Herstellersport mit technisch hochentwickelten Silhouetten-Prototypen bildete über Jahre hinweg das Alleinstellungsmerkmal der DTM. Nach den Ausstiegen von Audi und BMW setzt die geschichtsträchtige Serie ab 2021 auf Privatteams und GT-Regeln auf der Basis von GT3-Rennwagen.
Nicht wenige Beobachter der Szene fragen sich vor der Veröffentlichung des GT-Pro-Reglements: Was unterschiedet die DTM künftig von anderen bestehenden GT3-Serien wie dem ADAC GT Masters in Deutschland oder den internationalen GT3-Plattformen von SRO-Chef Stephane Ratel?
Dr. Florian Kamelger, der 2019 mit dem Schweizer Rennstall R-Motorsport und Aston Martin Vantage in der DTM an den Start ging, sagte zu Motorsport-Magazin.com: "Die DTM verliert als zweite GT3-Rennserie neben der nächstjähren Internationalen Deutschen GT-Meisterschaft des ADAC leider ihr Alleinstellungsmerkmal. Nach dem Rückzug der Hersteller bleibt abzuwarten, ob die DTM als reiner Profisport auf dem geplanten hohen Niveau für Privatteams ohne signifikante Unterstützung der Werke finanzierbar ist."
Nach dem einjährigen Engagement in der DTM zusammen mit Technikpartner HWA hatte R-Motorsport geplant, 2020 mit Aston Martin Vantage unter anderem im ADAC GT Masters anzutreten. Vor dem ersten Rennen verkündete das Team, in Folge der Corona-Pandemie die Motorsport-Aktivitäten in diesem Jahr ruhen zu lassen. Das ADAC GT Masters hat seinen Rennkalender 2021 mit sieben Veranstaltungen bereits veröffentlicht und erhält vom DMSB das Prädikat 'Internationale Deutsche GT-Meisterschaft'.
Mit Kamelgers Aussagen bei einer Medienrunde konfrontiert, versicherte Gerhard Berger, dass das Alleinstellungsmerkmal der DTM ganz klar und eindeutig sei. "Wir sind eine Serie, die vom Sprint-Format lebt, der ADAC ist ein Langstreckenformat mit Fahrertausch und allem, was dazu gehört."
Die Rennen im ADAC GT Masters dauern wie in der DTM rund eine Stunde, auf der ADAC-Plattform teilen sich jedoch immer zwei Fahrer ein Auto. In der DTM sollen zudem nur Fahrer antreten, die über eine A- oder B-Lizenz der FIA verfügen, während im ADAC GT Masters auch Piloten mit einer C-Lizenz des Weltverbandes startberechtigt sind.
Unterschiede bei den Rennwagen dürften sich stark in Grenzen halten. Das noch nicht öffentlich einsehbare GT-Pro-Reglement nähert sich den meisten anderen GT3-Rennserien - Stichwort: rollender Start - immer mehr an. Berger vor wenigen Wochen: "Man muss schauen, ob man vielleicht ein bisschen Gewicht rausnehmen und mit dem Air-Restriktor ein bisschen nach oben gehen kann für ein bisschen mehr Leistung. Wir wollen die Autos vielleicht noch ein bisschen schneller, schärfer und interessanter machen. Das wird sehr im Rahmen bleiben."
Einen Gruß schickte der frühere Formel-1-Fahrer an Kamelger nach dessen Aussagen: "Die DTM ist im GT/Tourenwagenbereich die Serie, die fahrerisch oder sportlich die anstrengendste und schwierigste ist, auch technisch. Niemand kann das besser sagen als Kamelger, der mal versucht hat, da vorne mitzufahren und irgendwann gemerkt hat, dass das gar nicht so einfach ist."
Was die DTM in Deutschland klar von vielen anderen GT3-Plattformen unterscheidet, sind die mediale Reichweite sowie die über 30-jährige Historie der Serie. Aus diesem Grund soll der Serienname auch unter dem neuen Reglement und unter Bergers alleiniger Führung mit der ITR erhalten bleiben.
Berger: "Vielleicht ist unser Alleinstellungsmerkmal, dass wir an den Wochenenden zwischen 1,2 und 1,5 Millionen TV-Zuschauer haben und 30.000 bis 40.000 an der Strecke an guten Renntagen. Und, dass die DTM die in Europa bekannteste und aus Reichweite gesehen interessanteste Meisterschaft ist."
Die von Berger angesprochenen 1,2 bis 1,5 Millionen Zuschauer ergeben sich aus einem Schnitt von rund 600.000 Zuschauern pro DTM-Rennen bei TV-Partner Sat.1. Die Samstagsrennen verfolgen durchschnittlich bis zu 500.000 Zuschauer, am Sonntag schalten rund 700.000 Fans ein. Dreimal knackte Sat.1 in dieser Saison die 8-Prozent-Hürde bei den Marktanteilen in der Gruppe der 14-49-jährigen Zuseher. Insgesamt liegt das Niveau auf dem der beiden Vorjahre mit Privatsender Sat.1.
Zahlen, an die das ADAC GT Masters beim zuletzt rückläufigen Spartensender Sport1 nicht heranreicht. In dieser Saison lag der Spitzenwert bei rund 250.000 Zuschauern. Auch wegen vieler Überschneidungen mit Rennen der Formel 1, MotoGP und DTM sind die Serienverantwortlichen nicht allzu glücklich mit den Zahlen in diesem Jahr. Während das ADAC GT Masters allerdings den Senderschnitt bei Sport1 hebt, liegen die DTM-Übertragungen bei Sat.1 unter dem Senderdurchschnitt.
Sat.1 hat zugesichert, die DTM-Rennen auch 2021 mit dem neuen Reglement zu zeigen - ein ganz elementarer Baustein für Zukunft der Serie und ein gutes Lockmittel für interessierte Teams und Sponsoren. Berger soll in Gesprächen mit Herstellern zugesichert haben, dass mindestens je vier Rennwagen von Audi, BMW, Mercedes-AMG, Aston Martin und Ferrari an den Start gehen werden. Das hat Motorsport-Magazin.com aus Herstellerkreisen erfahren.
Eine Rückkehr von R-Motorsport in die DTM ist nicht komplett ausgeschlossen, gilt aber als unwahrscheinlich. Kamelger dazu: "Die Plattform DTM ist wichtig und erhaltenswert, wir von R-Motorsport sind gespannt zu sehen, ob und wie das Konzept der ITR aufgeht."
Stattdessen sollen andere Privatteams mit Aston Martin Vantage GT3 in den Startlöchern stehen. Ein Unternehmenssprecher zu Motorsport-Magazin.com: "Wie bei allen großen GT-basierten Serien beobachten wir die Entwicklungen mit dem notwendigen Interesse. Dies ist natürlich auch bei den neu strukturierten DTM-Regeln der Fall. Es ist eindeutig eine Serie, für die das Vantage GT3-Auto ein Kandidat wäre."
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