"Leck mich am Arsch!" So kommentierte Rene Rast seinen ersten Saisonsieg beim Sonntagsrennen der DTM in Zandvoort. Was der amtierende Champion am Teamfunk offen aussprach, dürften sich wohl viele bei Audi gedacht haben. Der allererste Sieg der Ingolstädter nach einer bisher katastrophalen Saison 2018 kam praktisch aus dem Nichts.

Es war der dritte Podestplatz überhaupt für Audi im laufenden Jahr, die sich mit dem neuen Aero-Paket unheimlich schwer tun. Während Mercedes von Sieg zu Sieg eilt, schauten die sechs Audi-Piloten zumeist in die Röhre. Dann kam Rast und sorgte für ein wenig mehr Hoffnung, nachdem die Stimmung im Lager der Ingolstädter bereits gekippt war.

Ausgerechnet Rast. Ausgerechnet Zandvoort. Es brauchte wohl ein denkwürdiges Datum für den ersten Audi-Sieg - Rast nannte es einen Befreiungsschlag - im Jahr 2018. Vor ziemlich genau zwei Jahren hatte der amtierende Meister in den Niederlanden völlig überraschend sein Debüt in der DTM gegeben. Adrien Tambay hatte sich damals verletzt, Rast saß zuhause auf einer Grill-Party, als der entscheidende Anruf kam.

Der Rest ist Geschichte. Als Rookie sicherte sich Rast in der darauffolgenden Saison die Meisterschaft in der Tourenwagenserie. "Vor zwei Jahren saß ich zuhause auf dem Sofa, als ich einen Anruf bekam, ob ich für Adrien Tambay einspringen kann", erinnerte sich Rast auf dem Podium von Zandvoort. "So bin ich zu meinem DTM-Debüt gekommen. Jetzt stehe ich als Meister und heutiger Sieger hier."

Rasts letzter Sieg in der DTM datiert auf den September 2017, als er in Österreich auf dem Weg zum Titelgewinn triumphierte. In dieser Saison lief für Rast und Co. hingegen nur wenig zusammen. In fünf der bisherigen zehn Rennen ging der 31-Jährige komplett leer aus. Sein Rückstand auf DTM-Spitzenreiter Gary Paffett beträgt fast uneinholbare 99 Punkte.

Rast: Extrem lange Durststrecke

"Das war eine extrem lange Durststrecke, die letzten Wochen waren hart. Jetzt ganz oben zu stehen, ist ein Befreiungsschlag", atmeten Rast und Audi nach dem überraschenden Sieg am Sonntag kollektiv auf. Die Titelverteidigung in allen drei Wertungen hatte Audi-Motorsportchef Dieter Gass schon am Norisring abgeschrieben. Doch Rast dürfte der angeschlagenen Truppe zumindest etwas Mut verliehen haben.

Dabei war sein Sieg auf dem Dünenkurs kein Spaziergang. Mit einer gewagten Strategie - ohne Risiko geht es eben nicht bei Audi - überrumpelte er die Mercedes-Konkurrenz und den Zweitplatzierten Paffett. Von Startplatz drei bog Rast schon nach der ersten Runde in die Boxengasse ab, um seinen Pflicht-Boxenstopp zu absolvieren.

Große Freude bei Rast und Teamchef Arno Zensen, Foto: LAT Images
Große Freude bei Rast und Teamchef Arno Zensen, Foto: LAT Images

Ohne Glück geht es nicht

Später kam etwas Glück dazu, als der Führende Paffett bei seinem Reifenwechsel einige Sekunden verlor und bei der Ausfahrt aus der Boxengasse mitansehen musste, wie Rast die Führung übernahm - und sie trotz angeschlagener Reifen bis zum Überqueren der Ziellinie nicht mehr abgab.

Ein spätes Safety Car sorgte noch einmal für unerwünschte Spannung bei Rast. Ausgerechnet Rosberg-Teamkollege Jamie Green hatte durch seinen Unfall mit Bruno Spengler für die Neutralisationsphase gesorgt. "Ausgerechnet Jamie!", sagte Teamchef Arno Zensen. "Da wäre ich beinahe gestorben. Aber jetzt bin ich sehr glücklich."

Böse Gedanken ans Safety Car

Ein Safety Car hatte Rast schon am Samstag eiskalt erwischt. Im krassen Gegensatz zum Sonntag war er bis zuletzt mit seinem ersten Reifensatz auf der Strecke geblieben. Die mutige Strategie - Stichwort: Risiko - wäre vermutlich sogar aufgegangen und hätte zu Punkten geführt, hätte ihm nicht die Safety-Car-Phase im Schlussspurt alles zunichte gemacht.

"Nach dem Safety Car waren die letzten 15 Minuten echt hart", sagte Rast am Sonntag. "Die Uhr wollte einfach nicht ablaufen. Das war eines meiner härtesten Rennen." Seine Reifen hielten durch und dabei hatte Rast fast schon Glück, Titelfavorit Paffett im Heck zu haben: "Ich wusste, dass Gary nicht so viel riskieren kann und keine verrückten Sachen macht. Das war gut für mich."

Aus eigener Kraft und ohne Risiko dürfte es auch in Zukunft schwierig für Audi bleiben, um Siege und Podestplätze zu kämpfen. Rasts kleine Sensation in Zandvoort war aber zumindest ein dringend benötigter Boost für die angeschlagene Moral im Lager der Ingolstädter.