Im Zuge ihrer Auflösung betreibt die DTM-Dachorganisation ITR GmbH eine Krisen-Kommunikation im Stile einer Hobby-Meisterschaft. Faktisch bestand sie darin, die Handys auszuschalten, nicht auf Medien-Anfragen zu reagieren und auch die Öffentlichkeit über keinerlei Details zu informieren.

Und das bei einer Organisation, die 1986 gegründet worden ist und die mit der DTM eine der bekanntesten und traditionsreichsten Rennserien der Welt betreibt. Hört man sich in der Szene um, hagelt es brutale Kritik am Verhalten der ITR.

Teamvertreter, Partner, Sponsoren und langjährige Szene-Kenner ließen nach dem Paukenschlag am Mittwoch kaum ein gutes Haar an der ITR GmbH, die noch unter der Leitung des 1. Vorsitzenden Gerhard Berger und Geschäftsführer Benedikt Böhme steht. Berger war bei der internen Ankündigung am ITR-Sitz in München, dass allen Mitarbeitern gekündigt werde, selbst vor Ort.

Nur ein paar Beispiele der Kritik, ohne Namen der Zitatgeber zu nennen: "Menschlicher Totalausfall", "Das ist: Nach mir die Sintflut", "nicht stilvoll", "die Kommunikation mit den Beteiligten ist ein Desaster. Zum Vorgehen der ITR fehlen mir echt die Worte", "Ich sag's ja: Ein Haufen Ahnungsloser" oder auch: "Immerhin ist man einige Leute los, die den Laden auch kaputt gemacht haben."

Schon am frühen Dienstagabend und erst recht am Mittwochmorgen machten Gerüchte die Runde, dass bei der ITR 'etwas Großes' passieren soll. Das trat mit der angekündigten Auflösung des Unternehmens faktisch auch ein. Zahlreiche Medienvertreter und die Öffentlichkeit warten aber noch 24 Stunden nach dem ITR-Knall auf eine Stellungnahme. Keine Infos auf der offiziellen DTM-Webseite, keine Pressekonferenz, keine Hintergrundgespräche mit ausgewählten Medienvertretern. Nur dem Medienpartner der DTM wurde ein vorgefertigtes Statement von Berger zur Verfügung gestellt.

Erst am heutigen Donnerstagmittag teilte eine Partner-Medienagentur der ITR gegenüber Motorsport-Magazin.com mit, dass ein Statement (siehe Ende dieses Artikels) zur Auflösung auf Anfrage an nationale und internationale Medienvertreter verschickt worden sei. Auch eine proaktive Kommunikation an weitere Parteien, wie die Teams, sei seitens der ITR am Mittwoch erfolgt.

Der Medien-Hauptansprechpartner bei der ITR, Mediendirektor Jens Nagler, ist schon seit Monaten nicht mehr erreichbar, ohne dass die ITR zu diesem Fakt bis heute Stellung bezogen hat. Seine engagierte Kollegin Aline Proll, die wir am Dienstag dieser Woche von unserem Wissen über die möglichen Kündigungen in Kenntnis gesetzt haben, war gestern - offenbar von den ITR-Verantwortlichen angeordnet - weder telefonisch noch per Mail zu erreichen.

Für diejenigen, die für die Kommunikation bei der ITR zuständig waren, ist das eine äußerst unangenehme Situation, denn damit stehen sie nun in der Öffentlichkeit ohne eigenes Verschulden in einem schlechten Licht, wenn es nach der bevorstehenden ITR-Auflösung darum geht, einen neuen Job zu finden.

Motorsport-Magazin.com hatte der ITR am Mittwoch um 13:56 Uhr einen Fragenkatalog geschickt. Weder die Kommunikationsabteilung noch Geschäftsführer Böhme waren telefonisch erreichbar. Bei Anrufen aufs Handy meldete sich nur die Mailbox. Auf einen Rückruf warten wir noch immer.

Diese Fragen hatten wir der ITR GmbH noch vor der internen Verkündung gestellt, um Klarheit über die Abläufe und das weitere Vorgehen zu erhalten:

  • Aus unterschiedlichen Kreisen haben wir erfahren, dass am heutigen Mittwoch, 30.11. um 14:00 Uhr die Mitarbeiter der ITR GmbH über eine betriebsbedingte oder fristlose Kündigung informiert werden sollen. Ist das korrekt?
  • Wenn ja, zu welchem Datum?
  • Wie viele Mitarbeiter der ITR GmbH sind davon betroffen?
  • Was sind die genauen Gründe für diesen Schritt?
  • Gibt es die ITR GmbH ab 01.01.2023 überhaupt noch?
  • Wird die DTM als Rennserie wie ursprünglich geplant, auch 2023 an den Start gehen?
  • Was bedeutet diese Entscheidung für die Zukunft der DTM?
  • Wann wird die Öffentlichkeit über all diese möglichen Details informiert?

Die Nicht-Kommunikationspolitik der ITR GmbH fügt sich nahtlos an das Vorgehen der vergangenen Wochen an. Ausführliche Medien-Anfragen wurden nur schmallippig beantwortet und auch die Teams wurden komplett im Regen stehen gelassen.

Keines der vielen Teams, mit denen wir gesprochen haben, hatte etwa verbriefte Informationen über die Gespräche zwischen der ITR und dem ADAC, die erst spät von beiden Seiten offiziell bestätigt wurden. Eine seriöse Zukunftsplanung für Renn-Teams, die ihre Mitarbeiter bezahlen müssen, war nicht möglich und ist es auch drei Wochen vor Weihnachten nicht. Sie hoffen auf eine Entscheidung bis zum Ende dieser Woche durch den möglichen 'DTM-Retter' ADAC, wie Motorsport-Magazin.com bereits berichtet hatte.

Statement der ITR im Wortlaut zur Auflösung

Wir können bestätigen, dass die ITR GmbH mit ihren 17 Mitarbeitenden geordnet aufgelöst wird. Dazu Gerhard Berger: "Die Gespräche mit dem ADAC sind sehr konstruktiv, aber es gibt noch keine finale Entscheidung. Da wir aber in der unternehmerischen Verantwortung stehen, mussten wir jetzt Klarheit schaffen. Wir haben entschieden, dass die ITR die DTM 2023 nicht mehr ausschreiben wird. Vor dem Hintergrund der gegebenen Rahmenbedingungen und angesichts der zahlreichen Herausforderungen ist das wirtschaftliche Risiko für das nächste Jahr zu groß. Ich bedauere das persönlich sehr, denn das gesamte Team hat sehr hart am Erfolg der DTM gearbeitet. Aber: auch ohne die ITR kann es eine Zukunft für die Marke DTM beim ADAC geben. Daher sind wir auch weiterhin mit dem ADAC im Dialog."