Die Pirelli-Reifen haben die Formel 1 ordentlich durcheinander gewirbelt. In der vergangenen Saison sorgten die spektakulären Rennen zunächst für allgemeine Euphorie, hatten die Prozessionen auf der Strecke doch endlich ein Ende gefunden. Mit der Zeit kippte die Stimmung allerdings. Ein häufiger Kritikpunkt: die Rolle der Reifen ist zu entscheidend geworden, es ginge eigentlich nur noch darum, die sensiblen Mischungen bis ins Ziel zu retten. Vollgas-Racing wie früher? Fehlanzeige. Die Meinungen im Fahrerlager diesbezüglich gehen nach wie vor auseinander.

Niki Lauda sieht kein Problem mit den Anforderungen der Reifen, die die Teams teilweise vor große Probleme stellen. "Wenn es so ist, dann ist es so. Die Ingenieure und Fahrer müssen aus den vorhandenen Reifen das Beste herausholen", so Lauda im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Wer das am besten macht, steht am Ende auch oben. Das ist für alle das Gleiche." Nach dem Rennen in Bahrain, wo die Reifen wieder einmal im Fokus standen, beschwerte sich vor allem Michael Schumacher über den Einfluss der Pneus auf den Rennverlauf.

"Man sollte sich die Frage stellen, ob die Reifen eine solche Rolle spielen sollten oder ob sie es erlauben sollten, dass jeder Fahrer seine Leistung gleichmäßig abrufen kann", stellte der Mercedes-Pilot die Frage in den Raum. Die Relevanz des Qualifyings sei nicht mehr so gegeben wie früher, argumentierte er weiter. Dass Schumacher zumindest in Bahrain mit dieser Annahme nicht falsch lag, zeigte auch sein eigenes Rennen: von P22 fuhr er noch in die Punkte.

Ein Grund dafür waren die schier unzähligen Boxenstopps, die es zeitweise nicht leicht machten, den genauen Überblick zu behalten. Es überholt sich nun einmal leichter, wenn der Vordermann sowieso in die Box abbiegt beziehungsweise die Reifen schnell am Ende angelangt sind. Pirelli wollte die Kritik allerdings nicht auf sich sitzen lassen und äußerte sich in Form von Paul Hembery. Der Motorsportchef des Reifenlieferanten äußerte sich via Twitter zu den Vorwürfen.

"Am Ende des vergangenen Jahres ernteten wir harsche Kritik für unsere konservative Reifenwahl und die langweiligen Rennen", wehrte sich Hembery. "Entscheidet euch mal. Wir tun, wonach gefragt wird." Pirelli habe sich in Bahrain für die weiche und Medium-Mischung entschieden, um möglichst viele Strategien zuzulassen. "Zum Ende des Rennens hin hatte es für die Fahrer Priorität, dass die Reifen in Sachen Performance nicht über die Klippe springen", so Hembery in der offiziellen Pirelli-Mitteilung. "Eine Aufgabe, die alle gut meisterten."

Ein ähnliches Phänomen wie in China, als Sebastian Vettel und vor allem Kimi Räikkönen auf den letzten Runden aufgrund verschlissener Reifen durchgereicht wurden, war in Bahrain in der Tat nicht zu beobachten. Jenson Button, der im Wüstenstaat ein Rennen zum Vergessen erlebte, erkannte Schwierigkeiten mit den komplizierten Reifen, suchte die Schuld aber nicht bei Pirelli. "Die machen einen guten Job", meinte der McLaren-Pilot. "Aber wir verstehen die Reifen noch nicht. Im vergangenen Jahr hatten wir auch einen hohen Verschleiß, aber wir verstanden das Verhalten der Reifen. Dieses Jahr weiß ich noch nicht genau, wie ich mit den Reifen umgehen muss."

Das gilt allerdings mit Sicherheit nicht nur für McLaren, sondern einen Großteil des Fahrerlagers. Nicht umsonst standen bislang vier verschiedene Piloten aus vier verschiedenen Teams ganz oben auf dem jeweiligen Podium. Häufig entschied das richtige Reifen-Management über Sieg oder Niederlage - wie genau dieses aussieht, scheint allerdings noch nicht ganz klar zu sein. Fest steht allerdings, dass die Zeiten von rundenlangen Vollgasfahrten der Vergangenheit angehören. "Wir fahren teilweise mit 60 bis 70 Prozent durch die Kurve", meinte Schumacher etwa. "Sonst fliegen die Reifen nach wenigen Runden von der Felge. Das finde ich nicht ganz so passend."