Das zehnte Rennen der Saison steht an - Zeit für den Deutschland GP. In diesem Jahr geht es für den Formel-1-Zirkus wieder einmal an den Nürburgring. Der Status quo: Sebastian Vettel steht weiter unangefochten an der Spitze der WM-Wertung. Der Red-Bull-Pilot hat 80 Punkte Vorsprung auf Teamkollege Mark Webber, Fernando Alonso liegt gar 92 Zähler zurück. Nach den mittelmäßigen Ergebnissen in Valencia und Silverstone musste das McLaren-Duo Lewis Hamilton und Jenson Button den Spanier vorbeiziehen lassen.

Die Machtverhältnisse in der F1 haben sich verschoben. Sah lange Zeit alles nach einem Zweikampf zwischen Red Bull und McLaren aus, sind die Briten erst einmal in die zweite Reihe gerutscht. Das Team der Stunde - neben Red Bull - heißt Ferrari. Spätestens seit Alonsos erstem Saisonsieg in Silverstone ist klar: Die Scuderia hat den Titel noch lange nicht abgeschrieben. "Ferrari ist bedrohlich nah ans uns herangerückt", stellte Vettel nach Silverstone fest. Dort war der formverbesserte 150° Italia seinem RB7-Pendant im Rennen ebenbürtig.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Die neue Stärke hat in Maranello für Hoffnung gesorgt. Hatten Alonso und Felipe Massa den Titel vor Valencia bereits ad acta gelegt, keimte nun wieder Mut auf. "Wir geben niemals auf", tönte etwa Massa vor dem Deutschland GP. Rückendeckung für die ambitionierten Ziele gab es auch von oberster Stelle. "Alonso liegt richtig damit, weiter auf den Titel zu hoffen", stellte Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo klar. "Die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Punkte zählen wir zum Schluss."

Aktuell sind es noch eine Menge Punkte, die der Boss zählen muss. Doch Massa suchte in der Historie der F1 nach vergleichbarem, vermeintlich Unmöglichem - und wurde fündig. "Auch wenn es dieses Jahr schwer wird den Titel zu gewinnen und Vettel sehr viele Fehler passieren müssen, beweist 2007, dass alles möglich ist", so der WM-Sechste. Damals hatte Kimi Räikkönen quasi aus dem Nichts im letzten Saisonrennen noch den Titel eingeheimst.

Nichts ist unmöglich

Die Lücke ist kleiner geworden, Foto: Sutton
Die Lücke ist kleiner geworden, Foto: Sutton

Nichts ist unmöglich, das weiß auch Vettel. Der 24-Jährige hat sich darauf eingestellt und fährt in dieser Saison den sicheren Kurs. Vettel wirkt extrem abgeklärt, hat nur ein Ziel vor Augen: die Titelverteidigung. Vorbei sind die Zeiten, in denen er bis über die Grenze pushte, um einen Rennsieg einzufahren. "Mit Gewalt geht gar nix", stellte er erwachsen fest. "Und man kann ja auch mal mit den Füßen auf dem Boden bleiben." Der immense Vorsprung in der WM-Wertung verleiht Sicherheit - den hat sich Vettel hart erarbeitet und spielt diese Karte als zusätzlichen Trumpf gegen die Konkurrenz aus.

"An unserer Herangehensweise darf sich nichts ändern", meinte er vor dem zehnten Saisonrennen. Der Vorsprung steht - der Nimbus der Unbesiegbarkeit bröckelt hingegen etwas. "Bei Vettels Boxenstopp passierte ein Fehler und die Tatsache, dass Red Bull Teamorder aussprechen musste, um seinen Nummer-1-Fahrer Platz zwei zu sichern, spricht dafür, dass es nicht bei dieser Niederlage bleiben wird", glaubte etwa Pedro de la Rosa.

Aggressivität um jeden Preis

Vettel zeigt zwar keine Schwäche, doch die Konkurrenz wittert Morgenluft. Dafür scheint jedes Mittel recht. "Vielleicht zahlen wir einen hohen Preis für diese Aggressivität, aber uns bleibt keine andere Wahl", beschrieb Alonso die Entwicklung des eigenen Autos. Der zweifache Weltmeister erinnert sich noch an das vergangene Jahr, als eine wilde Aufholjagd ab der Saisonmitte beinahe den dritten Titel eingebracht hätte. "Was Alonso mit einer unglaublichen Brutalität aus einem Auto herausholen kann, ist einmalig", schwärmte Christian Danner gegenüber dem Motorsport-Magazin. "Ich habe einen irrsinnigen Respekt vor ihm. Er ist wie ein Tiger: Er lauert, und auf einmal ist er da, schlägt zu und dann hat er die Maus oder das Karnickel gefressen."

Allerlei Getier treibt sich auch in den Wäldern der Eifel herum - ob Vettel dabei die Rolle des erlegten Hasen einnimmt, ist hingegen eher fraglich. Der Heppenheimer bleibt der Gejagte vor einer Bande von Verfolgern. "In Silverstone haben wir eine Podestplatzierung verpasst und das war eine Erinnerung daran, dass wir, wie all unsere Konkurrenten auch, weiter angreifen müssen, um unser Auto noch wettbewerbsfähiger zu machen", blies McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh ins Jagdhorn.

Volle Attacke: Jenson Button, Foto: Sutton
Volle Attacke: Jenson Button, Foto: Sutton

Ruhige Töne

Nach den vergangenen Resultaten schlagen die Briten im Vergleich zum Saisonbeginn ruhigere Töne an. "Silverstone war enttäuschend", stimmte Jenson Button zu. "Aber unsere Geschwindigkeit war in diesem Jahr bisher gut. Manchmal waren wir die Schnellsten und manchmal eben nicht." Dass nur ein konstant hoher Speed Chancen auf die WM zulässt, verrät ein Blick in die Tabelle: Hamilton und Button liegen mit 95 Punkten Rückstand auf Vettel auf den Rängen vier und fünf.

"Das wird ein denkwürdiger Großer Preis von Deutschland!", tönte Whitmarsh. Mit Sicherheit wird er das - die Frage lautet nur, wer sich später am liebsten an den Eifel-Klassiker erinnern wird.