Es hätte eine regelrechte Sensation werden können, stattdessen wurde es ein wahrgewordener Alptraum: Marco Wittmann (Schubert-BMW) erlebte beim DTM-Saisonauftakt in Oschersleben ein Hollywood-reifes Wechselbad der Gefühle. From Zero To Hero To Zero!
Der Neuzugang von Schubert-BMW sah beim Samstagsrennen in Folge einer aus der Not geborenen, geschickten und obendrein glücklichen Strategie wie der sichere Sieger aus, bis das Drama kurz vor dem Rennende seinen Lauf nahm. Wittmann wurde zu Beginn der drittletzten Runde immer langsamer und rollte schließlich mit leerem Tank aus.
Schubert erklärt Wittmann-Drama: Benzinkanne vergessen
Technisches Problem oder ein ärgerlicher Teamfehler beim großen Heimspiel von Schubert Motorsport? Wie es zu diesem Malheur kommen konnte, erklärte jetzt Teamchef Torsten Schubert im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.
"Weil die Autos lange im Parc Ferme standen, kam auch bei uns vor dem Start Hektik auf, zumal wir noch Setup-Änderungen vorgenommen haben", führte Schubert aus. "Dabei ist uns ein Fehler passiert, denn beim Auffüllen des Kraftstoffs ist eine Benzinkanne mit 20 Kilogramm Inhalt schlicht und ergreifend vergessen worden."
In Wittmanns BMW fehlten 28,5 Liter Sprit
20 Kilo entsprechen etwa 28,5 Liter Benzin, die im Tank von Wittmanns BMW M4 GT3 fehlten und ihn zur vorzeitigen Aufgabe zwangen. Hektisch ging es tatsächlich zu, nachdem das vorangegangene Qualifying wegen einer Verschiebung und einer roten Flagge erst gegen 11:30 statt wie geplant um 10:15 Uhr endete. Bis zum Rennstart um 13:30 Uhr blieb den Teams nur wenig Zeit, die Autos aus dem Parc Ferme zu holen und rennbereit zu machen.
"Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich bei der Fehlersuche insgeheim gehofft hatte, dass es sich um einen technischen Defekt und nicht um fehlenden Kraftstoff gehandelt hat. Für Marco tut es mir sehr leid", sagte Teamchef Schubert, der in Oschersleben rund 1.000 Gäste an die heimische Strecke eingeladen hatte und mit einer großen Hospitality für einen Hingucker im Fahrerlager sorgte.
Torsten Schubert: "Der Bengel war fix und fertig"
Von Schuldzuweisungen sah der erfahrene Schubert ab und auch Wittmann sparte es sich trotz des riesengroßen Frusts, mit dem Finger auf den oder die Verantwortlichen zu zeigen. Schubert: "Wir haben diesen Fakt am Samstagabend teamintern besprochen und machen niemandem einen Vorwurf. Der Bengel (das Teammitglied; d. Red.) ist trotzdem fix und fertig und hat wahrscheinlich genauso schlecht geschlafen wie ich."
So wurde es nichts mit dem sich anbahnenden Comeback des Jahres, nachdem Wittmann sein erstes Rennen im Schubert-BMW vom 19. und damit vorletzten Startplatz aufgenommen hatte. Das Team hatte sich aus dieser Bredouille heraus entschieden, den BMW-Werksfahrer mit einem frischen Pirelli-Reifensatz ins Rennen zu schicken und den ersten Stint bis zum Boxenstopp in Hoffnung auf ein Safety Car möglichst lange hinauszuzögern.
Wittmann profitiert von Glück und neuer DTM-Regel
Dieser Glücksfall aus Sicht von Wittmann trat tatsächlich ein, als Ben Dörr (Dörr-McLaren) plötzlich das linke Hinterrad verlor, das auf die Start/Ziel-Gerade kullerte und dort stehen blieb. Da Pflicht-Boxenstopps seit dieser Saison während einer Full-Course-Yellow- oder Safety-Car-Phase verboten sind, hatte Wittmann obendrein eine Portion Glück, wenige Sekunden vor dem Ausrufen der Neutralisation die Boxengasse angesteuert zu haben. Somit zählte der Pflicht-Reifenwechsel als absolviert.
"Das Rad hat Marco bei seiner Vorbeifahrt nur knapp verfehlt, weshalb uns klar war, dass Sven Stoppe (Renndirektor; d. Red.) reagieren würde", sagte Schubert. "Deshalb haben wir auch entschieden, ihn am Ende seiner Runde an die Box zu holen."
Wittmann-Stopp bringt P1 und kurzzeitig 15 Sekunden Vorsprung
Als der BMW-Pilot die Boxengasse mit seinem neuen Reifensatz verlassen hatte, betrug der Vorsprung auf den Pole-Setter und späteren Sieger Jack Aitken (Emil-Frey-Ferrari) 15 Sekunden. Zu dieser Zeit belegte Wittmann den zweiten Platz hinter Maximilian Paul (Paul-Lamborghini), der ebenfalls noch keinen Reifenwechsel absolviert hatte, es aber nicht rechtzeitig bis zur Full Course Yellow an die Box schaffte.
"Das Rad auf der Start-Ziel-Geraden musste schnellstmöglich beseitigt werden, da die Rennleitung nicht sicher sein konnte, dass alle Fahrer über die Gefahrenstelle informiert waren", hieß es aus der Rennleitung. "Außerdem hätte das Rad aufgrund von Fahrzeugen, die sehr dicht daran vorbeigefahren sind, jederzeit weiterrollen können. Dass zufällig Wittmann so nah an der Boxeneinfahrt war, dass er regelkonform einen Boxenstopp machen konnte, hat bei der Entscheidung keine Rolle gespielt. Wir konnten aus Sicherheitsgründen nicht länger warten."
Safety Car nach Full Course Yellow sorgt für Irritation
Wittmanns Wahnsinns-Vorsprung wurde wenig später durch ein Safety Car im direkten Anschluss an die FCY-Phase negiert. Jenes Safety Car, das den Fahrern die Gelegenheit geben sollte, ihre Reifen wieder aufzuwärmen, sorgte später für Irritation bei den Teams, denn dieser Ablauf war eigentlich so nicht vorgesehen. Der erfahrene Race Director Sven Stoppe bat noch am Abend zum Teammanager-Meeting und räumte den Fehler offen und ehrlich ein.
Nach dem Re-Start bei noch 15 verbleibenden Minuten gelang es Wittmann 11 Minuten lang, erfolgreich, vor Hintermann Aitken die Führung zu verteidigen. Auf dem Kurs, der nur wenige gute Überholmöglichkeiten bietet, lief alles auf einen völlig unerwarteten Sieg hinaus, bis Wittmann in der Schikane plötzlich immer langsamer wurde, ein Problem mit dem Benzindruck durchfunkte und schließlich auf Start/Ziel ausrollte.
Wittmann nach verpasstem Sieg: "Scheiß-Gefühl"
Der bittere Ausfall löste eine weitere Safety-Car-Phase sowie noch eine zu fahrende Runde aus, in der sich an der Spitze nichts mehr tat. Aitken feierte seinen zweiten DTM-Sieg vor Mirko Bortolotti (SSR-Lamborghini) und Ricardo Feller (Abt-Audi). "Ein Scheiß-Gefühl", lautete Wittmanns erste Reaktion, nachdem er seinen 19. DTM-Sieg sowie den ersten seit Oktober 2022 in Hockenheim verpasst hatte.
Seine Schubert-Teamkollegen Sheldon van der Linde und Rene Rast sammelten mit den Plätzen vier und sieben die ersten Meisterschaftszähler. Im Sonntagsrennen gelang dem Champions-Trio nach einem verpatzten Qualifying eine Aufholjagd bis in die Punkteränge: Van der Linde (Startplatz 14) wurde Sechster, Rast (Startplatz 16) dahinter Siebter und Wittmann ergatterte nach Start von P18 mit Platz zehn seine ersten Punkte. Schubert-BMW belegt in der Team-Tabelle den zweiten Platz hinter HRT-Mercedes.
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