Wie geht es mit der DTM in Zukunft weiter? Diese Frage stellen sich alle deutschen Motorsport-Fans nach der am Mittwoch, 30. November 2022 beschlossenen Auflösung der DTM-Dachorganisation ITR durch den 1. Vorsitzenden Gerhard Berger und der Kündigung aller Mitarbeiter zum Jahresende.
Das Aus der ITR muss keineswegs das Ende für die erstmals 1984 ausgetragene Rennserie DTM bedeuten. Fans, Teams und Partner hoffen nun, dass der ADAC das Ruder übernimmt und den Betrieb unter eigener Leitung weiterführt - im besten Fall unter dem Namen 'DTM', drei Buchstaben mit weltweiter Strahlkraft und mehr als 30 Jahren Historie.
DTM-Zukunft: Entscheidung diese Woche?
Wie sehr die DTM auf Interesse stößt, hat die abgelaufene Saison eindrucksvoll bewiesen. Knapp 30 GT3-Autos von sechs unterschiedlichen Marken gingen an den Start, dazu Superstars wie Sebastien Loeb als Gaststarter oder eine auch medial spannende Team-Kollaboration von Ferrari und Red Bull.
Zum Ende dieser Woche könnte sich die Zukunft der DTM bei einer Präsidiumssitzung des ADAC und einer anschließenden Zustimmung durch den Verwaltungsrat zum Positiven wenden. Es soll hoffnungsvoll aussehen, wie wir hören. Im schlimmsten Fall würde es wohl nie wieder eine DTM geben - und daran kann zum Wohle von Motorsport-Deutschland kaum jemand ein Interesse haben.
Eine der Kernfragen: Wie viel ist der Name 'DTM' heute noch wert? Experten sprechen von einer Summe zwischen drei und sechs Millionen Euro. Zu Hoch-Zeiten unter der Ägide der Hersteller und unter der Führung von Hans Werner Aufrecht, der die ITR mit einigen wenigen Mitstreitern 1986 gegründet hat, soll der Wert auch mal im zweistelligen Millionenbereich gelegen haben. Kommt es jetzt nicht zu einer erfolgreichen Übernahme, "hat Berger den Laden vor die Wand gefahren", wie es ein Szene-Kenner hart aber nachvollziehbar ausdrückt, der namentlich nicht genannt werden möchte.
Hoffnung auf eine starke deutsche Motorsport-Plattform
Den Motorsport-Fans hierzulande dürfte es ziemlich egal sein, ob die ITR, der ADAC alleine oder mit neuen Partnern die DTM 2023 promotet. Was sich die meisten aber wünschen: Eine starke Plattform für Motorsport-Deutschland, angefangen bei einem professionell aufgestellten Nachwuchsbereich bis hin zu einer GT3-Rennserie, die sich vornehmlich an Profi-Rennfahrer richtet.
Ein mögliches Gedankenmodell: Die DTM könnte 2023 unter gleichem Namen und mit einem Sprintrennen-Format fortgeführt werden. Startberechtigt wären vor allem Werksfahrer und talentierte Newcomer. Damit wären auch die noch laufenden Verträge mit TV-Partnern und Sponsoren erfüllt.
Mit einer weiteren GT3-Rennserie als Endurance-Format mit Fahrerwechseln - faktisch dem aktuellen ADAC GT Masters - im Rahmenprogramm oder abwechselnd auf der Plattform des 2021 geschaffenen 'ADAC Racing Weekend' (Plattform für den Automobil-Breitenmotorsport) könnte sich der ADAC unterdessen an Nachwuchstalente und ambitionierte Amateure bzw. Semi-Profis richten. Damit wäre das trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach wie vor große vorhandene Interesse von Teams und Fahrern gut abgedeckt.
Schafft der ADAC wieder eine deutsche Karriereleiter?
Eine derartige Karriereleiter, angefangen bei Rennserien wie sie der ADAC mit der ADAC Formel 4 oder der ADAC GT4 Germany bereits anbietet, wäre ein Traum vieler Motorsportler in Deutschland. Wenn sich gerade die in Deutschland stark nachlassenden Formel-Talente in einem attraktiven Umfeld unter dem Banner der DTM und unter Anleitung des ADAC präsentieren könnten, wäre dies ein starkes Zeichen an die Rennsport-Welt.
Denn es darf nicht vergessen werden: Einst bildete die DTM eine enorm starke Plattform mit Rahmenserien wie der F3 Euro Serie/Formel-3-Europameisterschaft und Markenpokalen wie dem Porsche Carrera Cup Deutschland, die für einige namhafte Fahrer das Sprungbrett bis hin in die Formel 1 waren oder es in internationale Rennserien mit Autos und einem Dach über dem Kopf, geschafft haben. In diesen Kategorien konnten sich Talente auf großer Bühne der Öffentlichkeit und den Herstellern präsentieren.
Heutige Formel-1-Stars wie Lewis Hamilton, Max Verstappen, Nico Hülkenberg oder der dreifache DTM-Meister Rene Rast begannen ihre Karrieren schließlich im Rahmenprogramm der DTM.
"Endlich Vernunft und nicht Egoismus walten zu lassen"
Die Idee einer Karriereleiter im deutschen Rennsport ging in den vergangenen Jahren allerdings immer mehr verloren. "Weil jeder nur sein eigenes Süppchen gekocht hat, statt mal über den Tellerrand zu blicken", sagt ein erfahrener Szene-Kenner, der aus politischen Gründen nicht genannt werden möchte, zu Motorsport-Magazin.com. "Es ist jetzt endlich an der Zeit, Vernunft und nicht Egoismus walten zu lassen!"
Dass zwei komplett eigenständige GT3-Rennserien in Deutschland auf Dauer funktionieren könnten, daran glaubten namhafte Insider schon seit der notgedrungenen Schaffung der GT3-DTM durch Berger mit Beginn der Saison 2021 nicht. Durch die Corona- und Wirtschaftskrise sowie den Wegfall der jahrelangen Finanzhilfe der Hersteller Audi, BMW und Mercedes-Benz stand die Zukunft der DTM stets auf wackligen Beinen.
Das Ergebnis zeigt sich jetzt mit der finanzbedingten Auflösung der ITR. Mehrere Millionen Euro sollen dem Vernehmen nach dem Unternehmen unter der Leitung von Geschäftsführer Benedikt Böhme und dem 1. Vorsitzenden Gerhard Berger gefehlt haben, um die komplette Saison 2023 seriös zu finanzieren. Motorsport-Deutschland hofft jetzt in erster Linie auf den ADAC als Retter einer Rennserie, an deren Historie und Bekanntheit nur wenige heranreichen.
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