Rene Rast, Kelvin van der Linde und Ricardo Feller: Audi-Kundenteam Abt Sportsline verfügt über das wohl stärkste Fahrer-Lineup in der DTM-Saison 2022. Beim vergangenen Rennwochenende in Imola setzte der Rennstall aus Kempten gleich zwei dicke Ausrufezeichen: Rast gewann das Samstagsrennen und feierte damit seinen ersten Sieg in der GT3-Ära der DTM, am Sonntag legte Feller mit seinem ersten Sieg in der deutschen Traditionsrennserie nach.

Für Experten waren höchstens die frühzeitigen Erfolge des dreifachen DTM-Meisters Rast und des amtierenden ADAC-GT-Masters-Champions Feller eine Überraschung. Überraschend ist eher, dass GT3-Experte van der Linde - 2021 bis zuletzt Titelanwärter - noch auf seinen ersten Saisonsieg bzw. Podestplatz wartet.

In der Gesamtwertung belegt Rast vor dem Rennwochenende auf dem Norisring (01.-03. Juli) den fünften Platz mit 49 Punkten, direkt gefolgt von Feller mit 44 Zählern. Van der Linde konnte als Gesamt-Zehnter bislang 30 Punkte sammeln. Alle drei Abt-Piloten können sich nach sechs von 16 Saisonrennen also weiter Chancen auf die Meisterschaft ausrechnen.

Haben Sie etwa ein Luxusproblem, Herr Biermaier, fragte Motorsport-Magazin.com den Abt-Teamchef am Freitag auf dem Norisring. Antwort: "Ich habe lieber ein Luxusproblem als nur ein heißes Eisen im Feuer. Momentan sehe ich das eher als Vorteil statt als einen Nachteil. Herausfordernd ist: Wenn einer gewinnt, sind zwei enttäuscht. Den Spirit haben sie und den sollen sie auch nicht verlieren."

Aber: Irgendwann dürfte der Zeitpunkt für die Äbte kommen, sich im Starterfeld der knapp 30 Autos auf einen Titelanwärter zu fokussieren. Die Vergangenheit in der DTM hat mehrfach gezeigt, dass ein offenes Teamduell bis zuletzt am Ende die Meisterschaft kosten kann. Davon kann auch Abt Sportsline ein Liedchen singen. Biermaier: "So eine Situation hatten wir 2020 schon mal. Als Team haben wir einen super Job gemacht und mehr Pokale gewonnen als je zuvor - nur den ganz großen nicht. Den haben Rene (Rast) und Rosberg mitgenommen, weil sie sich auf einen Fahrer konzentriert haben."

Die bevorstehenden Rennen auf dem Norisring könnten ein entscheidender Gradmesser sein bei der weiteren Team-Strategie - nach dem Wochenende steht eine achtwöchige Halbzeit-Pause in der DTM-Saison 2022 an, im Anschluss folgen noch vier Rennwochenenden mit insgesamt acht Rennen.

Doppelter Abt-Jubel bei der DTM in Imola, Foto: Abt Sportsline
Doppelter Abt-Jubel bei der DTM in Imola, Foto: Abt Sportsline

"Wenn du dich zu früh auf einen Fahrer konzentrierst und der dann zwei Nullrunden hat, bist du komplett weg", sagte der erfahrene Teamchef und Abt-CEO Biermaier. "Dann hast du gar kein heißes Eisen mehr im Feuer. Unser Ziel ist es schon, noch ein bis zwei Rennwochenenden drei heiße Eisen im Feuer zu haben. Dann muss man irgendwann definitiv schauen, dass man sich auf einen Fahrer priorisiert. Wir schauen jetzt, was am Norisring passiert. Dann haben wir einige Wochen Zeit, um zu gucken, wo wir stehen."

Biermaier wusste genau, wovon er spricht: Rast und van der Linde blieben in drei der bisherigen sechs Rennen ohne Punkte, Feller schaffte es zweimal nicht in die Top-10. Dabei kann das Punkte-Hamstern den Ausschlag geben, wie etwa der aktuelle Meisterschaftsführende Sheldon van der Linde beweist: Der Schubert-BMW-Fahrer punktete - wie nur noch zwei weitere Piloten - in allen Rennen und holte am Lausitzring mit einem Doppelsieg zudem die 'Big Points'.

DTM 2022: Ergebnisse der Abt-Fahrer

RennenRene RastRicardo FellerKelvin van der Linde
Portimao 1AusfallP6P4
Portimao 2P12P9P6
Lausitzring 1P8AusfallAusfall
Lausitzring 2P3P7P20
Imola 1P12AusfallP5
Imola 2AusfallP1P13

Gleichzeitig verwies Biermaier auf die nicht selten unglücklichen Umstände 'seiner Fahrer': In Imola fiel Feller am Samstag wegen eines Reifenschadens aus, am Sonntag erwischte es Rast mit dem gleichen Problem. Für Feller war es nach dem Vorfall am Lausitzring bereits der zweite Plattfuß, der den Schweizer um mögliche Punkte brachte. Und van der Linde sah am Samstag in der Lausitz wegen eines technischen Problems ebenfalls nicht die Zielflagge.

"Das gehört zum Motorsport dazu", sagte Biermaier mit Blick auf die Reifenschäden. "Leider hat es uns schon ein paar Mal erwischt. Aber rein aus der Performance heraus hatten wir keine Nullrunden. Du musst einfach konstant punkten. Auch mit dem Zusatzgewicht, wenn du mal nur sechs oder acht Punkte mitnehmen kannst. Das ist mitentscheidend." Diese Bürde trägt Feller im Samstagsrennen auf dem Norisring mit sich herum: Durch seinen Imola-Sieg muss er 25 Kilogramm zuladen.