"Zumindest konnte ich zeigen, dass ich das Rennfahren nicht verlernt habe und noch Rennen gewinnen kann." Für Marco Wittmann hat die zehnte und wohl schwierigste Saison seiner bisherigen DTM-Karriere einen versöhnlichen Abschluss gefunden. Der BMW-Werksfahrer meldete sich beim Finale auf dem Hockenheimring eindrucksvoll mit einem dritten Platz und anschließend einem Sieg im letzten Rennen des Jahres 2022 zurück.

Wittmann schloss die Saison als zweitbester BMW-Fahrer hinter Meister Sheldon van der Linde (Schubert-BMW) auf dem achten Rang der Meisterschaft ab. 98 Punkte sammelte der zweifache DTM-Champion in den 16 Rennen - 66 weniger als van der Linde (164), der dem Autobauer aus München den ersten Fahrer-Titel seit 2016 (Wittmann) bescherte. Ein Sieg, drei Podestplätze und elf Punktefahrten, so Wittmanns Bilanz.

Wittmann-Kritik: Zu sehr auf Lorbeeren ausgeruht

Eigentlich nicht schlecht, aber weit hinter den Ansprüchen des erfolgreichsten BMW-Piloten der vergangenen zehn Jahre - vor allem, weil Markenkollege van der Linde mit dem neuen BMW M4 GT3 bewiesen hat, wozu das Auto fähig ist, wenn alles zusammenkommt. Das war bei Wittmanns Team Walkenhorst Motorsport in der Saison 2022 - der zweiten des Rennstalls aus Melle in der DTM - allerdings häufiger nicht der Fall.

Sorgte die Walkenhorst-Mannschaft im vergangenen Jahr noch für eine kleine Sensation, als Wittmann mit dem 'Museums-Auto' BMW M6 GT3 bis zuletzt um die Meisterschaft kämpfen konnte, lief jetzt deutlich zu viel schief. Klare Worte von Wittmann: "Man hat sich vielleicht ein bisschen auf den Lorbeeren vom letzten Jahr ausgeruht und gehofft, dass es genauso weitergeht."

Worauf der erfahrene Wittmann die Schwierigkeiten zurückführt? "Es lag an vielen Faktoren. Zu Beginn der Saison taten wir uns generell ein bisschen schwer. Und wir waren das Team mit den wenigsten Test-Kilometern. Und das gerade mit dem M4, den man erst einmal verstehen und kennenlernen muss. Den M6 kannte Walkenhorst in- und auswendig und damit haben wir auch richtig gut performt."

DTM-Rivale Schubert Motorsport legte schon früh im Jahr den Grundstein für den Erfolg und schoss sich beim 24-Stunden-Rennen Dubai im Januar auf den brandneuen BMW M4 GT3 ein. Walkenhorst nutzte unterdessen die vier Dubai-Rennen der Asian Le Mans Series im Februar, um sich mit dem M6-Nachfolger vertraut zu machen. Während die Schubert-Truppe aber kontinuierlich einen Privat-Test nach dem anderen einlegte, ging es bei Walkenhorst vor und während der Saison deutlich ruhiger zu.

Sieg beim Hockenheim-Finale: Marco Wittmann, Foto: DTM
Sieg beim Hockenheim-Finale: Marco Wittmann, Foto: DTM

Schubert-BMW profitiert von Test-Vorsprung

Dass zwei der fünf bei BMW M Motorsport bestellten BMW M4 GT3 nicht wie geplant geliefert werden konnten und Walkenhorst seine DTM-Autos auch für Einsätze auf der Nürburgring-Nordschleife und beim 24h-Rennen Spa nutzen musste, half sicherlich nicht. Schubert hingegen setzte seine vier Fahrzeuge parallel in der DTM sowie im ADAC GT Masters ein. Und hatte nach Informationen von Motorsport-Magazin.com während der Lieferkrise einige Sätze mehr Michelin-Reifen zur Verfügung als Walkenhorst, um die in der DTM inzwischen unlimitierten Testmöglichkeiten voll auszunutzen.

Wittmann war überzeugt, dass er auf allen DTM-Strecken, auf denen durch Testfahrten keine deutlichen Unterschiede zwischen den Teams entstanden, performen konnte. Wie beim Saisonauftakt in Portimao, wo kurz zuvor alle Teams gemeinsam getestet hatten. Auf dem portugiesischen GP-Kurs erzielte Wittmann im Sonntagsrennen den vierten Platz, obwohl zwei Tage zuvor ein zunächst rätselhafter Unfall von Wittmann für Aufregung gesorgt hatte - und Team wie Hersteller bis heute zu den genauen Gründen schweigen.

Auch beim dritten Event in Imola, wo im Vorfeld kaum Testmöglichkeiten bestanden, war Wittmann konkurrenzfähig und erzielte im sechsten Saisonrennen seinen ersten Podiumserfolg. Oder bei seinem Heimrennen am Norisring, wo Testfahrten grundsätzlich nicht möglich sind. Auch auf dem Stadtkurs präsentierte sich Wittmann in den Qualifyings und Rennen stark und verpasste das Podest im Sonntagsrennen als Vierter knapp.

Wittmann: "Das hat uns rückblickend einiges gekostet"

Beim Finale in Hockenheim habe er von den Erkenntnissen beim offiziellen Vorsaison-Test und Setup-Änderungen, die mehr seinen Bedürfnissen entsprechen, profitiert. "Hier hatten wir einen Test, aber auf allen anderen Strecken hatten wir nicht so viele Testtage wie andere Teams. Das hat uns rückblickend einiges gekostet", sagte Wittmann, der am 24. November seinen 33. Geburtstag feiert und direkt von einem BMW-LMDh-Test aus den USA nach Hockenheim gereist war.

Deutlich schlechter lief es für Wittmann und Walkenhorst bei den weiteren Rennwochenenden auf dem Lausitzring (Ausfall, P10 - Doppelsieg von Sheldon van der Linde), am Nürburgring (P8, P10 - ein Sieg für van der Linde), in Spa (2x P9 - ein Podest für van der Linde) und auf dem Red Bull Ring (P14, P12), wo BMW mit Ausnahme von Philipp Eng kollektiv nach einer BoP-Änderung im Nirgendwo fuhr.

Erfolgreichster BMW-Pilot der letzten 10 Jahre: Marco Wittmann, Foto: DTM
Erfolgreichster BMW-Pilot der letzten 10 Jahre: Marco Wittmann, Foto: DTM

Muth-Abschied mit Fragezeichen

Während Wittmann zumindest bei einigen Gelegenheiten zu überzeugen wusste, lief bei Teamkollege Esteban Muth so gar nichts zusammen. In seinen elf Rennen im ihm unbekannten BMW waren ein 16. Platz im Qualifying (Portimao) und ein zwölfter Platz im Rennen (Lausitzring) seine besten Ergebnisse.

Der junge Belgier, der nicht zuletzt wegen einer äußerst vorteilhaften BoP-Einstufung 2021 im T3-Lamborghini einige Highlights setzen konnte, verließ Walkenhorst noch vor dem Saisonende - laut eigenen Angaben wegen einer angeblichen und nicht zu verschiebenden Operation an einem Ohr oder einer Hand, wie wir aus dem Team-Umfeld erfahren haben - auch das ist merkwürdig! Nachfolger Leon Köhler schlug sich bei seinem DTM-Debüt äußerst wacker in Spielberg und Hockenheim. Im letzten Rennen des Jahres sammelte der 23-Jährige als Achter sogar seine ersten Punkte.

Marco Wittmann startete 2022 für Walkenhorst-BMW, Foto: LAT Images
Marco Wittmann startete 2022 für Walkenhorst-BMW, Foto: LAT Images

Viele Baustellen bei Walkenhorst-BMW

Muths schwache Performance und die Personalwechsel neben Wittmanns Garage dürften der Harmonie innerhalb des Teams nicht zuträglich gewesen sein. Der erfahrene Teammanager Niclas Königbauer wirkte deutlich unentspannter als man ihn sonst kennt und schätzt. Dass er beim Spa-Wochenende fehlte und stattdessen den Einsatz des Teams bei einem NLS-Rennen an der Nordschleife begleitete, kam nicht überall gut an.

Dazu passte eine nicht immer optimale Kommunikation innerhalb der eigentlich gut sortierten Mannschaft, wie beispielsweise im Falle des 17-jährigen Gaststarters Theo Oeverhaus. Ihm wurden beim Doppelstart (DTM und DTM Trophy für Walkenhorst) auf dem Nürburgring nachweislich nicht alle Informationen aus dem Rennleiter-Briefing übermittelt, sodass er bei einem DTM-Restart unglücklich in die Bredouille geriet und damit mehr Wirbel auslöste, als es sonst höchstwahrscheinlich der Fall gewesen wäre.

Marco Wittmann mit Renningenieur Daniel Kohl, Foto: BMW M Motorsport
Marco Wittmann mit Renningenieur Daniel Kohl, Foto: BMW M Motorsport

Wittmann: "Wir haben es nicht auf die Reihe bekommen"

"Das war eine frustrierende Saison", blickte Wittmann zurück. "Am M4 und am Paket sieht man, dass es funktioniert. Das Auto hat Potenzial, aber das Gesamtpaket muss stimmen." Und weiter: "Wir haben es nicht auf die Reihe bekommen. Das ist natürlich enttäuschend. Wenn du letztes Jahr bis kurz vor Schluss mit einem alten Auto um den Titel kämpfst und dann so einen Absturz erlebst, ist das hart. Aber manchmal muss man durch solche Zeiten einfach durch..."

Keine Überraschung: Wittmann will 2023 wieder in der DTM angreifen und seine bereits elfte Saison in der Tourenwagenserie bestreiten. Sicher sind bislang nur zwei Einsätze im neuen LMDh-Prototypen von BMW bei den IMSA-Highlights in Daytona und Sebring im ersten Quartal des Jahres. Weitere Rennen (Watkins Glen, Road Atlanta) der US-Sportwagenmeisterschaft bilden abhängig von den Rennkalendern - die DTM-Termine stehen noch aus - eine Möglichkeit.

Neues Prestige-Projekt: Der BMW M Hybrid V8, Foto: BMW M Motorsport
Neues Prestige-Projekt: Der BMW M Hybrid V8, Foto: BMW M Motorsport

Wer startet 2023 für BMW in der DTM?

"BMW entscheidet, was ich fahren werde", sagte Wittmann. "Wer mich kennt, der weiß, dass der Wunsch wäre, weiter DTM zu fahren. Ich bin hier seit zehn Jahren, habe eine große Fan-Base, eigenes Merchandise und mit Schaeffler einen großen Partner, der hinter mir steht."

Laut BMW-Motorsportchef Andreas Roos stehen die Einsätze der Werksfahrer mit Ausnahme des IMSA-LMDh-Programmes noch nicht fest: "Die DTM ist eine wichtige Plattform für uns. Wir sind in Gesprächen, wie viele Fahrzeuge es sein werden. Man kann davon ausgehen, dass wir nächstes Jahr wieder am Start sind, hoffentlich mit dem einen oder anderen Werksfahrer." Neben Wittmann gelten der amtierende Champion Sheldon van der Linde und Neuzugang Rene Rast als aussichtsreichste Kandidaten.