GEWINNER: #51 Ferrari 499P
Wer ein Rennen gewinnt, hat eindeutig vieles richtig gemacht. So auch der #51 Ferrari 499P mit Antonio Giovinazzi, Alessandro Pier Guidi und James Calado. Nur dieses Trio wurde Ferraris haushoch überlegener Favoritenrolle beim Heimspiel in Imola gerecht. Von der Pole Position war der zweite WEC-Sieg der #51 Crew - der erste seit Le Mans 2023 - zu keinem Zeitpunkt gefährdet.
Schlussfahrer Pier Guidi hatte beim Zieleinlauf nach 212 Runden fast 9 Sekunden Vorsprung auf den Zweitplatzierten BMW - es hätte locker noch mehr sein können, waren sich Experten einig. "Die haben absichtlich Tempo rausgenommen, um eine bessere BoP zu bekommen", sagte uns ein sehr prominenter Fahrer hinter vorgehaltener Hand. Im Ferrari-Lager klang das freilich anders: "Wir mussten hart pushen, um vor dem BMW zu bleiben."
Der größte Gegner des #51 Ferrari war ein möglicher Regenschauer, den Ferrari und viele andere Teams eineinhalb Stunden vor dem Rennende erwartet hatten. Aber die #51 war so schnell und fehlerfrei, dass sie sich mittels Soft-Reifen-Strategie gut wappnen konnte gegen den Regen, der sich nur als leichter und kurzer Niesel entpuppen sollte. "Wir wollten längere Stints fahren, um vorne zu bleiben und die Reifen zu schonen, falls es regnet", sagte Ferrari-Ingenieur Giuliano Salvi. "Bei der #51 haben wir diesen Plan durchgezogen."
GEWINNER: #20 BMW M Hybrid V8
Aufatmen bei BMW und Motorsportchef Andreas Roos, der am Oster-Sonntag seinen 49. Geburtstag feierte und mit einem Podestplatz 'beschenkt' wurde: Endlich haben die Münchner das erste Langstrecken-Podium der Saison 2025 im Sack. Die bisherigen Leistungen in der WEC und IMSA waren stark, aber es fehlte ein Top-Ergebnis. Dafür sorgte in Imola ausgerechnet die #20 Crew mit Rene Rast, Sheldon van der Linde und Robin Frijns - ihr erstes Podium in der WEC nach einer schwierigen Vorsaison.
Spektakulär war die Art und Weise, wie Rast und Co. der Erfolg gelang - vom 13. Startplatz! Vieles deutete auf ein schwieriges Rennen hin, nachdem sich der dreifache DTM-Champion nach einer Toyota-Kollision die Heckpartie ordentlich demoliert hatte. Der Reparaturstopp ging der BMW-Mannschaft allerdings schnell von der Hand, und was dann folgte, war nicht weniger als eine strategische Meisterleistung von P9 aus.
Beim vorletzten Tank-Stopp bekam der #20 BMW nur einen kleinen Schluck Sprit, was Schlussfahrer van der Linde zwischenzeitlich an die Spitze spülte und ihm freie Fahrt ohne Verkehr bescherte. So konnte der BMW seinen Speed optimal ausspielen und nach dem letzten, längeren Boxenstopp die zweite Position halten.
"Zwei Stunden vor Schluss haben wir uns entschieden, früher zu stoppen, um dadurch in Clean Air zu fahren", sagte Rast zu Motorsport-Magazin.com. "Das war das entscheidende Manöver. Damit konnten wir eine schnelle Runde nach der anderen fahren und quasi einen Undercut gegen die anderen machen, die später gestoppt haben." Der Schwester-BMW um den schnellen Star-Neuzugang Kevin Magnussen musste sich nach einem aussichtsreichen Start von P3 - einmal mehr überzeugte Dries Vanthoor im Qualifying - mit dem sechsten Platz begnügen.
GEWINNER: #36 Alpine A424
Zweites WEC-Podium für Mick Schumacher und der erste Alpine-Erfolg für seine neuen Teamkollegen Jules Gounon sowie Fred Makowiecki: Der Crew des in Katar (P13) glücklosen #36 Alpine A424 gelang mit Platz drei ein Top-Resultat. Wie schnell die französischen LMDh-Prototypen in Imola waren, zeigte Schumacher schon am Samstag mit seiner Qualifying-Bestleistung in der WEC: Startplatz sechs, während das #35 Schwesterauto P8 belegte.
Bei der Strategie war Alpine ebenso hellwach: Jules Gounon erhielt schon früh in seinem Stint einen Satz Soft-Reifen und kämpfte bei eigentlich noch zu hohen Asphalttemperaturen tapfer. Dadurch hatte Teamkollege Schumacher für den späteren Schlussstint bei kühleren Temperaturen einen Satz frischer Michelin-Softs zu Verfügung, um nach vorne zu schnellen. Ebenso half die Entscheidung, auf zwei kürzere Tankstopps statt eines langen zu setzen, um die Track Position zu priorisieren.
"Die Strategie hat eine große Rolle gespielt, speziell die letzten zwei, drei Stints waren extrem stark", bestätigte Schumacher. "Nach den Runden im Qualifying und in den Trainings kannten wir das Auto relativ gut. Dann hieß es, eine Qualifying-Runde nach der anderen. Das war anspruchsvoll, hat aber auf jeden Fall Spaß gemacht." In Imola nutzte der #36 Alpine ein neues Chassis, was offenbar nicht geschadet hat - die Hintergründe zum Chassis-Tausch bei Alpine lest ihr in diesem Artikel:
VERLIERER: #50 & #83 Ferrari 499P
Zwar gewann Ferrari sein Heimspiel, aus dem von vielen Seiten erwarteten Dreifach-Sieg wie zuletzt in Katar wurde aber nichts. Der zweite Werks-Ferrari mit der Startnummer #50 machte sich das Leben schon im Qualifying schwer, als Quali-Spezialist Antonio Fuoco zunächst keine saubere Runde zusammenbrachte und ihm später wegen Track Limits auch noch die schnellste Zeit gestrichen wurde - letzter Startplatz bzw. P18!
Dank der BoP-Power kämpfte sich die #50 zwischenzeitlich bis auf Platz drei nach vorne, geriet aber mit einem Toyota aneinander, der ebenfalls auf eine Offset-Strategie gesetzt hatte. Fuoco erlitt dabei einen Reifenschaden, was jegliche Risiko-Strategie mit langen Stints (121 Runden mit einem Reifensatz links) und versuchten Vierfach-Stints zunichte machte. Nur P15 für die Katar- und amtierenden Le-Mans-Sieger Fuoco, Miguel Molina und Nicklas Nielsen.
Der von Platz zwei gestartete #83 Privat-Ferrari von AF Corse fuhr lange Zeit mit dem #51 Werks-Auto im Paarflug an der Spitze, bis die Ingenieure in realistischer Erwartung eines Regenschauers mit Soft-Reifen covern wollten. Die Medium-Mischung wäre zu diesem Zeitpunkt die performantere Wahl gewesen, der Soft hingegen besser bei einsetzendem Regen dank schnellerem Warm-Up. Der Schauer blieb überraschenderweise aus, wodurch sich die #83 im Verkehr mit den Softs schwerer tat als der #51 Ferrari, der durchweg in Clean Air fuhr.
"Ab 17:30 Uhr war der Himmel komplett düster und wir haben für dieses Szenario die sichere Option gewählt", hieß es von Ferraris Strategie-Abteilung. "Das hat bei der #83 aber nicht so gut funktioniert. Wenn du kämpfen musst, überhitzen die Soft-Reifen sehr schnell, und das ist auch passiert."
VERLIERER: Porsche
Porsche, 2024 noch überlegener Weltmeister in der Fahrer-Wertung, kommt noch nicht in Fahrt. Der Saisonauftakt in Katar war schon eine wortwörtlich schwierige Angelegenheit - jetzt in Imola brachte die Balance of Performance auch keine Besserung der Verhältnisse. Die beiden Werks-Porsche 963 lieferten eine größtenteils saubere Leistung ab und versuchten es bei der #6 (Estre/Vanthoor/Campbell) mit einer hoffnungsvollen Offset-Strategie, am Ende fehlte aber die nötige Power.
Kevin Estre, Laurens Vanthoor und Matt Campbell mussten sich mit dem achten Platz begnügen, während das Schwesterauto (Christensen/Andlauer/Jaminet) mit P11 leer ausging. Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach kritisierte die BoP-Einstufung so sehr das mit dem Regel-Maulkorb - öffentliche Kritik ist verboten - nur möglich ist: "Die Unterschiede in der Performance der verschiedenen Hypercars gibt uns zu denken."
GEWINNER & VERLIERER: Valentino Rossi
Gewinner oder Verlierer? Im Falle von Valentino Rossi lässt sich das nicht so recht einordnen. Einerseits ein Gewinner, weil der Motorrad-Superstar und seine #46 BMW-Crew den zweiten Platz in der LMGT3-Klasse erzielten - Rossis dritter Podesterfolg in der WEC und sein zweiter beim Heimspiel in Imola.
Andererseits ein Verlierer, weil Signore Rossi den Klassensieg ganz klar wegwarf: Der Italiener ging beim Kampf um die Führung gegen einen AF-Corse-Ferrari übermotiviert zu Werke und schickte seinen Kontrahenten ins Aus. "Leider habe ich einen Fehler gemacht und beim Überholversuch den Ferrari vor mir getroffen. Die folgende Strafe hat uns den Sieg gekostet. Das tut mir leid", machte sich Rossi gerade.
Die Stop-And-Go-Strafe warf ihn und seine Teamkollegen Kelvin van der Linde sowie Ahmad Al Harthy von der ersten bis auf die neunte Position zurück. Nur einer heldenhaften Aufholjagd von BMW-Neuzugang van der Linde war es zu verdanken, dass der #46 BMW M4 GT3 Evo hinter dem siegreichen Manthey-Porsche P2 belegte - mit 0,316 Sekunden Rückstand.
GEWINNER & VERLIERER: Zuschauer
Auf der einen Seite erlebten die Fans in Imola ein Rennen, bei dem der Kampf ums Podium bis zum letzten Moment offen war. Andererseits hatten selbst eingefleischte Fahrerlager-Experten kein klares Bild vom Verlauf - zu unterschiedlich waren die Boxenstopp- und Reifen-Strategien zahlreicher Teams. War das zu viel Taktikschlacht in einem Rennen mit wenigen Überholmöglichkeiten auf der Strecke?
Ohne einen zweiten oder sogar dritten Bildschirm mit zusätzlichen Daten war es für die Zuseher kaum möglich, zu verstehen, was tatsächlich auf der Strecke vor sich ging. Short-Fueling, Triple-Stints, Undercuts und diverse Offset-Strategien die Boxengasse rauf und runter - allen rauchte später der Kopf. Da die WEC nicht gerade mit öffentlich verfügbaren Daten um sich wirft, taten sich auch erfahrene Medienvertreter schwer.
Ob man gerade in Italien ein Rennen auf das Oster-Wochenende legen muss, ist ebenso fragwürdig. Immerhin 65.500 der enthusiastischen Tifosi reisten nach Imola statt ans Meer, um Valentino Rossi oder Ferrari anzufeuern.
In Deutschland dürfte sich die Begeisterung stärker in Grenzen gehalten haben: Das Rennen lief erneut nicht im Free-TV, nur Sport1 bot einen Livestream für Insider an. Schade, dass viele Sport-Fans hierzulande von den Podesterfolgen von BMW und Mick Schumacher und Porsches LMGT3-Klassensieg nur wenig mitbekamen - oder lieber Formel 1 schauten statt den genau parallel laufenden Zieleinlauf der WEC...
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