Verrauchen hier Vettels Titelchancen?, Foto: Sutton
Verrauchen hier Vettels Titelchancen?, Foto: Sutton

Hätte, wäre und wenn - dieses Trio gibt es im Motorsport nicht. Trotzdem ist es mitunter interessant, sich ein bisschen mit solchen Gedankenspielen zu beschäftigen. Gerade angesichts der anstehenden Titelentscheidung in Abu Dhabi drängt sich eine Frage auf: Was wäre wenn Sebastian Vettel nicht so viele Defekte gehabt hätte?

Rechnen wir einmal nach: Allein die Nutzung des Renault-Motors könnte dem Deutschen zum Verhängnis werden. Ein Zündkerzendefekt in Bahrain und ein Motorschaden an seinem Renault-V8 in Korea kosteten Vettel 38 WM-Punkte - damit würde er die WM vor dem Finale mit 23 Punkten Vorsprung anführen und bräuchte nur noch einen 9. Platz und zwei Zähler zum Titelgewinn.

Wenn man andere Defekte mit einrechnet, sieht die Bilanz noch deutlicher aus: "Ohne das große Pech von Vettel - er hat 66 Punkte durch technische Defekte verloren - wären wir in der Fahrerwertung überlegen vorne", rechnet Helmut Marko vor. Die Realität sieht anders aus. Vettel hat 15 Punkte Rückstand auf Fernando Alonso, muss auf einen Sieg und Pech beim Spanier hoffen.

Ferrari verrauchten zu viele Motoren

Selbst die Konkurrenz hat das schon gemerkt. Ferrari stichelte bereits vor dem Brasilien GP, dass es ein Wunder sei, dass Red Bull den Titel nicht schon längst eingeheimst habe. Dabei hat gerade Ferrari in diesem Jahr selbst beim Motor geschwächelt. Beide Fahrer mussten beim Auftaktrennen in Bahrain ihre Motoren wegen Überhitzungsproblemen wechseln lassen und Fernando Alonso fiel in Malaysia wegen eines Motorschadens aus.

Noch schlimmer erwischte es den Ferrari-Kunden Sauber. Bis heute schütteln Sauber-Mitglieder heftig mit dem Kopf, wenn sie an den Saisonstart und die Motorenplage denken. Kamui Kobayashi und Pedro de la Rosa kamen bei drei Rennen wegen eines Motordefekts nicht ins Ziel.

Der Spanier schöpfte sogar schon in Belgien sein Kontingent von acht erlaubten Motoren für die gesamte Saison aus und musste eine Strafversetzung für die Nutzung eines neunten Motors in Kauf nehmen. Darunter leidet auch sein Nachfolger Nick Heidfeld, der seit Singapur sehr auf die Motorenlaufzeit achten und Geschwindigkeitsnachteile in Kauf nehmen muss.

Mercedes ohne Defekt

Solche Probleme kennen die drei Mercedes-Teams nicht. Mercedes GP, McLaren Mercedes und Force India hatten in der gesamten Saison noch keinen einzigen Motorschaden zu beklagen. Wenn etwas streikte, dann im Motorenumfeld, etwa die Elektronik bei Adrian Sutil in Australien, ein unerklärlicher Leistungsverlust bei Tonio Liuzzi in Spanien und ein vergessener Kühler im Seitenkasten von Jenson Buttons McLaren in Monaco.

Der Mercedes-Motor gilt als der stärkste und zuverlässigste in der Formel 1, Foto: Mercedes
Der Mercedes-Motor gilt als der stärkste und zuverlässigste in der Formel 1, Foto: Mercedes

Sollte das beim Abschlussrennen in Abu Dhabi so bleiben, könnte Mercedes seine fehlerlose Statistik des Vorjahres wiederholen - auch 2009 gab es bei den drei Mercedes-Kundenteams keinen Motorschaden zu verzeichnen. Das war nicht immer so. In der Saison 2005 musste McLaren Mercedes des Öfteren Lehrgeld bezahlen und den Spott über die Silberfackeln ertragen, doch Mercedes-Benz High Performance Engines in Brixworth schaffte es, mit unermüdlichem Einsatz den Motor zur Referenz zu entwickeln.

Was wäre wenn?

"Das hat man heute gesehen, wie das mit dem Mercedes-Motor ist", sagte Marko in Belgien. "Wir überholen Liuzzi und kaum kommt die Gerade, geht er an uns vorbei, als würden wir stehen. Oder wir waren in den Kurven direkt hinter dem McLaren und kaum ging es geradeaus, haben sie zwei, drei Wagenlängen herausgefahren. So viel zur Motorengleichheit." Der Österreicher schreit schon seit anderthalb Jahren nach einer Verbesserung des zu schwachbrüstigen Renault-V8 oder am liebsten einem Wechsel auf Mercedes-Power.

Mit der Rückkehr des besten KERS wird der stärkste und zuverlässigste F1-Motor aus Stuttgart im nächsten Jahr wohl noch besser. Kein Wunder also, dass das Interesse an den Mercedes-Motoren bei anderen Rennställen sehr hoch ist. Nicht umsonst hat Red Bull mehrfach ernsthaft über einen Wechsel nachgedacht. Im letzten Winter scheiterten die Bemühungen jedoch am Veto von Mercedes-Partner McLaren. Für die nächsten zwei Jahre hat sich Red Bull deshalb an Renault gebunden.

Damit wären wir wieder beim hätte, wäre und wenn angelangt. Hätte Red Bull in diesem Jahr einen standfesten Mercedes-Motor gehabt, wäre der Titel für Vettel wohl schon sicher. Noch spannender sind aber die Fragen: Wie schnell wäre der erwiesenermaßen schnellste F1-Bolide des Jahres 2010 wohl mit einem Mercedes-Motor? Und: Wie gut hätten Nico Rosberg und Michael Schumacher abschneiden können, wenn das Auto rund um den Motor genauso gut wie der V8 gewesen wäre?