1. - S wie Startaufstellung

Nach Sebastian Vettel die Sintflut. Beim Qualifying in Australien düpierte der Weltmeister die Konkurrenz. Ganze acht Zehntelsekunden hatte der Red-Bull-Pilot Vorsprung auf den ersten Verfolger Lewis Hamilton. Eine wahre Macht-Demonstration, doch Vettel spielte die Show zunächst runter.

"Was diese Überlegenheit angeht, muss man die Füße auf dem Boden lassen. Heute war bei dem ein oder anderen noch der Wurm drin - zum Beispiel was die Reifen betrifft und wenn man sie nicht ganz zum funktionieren bringt", so der Heppenheimer. Überlegen war allerdings nur Vettel, Teamkollege Mark Webber landete überraschend auf Rang drei - und hatte keine passende Erklärung. "Ich rätsele wegen des Abstands zu Sebastian und ich muss schauen, wo ich mich verbessern kann", suchte der Australier die Fehler bei sich selbst.

Webber muss sich am Start gegen Jenson Button behaupten, der seinen MP4-26 auf den vierten Startplatz stellte. Nach den schwachen Resultaten der Wintertests scheint McLaren nach einigen Upgrades wieder in die Spur gefunden zu haben. Fernando Alonso startet vom enttäuschenden fünften Platz aus, nachdem Ferrari im Winter einen sehr starken Eindruck hinterlassen hatte. Für Teamkollege Felipe Massa reichte es gar nur zu P8. "Ich dachte, sie wären konkurrenzfähig und mehr oder weniger auf unserem Level. Deshalb überraschte mich das Qualifying sehr", grübelte Vettel.

2. - S wie Start

Beim Start richten sich alle Augen auf den RB7. Nach Vettels Husarenritt wurde bekannt, dass die Bullen beim Qualifying auf das KER-System verzichteten. Stattdessen machte ein Gerücht die Runde in der Boxengasse: Angeblich habe Red Bull ein Start-KERS entwickelt, welches - wie der Name schon andeutet - nur für den Start benutzt werden kann.

"Aus strategischer Sicht haben wir entschieden, KERS nicht im Qualifying einzusetzen - es war eine Team-Entscheidung. Aber ich werde euch nicht verraten, wonach ihr sucht", hüllte sich Teamchef Christian Horner in großes Schweigen. Man wolle die Spannung nicht zerstören, doch alles habe bei Red Bull einen Grund, heizte Horner die Gerüchte weiter an.

Reines Kettenrasseln, oder steckt wirklich etwas hinter dem Start-KERS? Als Erster wird das wohl Hamilton zu sehen bekommen. Der Brite weiß, dass er angesichts der RBR-Performance über die lange Distanz wohl nicht mithalten kann. Die große Überhol-Chance bietet sich deshalb direkt beim Start, denn der McLaren hat definitiv KERS an Bord. Spätestens dann wird sich zeigen, was das Weltmeister-Team in Milton Keynes ausgeheckt hat.

3. - S wie Strecke

Der Stadtkurs in Melbourne bietet zahlreiche trickreiche Situationen. Wie man an diesem Wochenende erkennen konnte, verbessert sich das Grip-Niveau von Tag zu Tag, je mehr Gummi die Piloten auf der Strecke liegen lassen. "Der Albert Park ist eine Stop-and-Go-Strecke mit Schikanen am Anfang und dann einigen mittelschnellen und schnellen Kurven gegen Ende der Runde", erklärte Sauber-Technikdirektor James Key. Das verlangt den Boliden hohe Brems-Stabilität ab.

Gefahren für die Fahrer stellen die Bodenmarkierungen und die vielen Bodenwellen auf dem Kurs da. Dann wären da noch die 16 unterschiedlich gestalteten Kurven, die den Teams einiges in Sachen Setup abverlangen. Immerhin: Die Strecke ist nicht unbedingt für hohen Reifenverschleiß bekannt. Das sollte den Teams beim Festlegen der Strategie helfen, nachdem der Abbau der neuen Pirelli-Reifen nicht so stark anmutet, wie noch bei den Winter-Testfahrten.

Rubens Barrichello machte Bekanntschaft mit der Buckelpiste, Foto: Sutton
Rubens Barrichello machte Bekanntschaft mit der Buckelpiste, Foto: Sutton

4. - S wie Setup

Dass der Albert Park eine kleine Buckelpiste ist, musste unlängst Rubens Barrichello spüren. Der FW33 lag einfach zu tief und setzte immer wieder auf. "Wir haben gewisse Probleme in diesem Bereich, denn das Auto setzt etwas zu sehr auf", gab Barrichello zu. Deshalb vergrößerte Williams nach dem dritten Freien Training die Fahrzeughöhe. "Es war klar, dass uns das etwas Zeit kosten würde", erklärte Sam Michael. Barrichello vermutete, dass auch andere Teams Probleme mit der Tiefe haben könnten.

Bei McLaren legte man vermehrt Wert auf ein möglichst stabiles Heck. Button verriet, dass der MP4-26 seit dem Zeittraining mit mehr Abtrieb auf der Vorderachse unterwegs sei, um das Heck zu verstärken. Laut Ross Brawn sei die richtige Balance des Boliden in Australien ein extrem wichtiges Kriterium, das über Sieg oder Niederlage entscheiden könne.

Stichwort Balance. Dieser Begriff fiel häufig im Zusammenhang mit dem vermeintlichen Start-KERS von Red Bull. Da keine Kühlung und Ladevorrichtung nötig wäre, könnte es viel kleiner und leichter sein, was bei der Balance in Melbourne helfe, da dadurch mehr Zusatzgewichte im Auto verteilt werden könnten.

Zudem würde das System die Arbeit mit der Bremsbalance erleichtern, da das reine Start-KERS an der Box aufgeladen würde und danach keine Brems-Energie mehr bräuchte, da es ja nur beim Start zur Anwendung kommt. Die richtige Balance und Kühlung der Bremsen gewinnt an Wichtigkeit, wenn man sich die hohen Geschwindigkeiten von bis zu 300 km/h im Albert Park anschaut. Darauf werden die Teams einen Fokus setzen müssen.

5. - S wie Strategie

Das beherrschende Thema an diesem Wochenende sind die Pirelli-Reifen. Alle Teams müssen ihre Strategie auf die Mischungen ausrichten. Ross Brawn erwartet, dass nicht nur der Reifen an sich ein Schlüsselfaktor sein wird. "Es geht nicht nur um die Reifen an sich, sondern um die Situation, die sie kreieren, wie zum Beispiel Safety-Car-Phasen. Die ganze Sache wird umgekrempelt", glaubt der Mercedes-Teamchef.

Nach den Testfahrten in Barcelona hatten zahlreiche Fahrer mit vier Reifenwechseln für den Auftakt in Australien gerechnet. Inzwischen hat sich diese Annahme relativiert. Die Pirelli-Reifen sind weitaus langlebiger als angenommen, nun stellt sich die Frage: Kommt man vielleicht sogar mit zwei Stops aus? Brawn denkt, dass nicht unbedingt das schnellste Auto gewinnen wird, sondern die richtige Team-Strategie. Ein kleiner Hoffnungsschimmer angesichts der Vettel-Dominanz?

Das erste Rennen der Saison birgt traditionell Überraschungen. Tradition besitzen auch die Safety-Car-Phasen im Albert Park. Deshalb dürfe man das Qualifying auch nicht überbewerten, meinte Adrian Sutil. "Wir können in etwa erraten, wie sich die Reifen verhalten werden, aber wir werden sehen, wie es läuft. Lassen wir uns überraschen", wollte sich auch Pole-Setter Vettel nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.

Für Schumacher, der von Platz elf ins Rennen geht, hat Brawn schon eine Idee: "Der erste Gedanke wäre, auf neuen weichen Reifen zu starten und danach wieder einen neuen Satz weicher Reifen aufzuziehen." Der Rekord-Champ darf sich als höchstplatzierter Nicht-Top-10ler aussuchen, mit welcher Mischung er beginnt. Viele Fragezeichen vor dem ersten Saisonstart, doch in einem sind sich alle sicher: Es wird spannend!

6. - S wie Sonntagswetter

Natürlich spielt das Wetter immer eine entscheidende Rolle für den Rennverlauf, doch 2011 kommt noch eine zusätzliche Komponente hinzu: Keines der Teams weiß richtig, wie die Intermediates und Regenreifen von Pirelli reagieren. Niederschlag könnte den Australien-GP zur völligen Lotterie verkommen lassen. Doch mit Regen ist derzeit nicht zu rechnen. Nach leichten Schauern am Freitag blieb es den Samstag über trocken. Wetterberichte gehen von rund 17 Grad aus, hinter leichten Wolken soll die Sonne hervor winken.

Felipe Massas Ausflug ins Grüne, Foto: Sutton
Felipe Massas Ausflug ins Grüne, Foto: Sutton

Je höher die Temperaturen steigen, desto wärmer wird es auch ums Ferrari-Herz. Alonso und Massa hatten arg damit zu kämpfen, die Reifen auf Temperatur zu bekommen. Das gaben die beiden zumindest als Grund für ihr mittelmäßiges Abschneiden beim Qualifying an. "Ja, wir hatten Schwierigkeiten damit, die Pneus anzuwärmen. Auf allen anderen Strecken war das keine derart große Baustelle für uns, hier litten wir jedoch ein bisschen mehr. Wir haben es hier mit recht kühlen Bedingungen zu tun", gab Massa zu.

7. - S wie Spannung

Spannung dürfte im Albert Park garantiert sein, wenn es um die ersten Punkte in der neuen Saison geht. Vettels RB7 dominierte zwar den Rest des Feldes, doch die große Zeitlücke könnte ganz schnell in Rauch aufgehen. Die erste Kurve im Albert Park hat es in sich, selten hat sich das komplette Fahrerfeld ohne Schäden durchgeschlängelt. Will man eine sichere Wette abschließen, sollte man sein Geld darauf setzen, dass das Safety Car rauskommen wird.

Neue Reifen, KERS und obendrauf fünf F1-Rookies, die zum ersten Mal ein Rennen bestreiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwo knallt, ist mehr als hoch. "Wir haben morgen am Start nur acht Meter Vorsprung - nicht mehr und nicht weniger. Wir wollen erst einmal die Zielflagge erreichen und dann versuchen wir da ins Ziel zu kommen, wo wir losgefahren sind", erklärte auch Vettel.

Während sich die Mehrheit der Fahrer dafür ausspricht, dass der Red Bull kaum zu schlagen ist, schwimmt ausgerechnet McLaren gegen den Strom. Der stark formverbesserte MP4-26 hat Begehrlichkeiten bei Hamilton und Button geweckt. "Sebastian hat eine sehr gute Runde hingelegt. Wir wissen aber nicht, wie ihre Geschwindigkeit im Rennen ist. Daher bleiben wir positiv und denken, dass wir vielleicht nach dem Sieg greifen können", zeigte sich Button kämpferisch und schielt nach seinem dritten Melbourne-Sieg in Folge.

"Ich werde Sebastian morgen das Rennen seines Lebens liefern", kündigte Hamilton unterdessen an und hoffte ein wenig auf die Reifenwechsel, die alles auf den Kopf stellen könnten. Spannung verspricht auch ein kurzer Blick in die Statistik: Seit 1996 gastiert die Formel 1 in Melbourne - und hat die schlechteste Finish-Quote im aktuellen Rennkalender; nur 47 Prozent der Fahrer erreichten das Ziel.