Ab welchem Zeitpunkt ließ sich abschätzen, dass die ITR zum Jahresende aufgelöst wird?
Gerhard Berger: Als uns der ADAC im Zuge der Verhandlungen mitgeteilt hat, dass er sehr an der Marke interessiert ist, aber eine Betriebsübernahme der ITR ablehnt, weil man über eigenes Personal und eigene Strukturen verfügt.

Was hätte passieren müssen, um die DTM unter dem Banner der ITR fortzusetzen?
Gerhard Berger: Diese Lösung war mit dem ADAC somit ausgeschlossen. Bei anderen Interessenten war es genau umgekehrt. Im Sinne des deutschen Motorsports war der Verkauf an den ADAC aber insgesamt das beste Paket.

Warum gelang es nicht, ausreichend Partner und Sponsoren für die DTM ab 2023 zu finden? Wie viel Geld oder wie viel Prozent des benötigten Budgets hat ungefähr für die Weiterführung gefehlt?
Gerhard Berger: Grundsätzlich war jetzt der Zeitpunkt gekommen, die mittel- und langfristige Planung in den Fokus zu nehmen. Denn das Produkt an sich ist sehr gut aufgestellt. Ob 2023 über- oder unterfinanziert gewesen wäre, kann man jetzt nicht final sagen, da die Sponsorenakquise in der Regel bis zum neuen Saisonbeginn läuft. Was sich aber abgezeichnet hat, ist die Tatsache, dass Sponsoren in unseren Gesprächen nicht mehr bereit waren, eine reine Verbrenner-Plattform zu unterstützen. Nachhaltigkeit war ein klares Muss. Daher haben sie ihre Budgets auch an die DTM Electric geknüpft, was es nicht einfacher machte.

Ist es richtig, dass dir Hersteller bereits eine Zusage gegeben haben, dich in der DTM-Saison 2023 auch weiterhin finanziell zu unterstützen?
Gerhard Berger: Soweit waren wir noch nicht. Aber ich gehe davon aus, dass sie das gemacht hätten.

Du sagtest in Spielberg, dass Gespräche zwischen der ITR und dem ADAC schon vor drei Jahren sehr weit fortgeschritten waren. Warum kam es damals nicht zu einer Zusammenarbeit und wieso gab es erst jetzt eine Einigung?
Gerhard Berger: Schon damals wurde es durchaus für sinnvoll erachtet, allerdings war die Zeit noch nicht reif. Die handelnden Personen beim ADAC haben damals auch noch nicht die Notwendigkeit gesehen, eine Entscheidung zu treffen.

Warum hat es aus deiner Sicht so lange gedauert, sich mit dem ADAC zu einigen? Bei welchen Themen herrschte der größte Gesprächsbedarf?
Gerhard Berger: Inhaltlich waren wir uns relativ schnell einig. Grund für die Dauer waren die Freigabeprozesse beim ADAC.

Hat die ITR selbst den Kontakt zum ADAC gesucht oder wie kamen die Gespräche zusammen?
Gerhard Berger: Ich bin seit Jahren in regelmäßigem Austausch mit dem ADAC. Es gab hier und da gewisse Meinungsverschiedenheiten mit den handelnden Personen, aber ich hatte immer einen guten Kontakt - vor allem mit Gerd Ennser, den ich bei der Formel 1 immer wieder treffe. Mögliche Synergien und das entsprechende Potenzial waren immer schon ein Thema in unseren Gesprächen. Sie waren auch ein explizites Anliegen der Hersteller, Teams und Partner. Ein sehr konkreter Anstoß kam dieses Jahr außerdem über den Inhaber des ADAC-Sponsors BWT, der mitgeteilt hat, dass er auch gerne mit uns zusammenarbeiten würde. Er hat ebenfalls angeregt, sich dem Thema gemeinsam anzunehmen. Dies hat dazu geführt, dass wir mit Gerd Ennser und Thomas Voss in konkrete Gespräche gegangen sind, bei denen sich auch Mario Theissen als Teil der ADAC-Familie sehr positiv eingebracht hat.

Laut unseren Informationen wurde das Projekt DTM Electric schon zum Saisonbeginn 2022 auf Eis gelegt. Warum gelang es nicht, weitere Partner zu finden? Wie wichtig war dieses Projekt für die gesamte DTM-Plattform?
Gerhard Berger: Das Projekt lag nicht auf Eis. Unter den aktuellen Marktgegebenheiten konnte leider kein Investor für das Multi-Millionen-Projekt gefunden werden. Wir haben dieses wichtige Zukunftsprojekt seit dem Startschuss Ende 2020 mit allen Partnern und Dienstleistern sehr weit vorangetrieben. Neben unseren Partnern Schaeffler und Mahle hatten wir unter anderem auch eine Zusage von Varta, die als Batteriepartner infrage gekommen wären, uns dann aber kurzfristig eine Absage erteilt haben. Das hat das Projekt verlangsamt.

Hätten du oder die ITR rückblickend nach dem Ausstieg der Hersteller Ende 2020 anders handeln können, um die langfristige Zukunft der DTM unter dem Banner der ITR sichern zu können?
Gerhard Berger: Ich bin ehrlich gesagt überrascht, dass ich in all den Jahren das erste Mal so viele Fragen zur Rolle der ITR bekomme. Bis jetzt ging es immer nur um das Produkt und die DTM-Plattform und nie um die GmbH dahinter, die die Projekte abwickelt. Fakt ist: Wenn man eine zentrale Anlaufstelle und maximale Synergien schaffen möchte, braucht es eine Organisation und nicht mehrere. Dass Vorteile leider oft auch mit Nachteilen verbunden sind, ist in dem Fall der Tatsache geschuldet, dass der ADAC bereits seine eigene Struktur und sein eigenes Personal hat. Was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ITR betrifft, gibt es über mein Netzwerk und meine anderen Unternehmen möglicherweise Optionen für die Zukunft. Es ist auch nicht auszuschließen, dass sich eventuell Bedarfe im neuen Setup ergeben.

Viele Szene-Kenner kritisierten das Verhalten der ITR im Zuge der angekündigten Auflösung: keine proaktive Kommunikation an die Öffentlichkeit, keine Pressekonferenz, keine Hintergrundgespräche oder Ähnliches. Kannst du diese Kritik nachvollziehen und warum hat die ITR so gehandelt?
Gerhard Berger: Nein, das kann ich nicht nachvollziehen, denn als die finale Entscheidung gefallen war, haben wir proaktiv kommuniziert. Vorher wussten alle Parteien, dass wir uns im Dialog mit dem ADAC befinden. Hintergrundgespräche habe ich viele geführt, aber eine proaktive Kommunikation über ungelegte Eier halte ich nicht für sinnvoll. Die Pressekonferenz richtet der ADAC aus, da er die Zukunft der DTM gestaltet.

Wirst du der DTM in Zukunft in irgendeiner Form erhalten bleiben oder scheidest du mit der Auflösung der ITR komplett aus?
Gerhard Berger: Ich werde in Zukunft bei der DTM nicht involviert sein. Das entspricht auch meiner Lebensplanung und meinen persönlichen Zielen. Die Lösung mit dem ADAC ist auch persönlich sehr wertvoll für mich.

Bist du weiter daran interessiert, dauerhaft im Motorsport tätig zu sein?
Gerhard Berger: Ich bekomme immer wieder interessante Projekte angeboten, aber eine dauerhafte Stelle im Motorsport passt nicht zu meiner persönlichen Lebensplanung.