Es war die entscheidende Phase im durchaus unterhaltsamen Sonntagsrennen der DTM auf dem Lausitzring: In der 17. von 42 Runden fand sich der spätere Sieger Thomas Preining (Manthey-Porsche) plötzlich im Abt-Sandwich wieder: vor ihm Kelvin van der Linde, der soeben seinen Boxenstopp absolviert hatte und sich mit kalten Reifen verteidigte, dahinter Ricardo Feller, den der Manthey-Pilot kurz zuvor mit seinen eine Runde wärmeren Pirelli-Reifen überholt hatte.

Van der Linde wehrte sich bis zur 18. Runde, als sich Preining in Turn 8 auf der Innenseite am Audi-Piloten vorbeidrückte und ihn mit zwei Rädern ins Kiesbett schickte. Feller witterte ebenfalls seine Chance und drückte sich in Kurve 10 an seinem Abt-Teamkollegen vorbei - Kontakt inklusive. Die Berührung ging glimpflich aus, doch die Rennleitung bewertete den Vorfall eine ganze Weile später als inkorrektes Überholmanöver und ordnete einen Platztausch an. In Preinings Fall blieb es hingegen bei einer folgenlosen Verwarnung.

DTM Lausitzring 2024, Rennen 2: Highlights und Zusammenfassung (04:57 Min.)

Kelvin van der Linde: "Kein Grund, das jetzt aufzublasen"

Am Abt-Kommandostand dürfte der Puls kurzzeitig in die Höhe geschnellt sein, wenngleich Feller und van der Linde aus dem Kontakt keine große Sache machen wollten und unisono von einem "Missverständnis" sprachen.

"Es gibt keinen Grund, das jetzt aufzublasen", meinte van der Linde. "Es lag einfach an den unterschiedlichen Reifen. Ich war zu diesem Zeitpunkt noch auf Tommy (Preining) fixiert. Ich dachte, dass ich ihn mit einem angetäuschten Manöver in Turn 7 oder 8 vielleicht in einen Fehler treiben kann. Er ließ sich aber nicht beirren. Dann bekam ich einen kleinen Stoß von hinten, den ich nicht erwartet hatte. So läuft es im Rennsport."

Auch über das Duell mit Preining wollte sich der Südafrikaner, der die DTM-Meisterschaft nach dem vierten Saisonrennen anführt, nicht beschweren: "Für eine halbe Runde dachte ich, dass ich mithalten kann. Das Auto kam aber nicht so schnell auf Temperaturen wie erwartet. Es gab ein großes Reifen-Delta. Ich machte einen kleinen Fehler in Turn 7 auf kalten Reifen und konnte den Speed nicht in die Kurvenmitte mitnehmen. Das hat er (Preining) ausgenutzt. Dann kamen Ricci (Feller) und ich uns etwas nahe, aber am Ende war alles fein."

Ricardo Feller nach Friendly Fire: "War keine Absicht"

Feller ging als Verlierer aus dieser Situation hervor, schließlich hatte er nach dem Start von P2 zügig die Führung von Pole-Setter Preining übernommen. Durch den angeordneten Platztausch wurde der Schweizer auf die dritte Position zurückgeworfen. Zum Kontakt mit van der Linde sagte Feller bei ProSieben: "Es war nicht meine Absicht, ihm aufs Heck zu fahren. Solange keine böswillige Absicht dahintersteckt, ist alles okay. Am Ende ging es ja gut aus. Nachher gibt's zusammen ein Bierchen."

Natürlich habe er das Rennen gewinnen wollen, versicherte Feller noch. Mit dem Ablauf des angeordneten Platztausches war er nicht ganz glücklich: Nach dem Kontakt in Runde 18 meldete sich die Rennleitung erst in Runde 28 mit der entsprechenden Ansage. Zum tatsächlichen Positionswechsel sollte es dann erst in Runde 33 - also 15 Runden nach dem Vorfall - kommen, weil eine von Maximilian Paul und Luca Stolz ausgelöste Safety-Car-Phase dazwischenfunkte. Nach dem Re-Start machte Feller schließlich Platz und ließ van der Linde passieren.

Feller: "Wenn der Platztausch vor dem Safety Car passiert wäre, wäre es viel einfacher gewesen. Die sagten mir in Turn 7, als ich bei der gelben Flagge (wegen Paul und Stolz; d. Red.) ankam, dass ich jetzt die Positionen tauschen soll. Kelvin konnte aber nicht vorbeifahren. Wir konnten es nur danach machen, aber dann kam das Safety Car. Wir haben es beim Re-Start gemacht und dadurch viel Zeit verloren. Es wäre ein bisschen anders gelaufen, wenn wir vorher die Plätze getauscht hätten. Aber so ist es nun mal."

DTM-Spitzenreiter van der Linde: "Das war ein Schock"

Van der Linde führt die DTM-Tabelle nach seinem Samstagssieg und P2 im Sonntagsrennen mit 63 Punkten an. Dahinter folgen Preining (55 Punkte) und Feller (53 Punkte). Dass er trotz des Erfolgsballasts von 20 Kilogramm noch einmal aufs Podium fahren würde, damit hatte 'KVDL' nicht gerechnet: "Das war mein bestes Wochenende in der DTM! Es lief dramatisch anders im Vergleich zu Oschersleben. Ich hatte uns in den Top-5 erwartet, aber so konstant vorne zu sein, war ein Schock. Heute war die Performance auch überraschend, weil ich wegen der 20 Kilos einen harten Tag erwartet hatte. Nach den ersten Runden, als die Reifen auf Temperatur waren, konnte ich aber folgen."

Beim Saisonauftakt in Oschersleben vor drei Wochen fuhr van der Linde noch komplett hinterher, obwohl die Äbte seinen Audi mehrfach auf den Kopf gestellt hatten. Eine tiefe Analyse nach dem Wochenende ergab einen Haarriss im Chassis, der bei Audi Sport in Neuburg rechtzeitig für den Lausitzring repariert werden konnte. "Der erste Platz fühlt sich gut an", atmete van der Linde auf. "Tief im Herzen denkst du, dass du es verdient hast, um den Titel zu kämpfen. Aber kleine Dinge machen in der DTM einen großen Unterschied. Das bedeutet jetzt noch nichts, alles kann sich so schnell ändern."