurve eins wurde als das Prunkstück einer Strecke angesehen, die einige anspruchsvolle Kurven - etwa die anschließenden Esses - beinhaltet. Am Freitag hatten die Piloten erstmals Gelegenheit, sich mit dem neu errichteten Kurs vertraut zu machen. Überraschenderweise hielt sich die Begeisterung im Fahrerlager bezüglich der ersten Kurve arg in Grenzen, wie Motorsport-Magazin.com feststellte.

"Was von außen als herausragende Kurve der Strecke gilt, ist für uns auf der Strecke nicht das Wichtigste", meinte etwa Michael Schumacher ohne große Emotionen. "Kurve eins ist recht simpel für uns, die größere Herausforderung wartet in den S-Kurven zwischen Turn drei und neun." Zumindest in dieser Hinsicht kann sich der Mercedes-Pilot glücklich schätzen, denn andere Fahrerkollegen bezeichnen Kurve 1 nicht gerade als einfache Aufgabe. Jenson Button hatte seine liebe Müh' und Not, die richtige Linie zu treffen. Er machte aus seiner Abneigung gegen Kurve eins kein Geheimnis.

"Sie gehört nicht gerade zu meinen Favoriten", sagte der McLaren-Mann. "Es ist eine dieser merkwürdigen Kurve, wie Turn 3 in Indien. Es ist frustrierend: Wenn man die Kurve einmal gut hinbekommt, dann weiß man nicht, warum." Das Problem laut Button: Beim Kurveneingang bleibt das Vorderrad stehen und blockiert, was erst zu Untersteuern und Richtung Kurvenausgang zu Übersteuern führt. "Außerdem ist der Asphalt dort nicht eben", so Button. "An manchen Stellen hat man Grip und an anderen nicht."

Lewis Hamilton stimmte seinem Teamkollegen im Bezug auf den Schwierigkeitsgrad zu. Kurve eins sei knifflig und führe schnell zu Übersteuern und Verbremsern. Das mussten während der Trainings einige Piloten unfreiwillig drehend feststellen. Dazu sei jedoch gesagt, dass die Strecke vor allem morgens kühl und extrem rutschig war, zum Nachmittag hin verbesserten sich die Bedingungen merklich. "Es ist gar nicht so einfach, die Kurve perfekt hinzubekommen", räumte Hamilton ein. Allerdings sei sie aus der Cockpitansicht auch nicht so aufregend, wie es vielleicht den Anschein erwecke.

Sebastian Vettel, der die Konkurrenz am Freitag mit zwei überlegenen Bestzeiten düpierte, stimmte in den Kanon ein: So spannend ist Kurve 1 überhaupt nicht. "Im Auto ist es nicht ganz so wild, wie es ausschaut", sagte der WM-Spitzenreiter. "Eau Rouge ist eine größere Herausforderung, aber da kommt man natürlich auch schneller wieder am Fuße der Kurve an." Die fehlende Sicht aufgrund der Erhöhung sei aber trotzdem eine Herausforderung: "Man sieht den Scheitelpunkt nicht, wenn man auf die Bremse steigt. Deshalb kann man die Kurve leicht verpassen - uns wird da einiges abverlangt." Spannender dürfte die Angelegenheit werden, wenn am Sonntag nicht eines, sondern 20 Autos beim Start in Richtung der ersten Kurve rasen. Oder in Mark Webbers Worten: "Kurve eins ist ein wenig wie La Source in Spa - damit kennen wir uns ja aus..."