Eine Woche nach dem denkwürdigen DTM-Finale auf dem Nürnberger Norisring fragen sich viele Beteiligte, wie es nun weitergeht - auch bei Red Bull und Ferrari-Werksteam AF Corse.
Red-Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko betonte im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com, dass es noch keine Entscheidung gibt. "Jetzt ist es noch zu früh, schon über 2022 zu spekulieren. Fakt ist, das Projekt war zunächst für ein Jahr (2021; d. Red.) geplant", sagte der Österreicher. "Wir haben vereinbart, nach der jetzt abgelaufenen Saison eine Analyse zu erstellen und danach erst über eine mögliche weitere Zusammenarbeit zu sprechen."
Marko steht zu seiner Kritik
Dabei dürften die aus Sicht vieler Fans unerfreulichen Geschehnisse rund um das von Red Bull unterstützte Ferrari-Werksteam AF Corse kaum geholfen haben, wie man den kritischen Äußerungen von Dr. Marko entnehmen kann.
"Ich stehe auch heute noch zu meiner Kritik am unsportlichen Verhalten von Kelvin van der Linde und Mercedes-AMG beim DTM-Finale auf dem Norisring", sagte der 78-Jährige. Allerdings sei nicht alles richtig, was geschrieben wurde, betonte Dr. Marko mit Bezug auf die Rennleitung. Vielmehr war ihm Kelvin van der Linde ein Dorn im Auge.
"Die Aussage von Kelvin van der Linde, Liam Lawson müsse als Tabellenführer defensiver agieren, ist völliger Quatsch. Vielmehr sollte er sich fragen, ob er überhaupt qualifiziert ist, an solch einer hochkarätigen Meisterschaft teilnehmen zu dürfen!"
Marko über van der Linde: Hirnlos und äußerst unsportlich
All das, was Lawson nach dem spektakulären Sonntagrennen gesagt hätte, sei richtig, meinte Dr. Marko weiter. "Kelvin van der Linde ist ihm in Hockenheim ins Heck gefahren und er hat ihn jetzt auch am Norisring aus dem Weg räumen wollen. Das war nicht nur völlig hirnlos, sondern auch ein äußerst unsportliches Verhalten."
Noch deutlicher formulierte es AF-Corse-Teamchef Ron Reichert bei Sat.1: "Was auf der Strecke passiert ist, hat Jeder gesehen. Das ist einfach eine Schande für den Sport, den wir betreiben." Das gesamte Rennen sei nicht gut für die DTM gewesen. "Wir hätten das fair und sauber zusammen ausfahren können und der Beste hätte gewonnen. Das war leider nicht der Fall."
AF Corse musste sich nach dem Verlust des sichergeglaubten Fahrer-Titels mit dem Gewinn der Team-Meisterschaft beim DTM-Debüt begnügen. Seinen Anteil daran neben Lawson hatte Teamkollege Alex Albon, der die Saison als Sechster abschloss, obwohl er das Finale wegen einer Überschneidung mit dem Türkei GP verpasste. 2022 kehrt Albon in die Formel 1 zurück und startet erstmals für Williams.
Marko über van der Linde: Hätte zu Rennsperre führen können
In Folge der vorentscheidenden Kollision zwischen Kelvin van der Linde im Abt-Audi mit dem AF-Corse-Ferrari von Liam Lawson wurde auch über die von der Rennleitung ausgesprochene Fünf-Sekunden-Zeitstrafe des Abt-Piloten diskutiert, die nach Meinung von Dr. Marko viel zu wenig gewesen sei: "Wenn es in der DTM wie in der Formel 1 ein Strafpunktesystem geben würde, hätte diese Aktion auch zu einer Rennsperre führen können."
Zu allem Übel kam noch ein weiteres und nicht nur aus Sicht von Ferrari und Red Bull unschönes Szenario hinzu, nämlich die zu erwartende und zuvor mit allen involvierten Mercedes-AMG-Teams vereinbarte Order, den besten Sternfahrer beim DTM-Titelkampf zu unterstützen.
"Auch das auffällige Verhalten der Teams von Mercedes-AMG hat mir nicht gefallen. Das war am Ende der Saison ebenfalls eine sehr unrühmliche Vorgehensweise", fand Dr. Marko auch diese Tatsache alles andere als sportlich fair. Denn nur durch diese, seiner Ansicht nach sehr fragwürdige Strategie sicherte sich Maximilian Götz den DTM-Titel - mit nur drei Punkten Vorsprung vor Lawson (230:227 Punkte).
Berger über Norisring-Finale: Das hatten wir nicht erwartet
Genauso viele waren es auch 1987, als dem belgischen BMW-Piloten Eric van der Poele ein zehnter Platz im Finalrennen auf dem Salzburgring zum Titelgewinn reichte. Schon vor 34 Jahren rauchten an den Kommandoständen der werksunterstützten BMW- und Ford-Teams die Köpfe, denn neben van der Poele und Manuel Reuter (Ford) war auch noch BMW-Fahrer Marc Hessel (vier Zähler zurück) in den dramatischen Titel-Dreikampf involviert. Der Clou im damaligen Finale: Bei dem Chaos in der letzten Runde blickten selbst die Strategen beim Umsetzen der Teamorder nicht mehr durch!
Insofern überrascht die jüngste Aussage von DTM-Chef Gerhard Berger auf der DTM-Webseite, dass das, was beim Saisonfinale am Norisring passiert ist, so nicht erwartet wurde. "Wir sind uns bewusst, dass die Geschehnisse extrem enttäuschend für alle Fans waren, denn Fairness sollte im Sport immer an erster Stelle stehen. Aber nun möchte ich nach vorne schauen: Ich kann allen DTM-Fans versichern, dass wir alle unsere Möglichkeiten ausschöpfen werden, das Reglement 2022 so zu verbessern, dass fairer Wettbewerb im Vordergrund steht."
Lawson 2022 nicht mehr in der DTM
Das haben sich in der Vergangenheit vor Berger schon nachweislich viele andere Entscheidungsträger gewünscht - und sind bis hin zu Verantwortlichen in der Formel 1 kläglich gescheitert...
Einer, der sich damit in der DTM nicht mehr beschäftigen muss, ist Liam Lawson. Der Neuseeländer hätte sich um ein Haar bei seinem DTM-Debüt mit erst 19 Jahren zum jüngsten Champion der mehr als 30-jährigen DTM-Geschichte gekrönt - nun folgt der nächste wichtige Schritt auf dem Weg in die "Königsklasse" des Formelsports.
"Liam Lawson wird 2022 ausschließlich in der Formel-2-Meisterschaft fahren sowie einige Formel-1-Tests bestreiten", bestätigte Dr. Marko und hoffte, "dass sich die Gemüter in der DTM schnell wieder beruhigen". Das könnte durchaus ein Fingerzeig für ein weiteres Engagement von Red Bull und AF Corse in der Traditionsserie sein.
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