Es war ein fast schon salomonischer Ausgang der WEC-Saison 2024: Ferrari gewann die 24 Stunden von Le Mans, Porsche mit Andre Lotterer/Kevin Estre/Laurens Vanthoor die Fahrer-WM und Toyota errang im letzten Moment die Hersteller-Weltmeisterschaft. Dabei wären die Japaner beinahe zum ersten Mal nach fünf aufeinanderfolgenden, doppelten WM-Titelgewinnen leer ausgegangen. Sebastien Buemi wendete das Blatt in der Schlussphase des 8-Stunden-Rennens von Bahrain mit einer heroischen Meisterleistung.

Der Schweizer prügelte seinen #8 Toyota GR010 Hybrid (Buemi, Hartley, Hirakawa) in den letzten 45 der 235 Rennrunden regelrecht vom zehnten bis auf den ersten Platz nach vorne. Buemi machte auf seinem Sturm an die Spitze keine Gefangenen, überholte einen Konkurrenten nach dem anderen und setzte in Runde 214 das entscheidende Manöver gegen den bis dato Führenden Matt Campell im #5 Porsche (Campbell, Christensen, Makowiecki).

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Buemi, sonst eher als Heißsporn bekannt, ließ sich nicht einmal aus der Ruhe bringen, als er den ersten Platz wegen seiner zu ruppigen Vorgehensweise kurzzeitig an Campbell zurückgeben musste. Der vierfache Le-Mans-Sieger machte eine Runde später kurzen Prozess mit dem Porsche, der in der letzten Runde P2 an den #51 Ferrari (Pier Guidi, Giovinazzi, Calado) verlor; wegen einer nachträglichen Strafe für die Italiener schlussendlich aber als Zweiter gewertet wurde.

Das Ergebnis von Buemis Aufholjagd, seinem laut eigenen Worten vielleicht besten Rennen: Beim Zieleinlauf nach 8 Stunden hatte der Toyota-Pilot einen gigantischen Vorsprung von annähernd 30 Sekunden. Der Aufwand lohnte sich mit dem Gewinn der Hersteller-WM für Toyota, die mit 10 Punkten Rückstand auf Porsche nach Bahrain gereist waren. Und wussten: Im Falle eines Sieges geht der Pokal automatisch nach Japan.

Brendon Hartley: "Wir wollten Porsche die Party verderben"

"Wir wollten Porsche die Party verderben und mussten echt dafür kämpften", sagte Buemis Teamkollege und Ex-Porsche-Fahrer (2014-2017) Brendon Hartley, der den #8 Toyota zur Pole Position geführt hatte. Am Ende setzten sich die Japaner knapp mit 190 zu 188 Punkten gegen Porsche durch.

Die Zuffenhausener freuten sich zwar über den ersten WM-Titel seit 2017 und den ersten seit dem Comeback im Vorjahr, doch der verlorene Hersteller-Triumph tat angesichts einer ansonsten fast perfekten Langstrecken-Saison doch etwas weh. "Es schmerzt uns, dass wir die Herstellermeisterschaft knapp verpasst haben", räumte Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach ein. "Wer so nahe am Gewinn auch dieses Titels ist, möchte es am Ende auch schaffen."

Toyota-Achterbahn in Bahrain: Debakel nach Doppel-Pole

Lange Zeit standen die Chancen in Bahrain gut, dass Porsche ohne größeres Zutun beide Titel abräumen würde. Aus der Toyota-Doppelpole entwickelte sich ein zwischenzeitliches Debakel, als Buemi nach einer Startkollision mit einer GT3-Corvette (Buemi: "Der Amateur hat sich selbst ausgebremst") auf Platz sieben zurückfiel und das zur Halbzeit auf P2 fahrende Schwesterauto (Conway, Kobayashi, De Vries) wegen der defekten Benzinpumpe einen seltenen Ausfall erlebte.

Toyotas wahnsinnige Bahrain-Serie - neun Siege aus zwölf Rennen seit 2012 und seit 2017 unbesiegt - drohte zu reißen. Der Polesetter-GR010 Hybrid hatte sich beim Start als eines von nur drei Autos für Medium-Reifen entschieden, während der Rest der Hypercars auf die Hard-Mischungen von Michelin setzte. Der Plan wäre wohl aufgegangen, wenn Buemi wie beabsichtigt an der Spitze in 'Clean Air' davongefahren wäre. Nach dem Corvette-Crash mussten die Strategen die Renntaktik ändern, auch, weil sich Buemi 20 Runden lang hinter Rene Rasts BMW die Reifen kaputtfuhr.

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Riesen-Jubel bei Buemi und Toyota in Bahrain, Foto: DPPI/WEC

Buemi bog schon nach der 58. Runde in die Boxengasse ab, um Hartley das Steuer zu überreichen. Der Neuseeländer kehrte auf gebrauchten Medium-Reifen aus dem vorangegangenen Qualifying auf die Strecke zurück und tat sich schwer. Ebenso Teamkollege Ryo Hirakawa, der ebenfalls mit älteren Reifen kaum nach vorne kam. Nach dem ersten Safety Car (Runde 169) verzichtete Toyota auf einen Reifenwechsel, was den Japaner auf den vierten Platz nach vorne brachte.

Hirakawa konnte mit den 'alten Schlappen' aber kaum mithalten und wurde links und rechts überholt. Als er in Runde 180 zum letzten Fahrerwechsel an Buemi übergab, lag der #8 Toyota mit reichlich Rückstand auf den Führenden #51 Ferrari an zehnter Stelle. Ein weiteres Safety Car (Runde 184) machte zumindest den zeitlichen Abstand wett und Buemi profitierte vor allem von seinen frischen Medium-Reifen, die seine Teamkollegen während ihrer Stints für den Schlussfahrer eingespart hatten.

Sebastien Buemi: "Ich dachte, dass die Sache gegessen sei"

"Als unser Auto auf P10 war und wir nach den Boxenstopps ans Ende des Hypercar-Feldes zurückfielen, dachte ich, dass die Sache gegessen sei", sagte Buemi. "Aber meine Teamkollegen haben einen guten Job auf den alten Reifen gemacht. Dadurch hatte ich am Ende einen Reifen-Vorteil. Aber ich musste was riskieren. Beim Überholmanöver gegen den Porsche dachte ich: 'Nicht schlecht.' Ich musste ihn noch mal vorbeilassen, habe aber direkt zurückgeschlagen."

Es brauchte einen Typen wie Buemi im Toyota, um im allerletzten Moment Porsche den WM-Titel vor der Nase wegzuschnappen. Der frühere Formel-1-Fahrer und Formel-E-Champion legte genau die richtige Aggressivität an den Tag, um bei seinen letzten beiden Stints die Reifen maximal auszunutzen. "Seb war am Ende der Star", meinte Hartley anerkennend.