In seiner zehnjährigen Formel-1-Karriere hat Jacques Villeneuve wohl so ziemlich alles erlebt - vom kometenhaften Aufstieg mit Williams, bis hin zum langsamen Abstieg ins Mittelfeld der Königsklasse. Wenig verwunderlich scheint daher, dass dem Kanadier seine ersten Jahre im Vollgas-Zirkus in besserer Erinnerung geblieben sind, als das Ende seiner Karriere. Gegenüber pitlane-vision.com zog der Weltmeister von 1997 nun Bilanz und erzählte ganz offen von den geheimen Machenschaften im Hintergrund des Fahrerlagers.

"Meine beiden ersten Jahre in der Formel 1 waren einfach unglaublich, die pure Freude", schwärmte Villeneuve über sein sensationelles Debüt Mitte der Neunziger. Nach zwei Jahren in der IndyCar-Serie, in denen er sowohl Rookie des Jahres, als auch Meister und Sieger des renommierten Indy500 wurde, kam der Überflieger 1996 zu Williams und somit direkt zu einem Top-Team in die Formel 1. "Ich liebte Williams, denn die Atmosphäre dort war einfach so wahnsinnig gut", erklärte der Sohn von Ferrari-Legende Gilles Villeneuve.

Überraschend seien diese Erkenntnis und die positiven Erinnerungen gleichwohl nicht. "Es ist ja auch klar, denn wir waren immer vorne. Ich hatte viele Freiheiten bei der Arbeit am Auto und es gab keine politischen Probleme", meinte der Ex-Champ. Für den Individualisten, der für seine ungewöhnliche Autoabstimmung, wie beispielsweise verschiedene Dämpfereinstellungen auf jeder Seite des Boliden bekannt war, waren genau jene Freiheiten der Erfolgsschlüssel.

Karriere-Höhepunkt - in Jerez 1997 krönt sich Jacques Villeneuve selbst zum Formel-1-Weltmeister, Foto: Sutton
Karriere-Höhepunkt - in Jerez 1997 krönt sich Jacques Villeneuve selbst zum Formel-1-Weltmeister, Foto: Sutton

Beim englischen Traditionsteam machte der kanadische Neuling von Beginn an Schlagzeilen und seinem erfahrenen Stallgefährten Damon Hill das Leben auf der Strecke äußerst schwer. Nach seinen ersten beiden Jahren hatte Villeneuve die beste Bilanz eines Neueinsteigers aller Zeiten zu Buche stehen - besser noch als später die von Lewis Hamilton. Der Kanadier holte 11 Siege, 13 Pole-Positions und 9 schnellste Runden und am Ende der Saison 1997 im legendären Showdown mit Michael Schumacher im spanischen Jerez den Weltmeistertitel.

Welcher seiner beiden Karriere-Höhepunkte, der Sieg in Indianapolis oder der WM-Titel in Jerez, für ihn der schönere Moment war, getraute sich Villeneuve aber nicht zu sagen. "Das hängt von vielem ab, denn durch Indianapolis bin ich überhaupt erst in die Formel 1 gekommen. Besonders toll an diesen Siegen war die Art und Weise, wie ich sie geholt habe. In Indianapolis bekam ich erst eine Strafe, war dadurch weit hinten im Feld und habe dann noch alle überholt. Auch in Jerez war ich zu Beginn hinter Schumacher - das war kein einfacher Sieg. Deshalb sind die beide Triumphe so wichtig", schwelgte der Familienvater und Hobby-Musiker in Erinnerungen.

Nach dem Triumph folgte jedoch der stetige Abstieg. 1999 gründete Villeneuve zusammen mit seinem Freund und Manager Craig Pollock BAR. Dieses ambitionierte Unterfangen stellte sich als weitaus schwieriger heraus, als zunächst angenommen. "Bei BAR hatte ich zwar noch die Freiheiten mit dem Auto - aber es gab sehr viele politische Querelen im Hintergrund, die es einfach unmöglich machten", erklärte der 39-Jährige. "Nach einem Jahr Arbeit hatten wir das Gefühl, als hätten wir fünf Jahre ohne Pause geschuftet. Es war unglaublich anstrengend", sagte der Kanadier.

Als die Spannungen bei BAR unerträglich wurden gab Villeneuve das Projekt kurz vor Ende der Saison 2003 aus der Hand und kehrte erst für die letzten drei Rennen des Jahres 2004 als Trulli-Ersatz zu Renault in die Formel 1 zurück. Fürs nächste Jahr folgte der Wechsel zum schweizer Sauber-Team. Doch mit dem unterlegenen Boliden der Mannschaft aus Hinwil und dem Klima im Team kam der Freigeist nicht zurecht. "Ganz im Gegenteil zu der Zeit bei Williams hieß es dort: 'Sei still und fahr einfach. Wir wollen nicht, dass du beim Auto die Kontrolle übernimmst'. Das lag mir natürlich nicht und dann wurde es kompliziert", zog der Ex-Weltmeister Résumé, der die Zeit beim schweizer Privatteam als sehr schmerzhaft beschrieb.

Grenzgänger auf und neben der Strecke - Villeneuves Drift durch die Eau Rouge war 2005 noch eines der kleineren Probleme bei Sauber, Foto: Sutton
Grenzgänger auf und neben der Strecke - Villeneuves Drift durch die Eau Rouge war 2005 noch eines der kleineren Probleme bei Sauber, Foto: Sutton

An den Problemen mit dem Team änderte auch der interne Führungswechsel durch die Übernahme durch BMW nichts und Mitte der Saison 2006 entschieden sich Villeneuve und die Münchner fortan getrennte Wege zu gehen. Die Formel-1-Karriere des Ex-Williams, BAR, Renault und Sauber-BMW-Piloten liegt seitdem buchstäblich auf Eis. Nach Auftritten in der NASCAR-Serie und in Le Mans fuhr Villeneuve diesen Winter zusammen mit Alain Prost und anderen Ex-Formel-1-Piloten in Frankreich und der Schweiz Eis-Rennen. Parallel bastelt der 39-Jährige, der auch die Formel 1 noch nicht so ganz aus seinem Fokus gestrichen hat, nach wie vor an einem längerfristigen Engagement in der amerikanischen NASCAR-Serie.

Ähnlich zu anderen ehemalige Kollegen, wie beispielsweise Juan Pablo Montoya, sucht Villeneuve bei den Oval-Rennen jene unbekümmerte Atmosphäre, die er schon bei seinen Anfängen im Motorsport und in der Indycar-Serie genießen konnte. "Das war damals eine sehr schöne Zeit - auch wegen unserer Arbeitsweise. Zwischen dem Team und den Ingenieuren lief alles harmonisch ab. Man hat in die gleiche Richtung gearbeitet und auch wenn man mal nicht gleicher Meinung war, hatten wir einfach sehr viel Selbstvertrauen", erinnerte sich der Formel-1-Weltmeister von 1997. Dieses Selbstvertrauen nahm Villeneuve dann mit nach Europa und ebnete sich so den Weg zu einer erfolgreichen Karriere.