Das bittere Ende der DTM-Organisation ITR GmbH, mehr als 36 Jahre nach der Gründung durch den jahrzehntelangen DTM-Chef Hans Werner Aufrecht, hat sich schon länger abgezeichnet.

Wenn man weiß, was Veranstaltungen, TV-Produktion, Rennstreckenmiete, Personal, Reisekosten, Vermarktung und viele weitere Details kosten, um als Promotor eine DTM auf die Beine zu stellen, kommt schnell eine zweistellige Millionensumme zusammen, die Motorsport-Magazin.com von mehreren involvierten Parteien auch bestätigt wurde. Als die Hersteller in der ITR noch das Sagen hatte, sollen es sogar 60 bis 70 Millionen Euro gewesen sein.

Solch eine hohe Vorleistung sollte bestenfalls durch entsprechend hohe Einnahmen hauptsächlich durch Zuschauer, Sponsoren, Rahmenrennserien und Partner wie Hersteller gedeckt sein, was sich in den beiden DTM-Saisons 2021 und 2022 ohne Hersteller und unter dem neuen GT3-Reglement als sehr schwierig erwies.

Schwierig deshalb, weil diese Rechnung durch die Corona-Pandemie und den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine samt Energiekrise nicht aufging. Auch die Entscheidung der ITR, in diesen Zeiten den umstrittenen Weg der DTM ins Ausland bzw. nach Südeuropa zu suchen, schlug angesichts von fast leeren Zuschauerrängen, vor allem in Monza und Imola (Italien) sowie Portimao (Portugal), mit Ansage fehl.

DTM-Zukunft stets auf wackligen Beinen

Nach den Ausstiegen von Audi und BMW zum Saisonende 2020 stand die Zukunft der DTM stets auf wackligem Podest. Mit der Schaffung eines GT3-Reglements gelang DTM-Boss Gerhard Berger kurzfristig eine Rettung, die sich zu einem vollen Starterfeld mit knapp 30 Autos und sechs unterschiedlichen Marken entwickelte. Kritische Stimmen zur Schaffung einer zweiten GT3-Plattform in Deutschland neben dem ADAC GT Masters anstelle einer gemeinsamen Lösung schwangen jedoch stets mit.

"Wir mussten zuerst ein Produkt aufstellen", sagte Berger Ende September am Rande des DTM-Events in Spielberg. "Wir haben es mit viel Fleiß, Glück und Unterstützung geschafft, ein gutes Produkt hinzubekommen. Wir haben aber Aufholbedarf bei der Verstärkung des Marketings und der Kommunikation. Wir sind nicht groß genug, um alles gleichzeitig zu machen. Wir müssen immer Baustelle für Baustelle abarbeiten."

Hier zeigten sich die mittelfristig ausbleibenden Hersteller-Gelder und deren Marketing-Power aus alten Zeiten - man sprach gerne von einem "Hersteller-Topf" - deutlich. Der frühere Formel-1- und DTM-Fahrer Ralf Schumacher sagte Motorsport-Magazin.com Mitte September: "Die Hersteller haben viel Geld investiert, um der DTM eine öffentliche Präsenz zu verleihen. Heute kämpfen Gerhard Berger und sein DTM-Team an allen Fronten, um die Serie finanziert zu bekommen. Dieses Jahr wird das bekanntermaßen noch aus dem Topf der alten DTM getragen. Aber für große Werbemaßnahmen wie zu früheren Zeiten fehlt das Geld."

Viele Hoffnungen beruhten auf DTM Electric

Auch das ehrgeizig angepeilte Projekt DTM Electric, das nicht ohne Grund von der ITR von 2023 auf 2024 verschoben worden war, stellte sich in den aktuellen Zeiten als kaum umsetzbar heraus. Die hohen Investitionen von angeblich bis zu 20 Millionen Euro, allein für die Entwicklung eines Prototypen, waren zumindest im Rahmen des DTM-Umfeldes nicht zu bewerkstelligen. Der Einsatz eines solchen Autos, dessen Entwicklungsprozess schon weit vorangeschritten sein soll, hätte laut Szene-Kennern für Teams mit 1,5 bis 2 Millionen Euro zu Buche geschlagen.

Nicht umsonst sprach DTM-Chef Gerhard Berger offen und ehrlich schon beim diesjährigen Saisonauftakt in Portimao Ende April von einem Groß-Investor, den es bräuchte, um seine Vision zu realisieren. 'Groß-Investor', das bedeutet in der Branche laut Marketing-Experten einen Betrag beginnend mit einer zweistelligen Millionensumme.

"Wir haben alle Themen in der Schublade, aber das kostet ein Schweinegeld", sagte Berger Ende September in Spielberg über die DTM Electric. "Und wir haben nicht das Geld, um solche Themen einfach mal mitzuziehen." Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com war geplant, zum Saisonfinale einen großen Batterie-Partner für das Projekt vorzustellen. Dazu kam es allerdings nicht.

Berger zuvor mit Blick auf den erhofften neuen Partner im Electric-Boot: "50 Prozent dieses Projekts sind dann auch finanziell gesichert. Aber 50 Prozent sind noch offen, und ich suche schon seit längerer Zeit einen strategischen Investor, der das Thema und damit indirekt die Plattform trägt. Wenn das nicht stattfindet, wird es in Zukunft schwierig, der Welt zu zeigen, dass wir um Nachhaltigkeit bemüht sind."

ITR zu DTM Electric: "Refinanzierung gestaltet sich schwierig"

Auf unsere Anfrage bestätigte die ITR noch vor einer Woche - wenige Tage vor der angekündigten Auflösung des Unternehmens - dass man mit der DTM Electric im Zeitplan liege, die Refinanzierung sich allerdings schwierig gestalte... Laut unbestätigten Aussagen von Szene-Kennern soll das ehrgeizige Projekt vor allem wegen hoher finanzieller Kosten schon zu Jahresbeginn 2022 auf Eis gelegt worden sein.

Jochen Schröder, Leiter des Unternehmensbereichs E-Mobilität von Schaeffler, sagte im Juli dieses Jahres zu Motorsport-Magazin.com: "Wir sind ebenfalls ein Investor in diesem Projekt. Wir haben aber von Anfang an gesagt, dass wir nicht der Einzige sein sollen, der ein solches Projekt trägt. Das wäre auch nicht richtig. Wir müssen starke Partner aus der Automobilindustrie gewinnen. Wir haben uns als erster Partner eindeutig bekannt, wollen aber weitere potente Partner an Bord haben, um ins Ziel zu kommen."

So sah der Prototyp für die DTM Electric aus, Foto: DTM
So sah der Prototyp für die DTM Electric aus, Foto: DTM

Berger: Waren vor drei Jahren schon weit mit ADAC

Jetzt ruhen die Hoffnungen vieler Motorsport-Fans auf dem ADAC als Retter für die drei weltbekannten Buchstaben. Zwischen einem medialen Kleinkrieg zwischen Berger und dem ADAC im Jahr 2020 - Stichwort-: "Hobby-Meisterschaft" - seien immer wieder Gespräche geführt worden. Ein "bisschen Hickhack" habe es rückblickend laut Berger gegeben, aber mit Gesprächspartnern auf Augenhöhe, von Hermann Tomczyk bis zu Dr. Gerd Ennser in ihren Funktionen als ADAC-Sportpräsident, habe er immer ein gutes Verhältnis gehabt.

Berger ließ im September, als die erst jetzt öffentlich bekanntgewordenen Gespräche mit dem ADAC hinter verschlossenen Türen längst im vollen Gange waren, durchblicken: "Wir tauschen uns grundsätzlich seit zwei, drei Jahren ein bisschen aus, wie Synergien aussehen könnten und was Vorteile wären. Wir waren auch mal sehr weit vor drei Jahren, haben es aus verschiedenen Gründen aber nicht durchgezogen. Dieser Dialog hat intensiv stattgefunden und läuft immer noch, aber die Lösung... über etwas zu sprechen, wo keine Lösung ist, ist mühsam."