Pro: Alles im Griff

von Stephan Heublein

Erster Sieg im ersten Rennen für das neue Team, den Teamkollegen in 13 Grand Prix mit 9:4 im Qualifying klar beherrscht und auch nach Punkten klar die Oberhand über Felipe Massa - Fernando Alonso ist bei Ferrari angekommen und hat von Anfang an das Kommando übernommen.

Klar, die Saison verlief nicht ohne Probleme und Fehler. Gleich bei den ersten Rennen streikte die Technik, die Ferrari-Motoren kämpften unerwartet mit der Zuverlässigkeit, kosteten so wichtige Punkte und brachten Alonso für den Rest der Saison in Motoren-Not - immerhin sind nur acht Triebwerke pro Fahrer erlaubt. Auch der Speed des Autos war vor dem Valencia-Update inklusive F-Kanal-Revision und angeblasenem Diffusor nicht gut genug, um mit der Spitze mitzuhalten.

Doch Alonso ließ sich von all dem nicht aufhalten und erhielt seine WM-Chancen den Hindernissen zum Trotz am Leben. Dass ihm dabei der eine oder andere Fehler unterlief, ist nur normal - immerhin kämpfte er mit einem Auto am oder über dessen Limit. Auch Lewis Hamilton, Michael Schumacher oder jüngst Sebastian Vettel machten in ihrer Karriere schon Fehler. Das muss selbst einem zweimaligen Weltmeister zugestanden werden.

Mit konkurrenzfähigem Material lässt Alonso alle hinter sich, Foto: Sutton
Mit konkurrenzfähigem Material lässt Alonso alle hinter sich, Foto: Sutton

Viel schwerer wiegt Alonsos Einsatz, das Team hinter sich zu bringen, die Mannschaft auf ein Ziel einzuschwören und dieses ohne Kompromisse zu erreichen. Bereits im Winter zeigte sich, dass Alonso alles unternahm, um Ferrari zu seinem Team zu machen, die Ingenieure und Teammitglieder zu motivieren und gar keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, wer der Chef in Maranello ist. So arbeiten Weltmeister.

Dass Alonso weltmeisterlich ist, zeigen seine Erfolge, wenn das Material konkurrenzfähig war: Immerhin hat er mit zwei Siegen genauso viele Rennen gewonnen wie Sebastian Vettel und Jenson Button. Seine Vorstellung in Hockenheim war trotz Teamorder-Kontroverse eindrucksvoll - Felipe Massa konnte mit dem Speed seines Teamkollegen tatsächlich nicht mithalten. Zumindest diesbezüglich war der Funkspruch also richtig: Fernando war schneller als Felipe.

Contra: Alles andere als weltmeisterlich

von Kerstin Hasenbichler

Im Fahrerlager ist es kein Geheimnis, dass Fernando Alonso über ein riesiges Ego verfügt. Die Erfolge gaben ihm bisher Recht: 2 WM-Titel, 23 Siege, 58 Podestplätze. Doch 2010 legte der Spanier eine ungewohnt hohe Fehlerquote an den Tag. Gleich drei Mal verschenkte Alonso wichtige WM-Punkte, plus einige Schnitzer, die man von einem zweifachen Champion nicht erwartet: in Shanghai legte Alonso einen Frühstart hin, in Monaco zerlegte er seinen Boliden bereits im Training und verpasste somit das Qualifying.

Fernando Alonso glänzt in dieser Saison vor allem durch Fehler, Foto: Sutton
Fernando Alonso glänzt in dieser Saison vor allem durch Fehler, Foto: Sutton

In Silverstone kürzte er beim Überholversuch gegen Kubica die Strecke ab, was in einer Durchfahrtsstrafe endete. In Spa unterlag Alonso erst im Qualifying seinem Teamkollegen Felipe Massa, danach leistete er sich im Rennen einen Fahrfehler. Im Regen kam der Spanier auf einen Kerb und verlor das Heck seines Ferraris. Bei einem Sebastian Vettel mag man bei solchen Fehler Unerfahrenheit als Verteidigung gelten lassen, doch bei Alonso gilt das nicht. Er gilt als erfahren, schnell und mit einem ausgeprägten Renninstinkt.

Deshalb wollte ihn Luca di Montezomolo unbedingt haben. Während die einen oder anderen hohen Teammitglieder Alonso rückblickend als "Stinkstiefel" bezeichnen, glaubt di Montezemolo den Spanier kontrollieren zu können. Doch Alonso lässt sich von niemanden etwas sagen und sollte sich die Welt einmal nicht um ihn drehen, dann kann es schnell ungemütlich werden. Schon in Renault-Zeiten protestierte Alonso lautstark, wenn er das Gefühl hatte, im Team nicht die Nummer eins zu sein.

Auch bei Ferrari hat er dieses Verhalten nicht abgelegt. Als Massa sich in Hockenheim weigerte, Alonso vorbeizulassen, motzte der Spanier über Funk: "Das ist lächerlich!" Am Ende beugte sich Teamchef Stefano Domenicali - wohl wissend, dass Hauptsponsor Santander nur wegen Alonso zu Ferrari wechselte - und Massa musste seinen Teamkollegen vorbei lassen. Doch weltmeisterliche Allüren kann man sich nur leisten, wenn man auch weltmeisterlich fährt.