1. Wie geht es Webber?

Die wichtigste Nachricht hieß am Sonntag: "Mark ist okay. Es war ein schlimmer Unfall, aber das Chassis hat seine Aufgabe erfüllt. Mark hat ein paar blaue Flecken, aber er hat keine schweren Verletzungen", sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Zuvor hatte sich Webber bei einem Auffahrunfall mit Heikki Kovalainen überschlagen, war in der Luft mit einer Werbebande kollidiert und danach in die Reifenstapel eingeschlagen.

"Die Autos sind zum Glück sehr sicher, da hatte ich Glück, denn es war ein sehr gefährlicher Unfall", erklärte Webber. "Es war ein ähnliches Gefühl wie bei meinem Überschlag in Le Mans, aber Rennautos sollten nicht in der Luft sein."

Auch Heikki Kovalainen blieb bei dem Unfall unverletzt. Er musste nur zu einem Routinecheck ins Medical Centre, weil die Einschlags-Alarmlampe am Cockpit blinkte. "Es war nicht so schlimm", sagte der Finne. "Ich habe die Mauer zwar berührt, aber ich hatte damit kein Problem, mir tut nichts weh. Mark hatte einen viel heftigeren Aufprall, aber Gott sei dank ist auch ihm nichts passiert."

2. Wie kam es zu dem Unfall?

Beim Unfallhergang sind sich alle Seiten einig: "Ich denke, der Lotus bremste einen halben Kilometer früher als Mark das erwartet hat", sagte Horner. Kovalainen bestätigte diese Version, wenn auch mit anderen Worten: "Ich glaube, Mark war überrascht, wie früh ich für die Kurve bremsen musste."

Kovalainen habe seine Position verteidigt, weil es ein normaler Zweikampf gewesen sei. "Aber er war sich wohl nicht sicher, welchen Weg er nehmen sollte und in dem Moment bremste ich und er hatte keine Chance, um zu reagieren." So beurteilt auch Webber seinen Salto: "Erst dachte ich, er würde mich ziehen lassen, dann kämpfte er." So weit, so gut. "Dann hat er weit vor dem Bremspunkt gebremst, ich glaube 80 Meter früher." Ab diesem Moment war Webber nur noch Passagier.

3. Wer trägt die Schuld am Unfall?

An dieser Frage scheiden sich die Geister. "Er hat offenbar den Bremspunkt verpasst", sieht sich Kovalainen unschuldig. Webber meint hingegen, dass der Unfall nie hätte passieren dürfen. "Es gibt einen Punkt, bis zu dem man um Plätze kämpft und dann einen, wo man fünf Sekunden langsamer ist." Webber sei selbst schon langsame Autos gefahren, etwa einen Minardi. Er wisse, wie man sich da zu verhalten habe. "Was nutzt es einem, wenn man vorne bleibt? Wie lange hält es an? Weitere 15 Sekunden? Was ist das wert?"

Mark Webbers Chassis behütete ihn vor Verletzungen, Foto: Sutton
Mark Webbers Chassis behütete ihn vor Verletzungen, Foto: Sutton

Lotus-Technikchef Mike Gascoyne akzeptiert diese Sichtweise nicht. "All dieses A-Team, B-Team Zeug, vergiss es. Es ging um die Position und hier kann man sich verteidigen - und wenn wir ihn 40 Runden hinter uns gehalten hätten, toll. Wenn wir sein Rennen ruiniert hätten, großartig", meinte Gascoyne. "Er [Kovalainen] fuhr geradeaus und bremste - Entschuldigung. Muss man da wirklich fragen, wer den Fehler gemacht hat?"

Horner beurteilt die Situation weniger dramatisch. "Mark war einfach überrascht wie früh Heikki gebremst hat. Ich würde nicht sagen, dass es Heikkis oder Marks Fehler war, es war einfach der Geschwindigkeitsunterschied." Dem stimmt Marc Surer zu. Es sei ein typischer Rennunfall gewesen. "Die Autos, die nicht soviel Haftung haben, müssen früher bremsen und das hat offensichtlich den Mark Webber überrascht. Dass Kovalainen seine Linie verteidigt hat, war absolut korrekt. Er hat nichts Falsches gemacht, denn Webber war durch den Reifenwechsel hinter ihm und somit war es sein gutes Recht."

4. Warum wurde Hamilton bestraft?

Zu Beginn der Safety Car Phase verpasste das Safety Car den Führenden Sebastian Vettel und ging vor Lewis Hamilton, Fernando Alonso und Felipe Massa auf die Strecke, die direkt hintereinander lagen. Hamilton zog trotz gelber Flaggen nach der zweiten Safety-Car-Linie am Safety Car vorbei und überholte dieses damit unerlaubt. "Als ich die Helikopteraufnahme gesehen habe, habe ich mich gefragt: 'Wie kann er das machen?'", sagt Marc Surer. "Er ist bereits langsam gefahren, d.h. er war bereits im Safetycar-Rhythmus und ist dann relativ langsam an der weißen Linie vorbeigefahren."

Christian Danner hatte einen anderen Verdacht: "Ich glaube, er hat es mit Absicht gemacht, um die Ferrari los zu werden. Der Schuss ging nach hinten los." Hamilton spielte den Vorfall herunter. "Ich erinnere mich nicht daran, was da genau war", sagte er. "Wenn das Safety Car herauskommt, dann hört man dieses Piepsen in den Ohren. Man bekommt so viele Informationen gleichzeitig, es ist alles so konfus. Ich bog in Kurve eins und kam zur Safety-Car-Linie. Da war das Safety Car schon neben mir und ich dachte mir, ich wäre vorbei und fuhr weiter."

5. Warum war McLaren sauer?

Die Durchfahrtsstrafe für Hamilton kostete ihn nur Zeit, aber keine Platzierung, er blieb hinter Vettel Zweiter. Dennoch war Teamchef Martin Whitmarsh der Meinung, dass die Strafe fragwürdig gewesen sei. "Es hat ihn nicht den zweiten Platz gekostet, aber es hinderte ihn daran, Seb auf der Strecke anzugreifen", erklärte Whitmarsh.

Das sei das Ziel gewesen. "Lewis hatte in den letzten Runden eine starke Pace, die zeigt, dass er Seb hätte angreifen können, wenn er nicht die Drive-Through-Strafe bekommen hätte." Demnach sei die Strafe frustrierend gewesen für Hamilton, das Team und die Zuschauer, die es ein spannendes Finale gekostet habe. "Aber wir müssen das akzeptieren und weiter machen."

Lewis Hamilton überholte das Safety Car unerlaubt, Foto: Sutton
Lewis Hamilton überholte das Safety Car unerlaubt, Foto: Sutton

Christian Horner teilte diese Meinung nicht. Kurz nach Rennende sagte er in den Fernsehinterviews: "Ich weiß nicht, was sich das Team gedacht hat. Es war klar, dass er die anderen Fahrzeuge behindert hat und dann gab es die Strafe." Wenig später revidierte er seine Meinung etwas und meinte, dass McLaren etwas "unartig" gewesen sei, damit das Rennen aber nicht manipuliert hätte. Dennoch müsse sich die FIA die Safety-Car-Regeln zukünftig noch einmal ansehen.

6. Warum war Ferrari sauer?

Die schäumende Scuderia beruhigte das nicht. Noch am Sonntagabend lieferte sich der Ferrari-Pressesprecher ein lautstarkes Gespräch mit einem italienischen FIA-Mitarbeiter. Bereits kurz nach Rennende sprach das Team auf der Ferrari-Website von einem Skandal: "Die Art und Weise wie das Rennen und die Vorfälle behandelt wurden, rufen Bedenken hervor, dass die Formel 1 wieder einmal an Glaubwürdigkeit verliert." Sogar Piero Ferrari schaltete sich ein und äußerte den Verdacht der Wettbewerbsverzerrung.

"Jeder muss sofort gesehen haben, was er da gemacht hat. Und dann eine Strafe auszusprechen, die für ihn letztlich keine ist, ist noch weniger zu akzeptieren", schimpfte Felipe Massa. "Meiner Meinung nach haben die Sportkommissare heute ein paar böse Fehler gemacht." Er selbst sei in Kanada einmal disqualifiziert worden, als er eine rote Ampel überfuhr. "Und er [Hamilton] kommt mit so etwas davon, ohne einen Nachteil zu haben. Das kann nicht sein."

Auch Fernando Alonso brachte sein Missfallen zum Ausdruck. "So etwas habe ich noch nie gesehen. Wir waren einen Meter auseinander - er wurde Zweiter, ich Neunter", klagte er. "Es ist schade. Nicht für uns, denn das ist Motorsport, aber für die Fans, die hier ein manipuliertes Rennen sehen mussten." Er habe sich an das Reglement gehalten und sei Neunter geworden, Hamilton habe sich nicht daran gehalten und sei Zweiter geworden. Der Brite konterte: "Ich habe mich auf meinen Job konzentriert, vielleicht hätte Alonso das auch tun sollen. Ich denke, er hat einfach emotional überreagiert mit seinen Aussagen."

Besonders schlimm für Ferrari war, dass Alonso und Massa durch die Hamilton Aktion hinter dem Safety Car fest hingen und erst eine Runde später zum Reifenwechsel an die Box konnten. "Für uns war es ein Desaster, dass er dann noch Gas geben und schnell an die Box kommen konnte, während wir hinter dem langsamer fahrenden Safety Car hingen. Das war für uns das Ende", klagte Massa. Stefano Domenicali fordert deshalb eine Klarstellung seitens der FIA. "Er bekam nur eine Durchfahrtsstrafe, gleichzeitig haben andere Piloten im gleichen Rennen eine 20-Sekunden-Strafe erhalten. Das ist einfach nicht richtig", kritisierte Domenicali.

7. Warum war Mercedes sauer?

Michael Schumacher hatte auf das Podest gehofft, Foto: Sutton
Michael Schumacher hatte auf das Podest gehofft, Foto: Sutton

Als Michael Schumacher nach seinem Boxenstopp während der Safety-Car-Phase aus der Box fahren wollte, war die Boxengassenampel rot. Das ist normal, wenn das Feld mit dem Safety Car an der Box vorbeifährt. "Als das Safety Car mit Vettel und Hamilton vorbei war, wurde kurz grün geschaltet und dann hat sich jemand gedacht: Wir müssen wieder auf rot schalten - das ist unverständlich", beschwerte sich Schumacher.

"Dies geschah im Gegensatz zu unserem Verständnis der Regeln, wonach die Boxenausfahrt geöffnet bleibt, bis sich hinter dem Safety Car eine Reihe gebildet hat", bestätigte Norbert Haug. "Das war nicht der Fall, da es hinter Lewis Hamilton eine Lücke von mehr als 18 Sekunden gab, während Michael an der Box war." Das Team bat die FIA um eine Klarstellung.

8. War der frühe Schumacher-Stopp richtig?

Ross Brawn erklärt: "Da die führenden Fahrer noch nicht direkt hinter dem Safety Car fuhren, wurde Michael vorbei gewunken und erhielt so die Chance für seinen Boxenstopp. Unsere Berechnungen sagten, dass die weichere Reifenmischung bei ihm bis zum Ziel halten würde. Doch durch die rote Ampel an der Boxenausfahrt verlor er sehr viel Zeit."

Ohne die rote Ampel sah Schumacher eine Chance, auf das Treppchen zu fahren. "Klar, wir hätten auch draußen bleiben können, aber dann hätten wir später trotzdem noch mal rein kommen müssen." So wie Kamui Kobayashi, der wenige Runden vor Rennende von Platz 2 auf 9 zurückfiel. Marc Surer hält das trotzdem für die bessere Strategie. "Das hätte ich auch gemacht, denn Schumacher hatte die harten Reifen drauf."

Christian Danner bezeichnete die Mercedes-Taktik als Katastrophenstrategie. "Ich weiß nicht, ob Ross Brawn das entscheidet, aber der gesunde Menschenverstand war eindeutig schlauer." Der hätte gesagt: draußen bleiben. "Ich bin der Meinung: Bei allen Computerhilfsmitteln sollte der gesunde Menschenverstand regieren."

9. Was war mit Rosbergs Bremsen?

Bereits nach 20 Runden, inklusive einiger hinter dem Safety Car, bekam Nico Rosberg Funksprüche, dass der Bremsverschleiß kritisch sei und er die Bremsen schonen müsse. "Ich hatte Glück, dass ich überhaupt ins Ziel gekommen bin", sagte er. "Eigentlich hätte ich2 0 Runden vor Schluss an die Box fahren müssen. Ich bin nur noch herumgeeiert."

10. Was war bei Vettel beim Restart?

Sebastian Vettel gab nach der Safety-Car-Phase früh Gas, um Lewis Hamilton abzuhängen. Doch dann ein Quersteher in der letzten Kurve vor Start-/Ziel und ein Beinaheausrutscher. Was war passiert? "Beim Restart haben die Hinterreifen blockiert", erklärte Vettel. "Das lag daran, dass die Reifen viel kälter waren als erwartet. Ich hatte Glück, dass ich mir keinen Bremsplatten geholt habe."

11. Wovor hatte Hamilton Angst?

Vettel durfte erstmals seit Malaysia wieder jubeln, Foto: Bridgestone
Vettel durfte erstmals seit Malaysia wieder jubeln, Foto: Bridgestone

Lewis Hamilton war gerade dabei eine schnelle Runde nach der anderen in den Asphalt zu brennen, als er mitten auf der Ideallinie eine Bierflasche sah. "Ich dachte mir, was da alles passieren könnte", erzählte der McLaren-Pilot. "Wenn ich sie bei der Geschwindigkeit getroffen hätte, hätte ich mir meinen Frontflügel zerstören können oder meine Reifen und wäre gegen die Wand geknallt."

Allerdings ging dem Briten ein noch schlimmeres Szenario durch den Kopf. "Ich hätte die Flasche erwischen können und sie wäre in die Luft geflogen und hätte meinen Hintermann getroffen ähnlich wie im Vorjahr bei Massa. Das hätte fatal enden können", kritisierte Hamilton, dass nicht viel früher die Gefahr beseitigt wurde. Ein mutiger Streckenposten holte sie während des Rennbetriebs von der Bahn.

12. Wofür gab es die vielen Strafen?

Zehn Fahrer wurden nach dem Europa GP in Valencia nachträglich bestraft. Timo Glock erhielt eine 20-Sekundenzeitstrafe, weil er bei einer Überrundung im Zweikampf mit Bruno Senna die blauen Flaggen zu lange ignorierte. Zudem erhielten Jenson Button, Rubens Barrichello, Nico Hülkenberg, Robert Kubica, Vitaly Petrov, Adrian Sutil, Sebastien Buemi, Pedro de la Rosa und Vitantonio Liuzzi jeweils eine 5-Sekundenzeitstrafe, weil sie die vorgeschriebene Rückkehrzeit an die Box bei der Safety-Car-Phase unterschritten haben. Die einzigen beiden Auswirkungen der Strafen: Fernando Alonso verbessert sich von 9 auf 8, Nico Rosberg erhält als 10. den letzten Punkt von Pedro de la Rosa.