Wie könnte man sich schöner verabschieden als mit dem WM-Titel im Gepäck? Andre Lotterer hat in seinem letzten WEC-Rennen für Porsche zusammen mit Kevin Estre und Laurens Vanthoor die Fahrer-Weltmeisterschaft gewonnen und den Zuffenhausenern den ersten WM-Titel nach dem Comeback beschert.
Beim nervenaufreibenden Saisonfinale in Bahrain reichte dem Trio im #6 Porsche 963 der elfte Platz beim Zieleinlauf, um rechnerisch in der Tabelle nicht mehr einholbar zu sein. In Folge einer nachträglichen Strafe für den Zweitplatzierten Ferrari rückten Lotterer und Co. auf P10 nach vorne und punkteten somit in jedem der acht Saisonrennen.
Für Lotterer war es der zweite Titelgewinn in der Langstrecken-WM nach 2012, damals noch als Audi-Werksfahrer. Mit drei Gesamtsiegen in Le Mans zählt der 42-Jährige ohnehin zu den absoluten Größen im Prototypensport, nun folgte mit der Fahrer-Krone ein weiteres Highlight in seiner langen Rennsport-Vita.
Andre Lotterer 2025 nicht mehr für Porsche in der WEC
2025 zählt Lotterer trotz des Titelgewinns nicht mehr zum Porsche-Kader. Die Zuffenhausener hatten ihr Aufgebot kurz vor dem Saisonfinale bekanntgegeben und Lotterer fiel durchs Raster, nachdem Porsche entschieden hat, in den meisten WEC-Rennen nur zwei Fahrer pro Auto einzusetzen. Nächstes Jahr teilen sich lediglich Estre und Vanthoor den #6 Boliden, bei längeren Rennen wie den 24 Stunden von Le Mans werden sie durch Matt Campbell unterstützt.
Szenebeobachter hatten nicht den Eindruck, dass Lotterer sein Cockpit freiwillig geräumt hat. Trotz seines für einen Profi-Fahrer gehobenen Alters hatte der gebürtige Duisburger während der Saison nie den Eindruck vermittelt, seinen Helm an den Nagel hängen zu wollen.
Auch nicht nach dem Saisonfinale in Bahrain, als Lotterer sagte: "Es wäre schön gewesen, weiterzumachen. Ich denke, wir haben ein tolles Ding am Laufen. Aber manchmal läuft es so im Leben. Nichts ist für die Ewigkeit, und es werden neue Herausforderungen kommen. Aber es mit einem solch tollen Moment zu beenden, ist etwas, das uns niemand nehmen kann."
Lotterer: Einer der loyalsten Porsche-Werksfahrer
Lotterer zählte stets zu den loyalsten Porsche-Fahrern, nachdem er 2017 von Audi innerhalb des VW-Konzerns gewechselt war. Mit Porsche wollte er an seine Le-Mans-Triumphe anknüpfen, doch das LMP1-Projekt wurde nach der Saison 2017 zugunsten des Formel-E-Einstieges eingestellt. Lotterer blieb den Zuffenhausenern treu und bereitete das Werksengagement in der Elektro-Weltmeisterschaft mit vor. Das Projekt trug schließlich Früchte, als Pascal Wehrlein dieses Jahr den WM-Titel gewann und Porsche nun zwei amtierende FIA-Weltmeister aus Deutschland in seinen Reihen begrüßt.
Wie es für Lotterer nach dem Porsche-Aus in der WEC weitergeht, ist unklar. Während sich Porsche offiziell von Frederic Makowiecki und Dane Cameron getrennt hat, wurde bei Lotterer lediglich der Abschied aus dem Langstrecken-Aufgebot kommuniziert. Der Sportwagenhersteller war in der Vergangenheit bekannt dafür, verdiente Rennfahrer in anderer Form weiter zu beschäftigen. Prominente Beispiele sind die früheren Le-Mans-Sieger Timo Bernhard (Porsche-Markenbotschafter) und Marc Lieb (Leiter der Sportkommunikation von Porsche).
"2017 standen wir davor, in Le Mans zu gewinnen, aber der Motor ging zwei Stunden vor dem Ende hoch", erinnerte sich Lotterer. "Danach wurde das Programm eingestellt. Ich hatte nicht wirklich die Gelegenheit, dort Erfolg zu haben. In der Formel E waren wir nah dran, es hat aber nicht gereicht. Wenn du für Porsche fährst, willst du gewinnen. Dann so eine Saison wie diese hier zu erleben, ist komplett zufriedenstellend."
Lotterer, Estre, Vanthoor: Das Dream-Team der WEC
Lotterer, Estre und Vanthoor galten in der WEC als Dream-Team und machten sich sogar einen Spaß daraus, als ein Fan sie öffentlich verunglimpfte: "Estre hat seinen Zenit überschritten. Lotterer ist 80 Jahre alt. Dazu der zweitbeste Vanthoor." Ein Spruch, der schlecht alterte, als das Trio mit dem Sieg beim Saisonauftakt in Katar den Grundstein für den späteren Titelgewinn legte...
Fan-Liebling Estre nach dem Triumph in Bahrain: "Wir haben alle einen tollen Job gemacht. Laurens hatte immer mega Starts und uns oft nach vorne gebracht. Andre hat die Reifen geschont, hatte keine Kontakte und war immer zur Stelle. Und für den Extra-Push am Ende war ich dann zuständig. Die Arbeit mit Andre war mir eine Ehre. Ich bewundere seine Karriere, wie er den Motorsport behandelt und das Fahren genießt. Laurens kenne ich schon lange und ich liebe es, mit ihm zu fahren - abgesehen von den letzten 90 Minuten heute!"
Was Estre meinte: Schlussfahrer Vanthoor kassierte in den letzten 20 der 235 Runden gleich zwei 5-Sekunden-Strafen; einmal wegen eines Überholmanövers abseits der Strecke gegen seinen jüngeren Bruder und BMW-Fahrer Dries, und eine weitere für eine Kollision mit Charles Milesis Alpine. Die Vorfälle warfen den #6 Porsche, der zwei Stunden vor Schluss plötzlich den zweiten Platz belegt hatte, bis auf P11 zurück.
Das Ende verlief für das Porsche-Trio ähnlich schlecht, wie das Rennen begonnen hatte. Startfahrer Vanthoor fiel von P5 nach zwei frühen Kollisionen mit dem #35 Alpine und dem #50 Ferrari zeitweise bis auf den 15. Platz zurück. Ein potenzielles Debakel, weil die WM-Rivalen im #7 Toyota immer weiter nach vorne stürmten. Erst als Nyck de Vries wegen eines Problems an der Benzinpumpe ausfiel und mit dem #50 Ferrari auch der letzte Titelgegner weit hinten fuhr, konnten Lotterer und Co. aufatmen.
Vanthoor: "Das war ein Horror-Rennen"
Estre bezeichnete den Rennverlauf als eine "Achterbahn", während Vanthoor ganz deutlich sagte: "Das war ein Horror-Rennen, wirklich, auch für mich. Aber wir haben die Basis über die gesamte Saison gelegt und nicht viele Fehler gemacht. Deshalb sind wir heute Weltmeister. Das ist einer der besten Tage meines Lebens und eine Saison, die ich niemals vergessen werde. Lasst uns dieses Rennen hier vergessen, aber ansonsten lief alles glatt. Wir haben das ganze Jahr als Dream-Team gearbeitet und es gab nie Probleme."
Tatsächlich verblüfften Lotterer, Estre und Vanthoor mit Konstanz auf höchstem Niveau in den acht Rennen. In Katar und und Fuji feierte das Trio Siege, hinzukamen weitere Podestplätze in Imola, Spa und Sao Paulo. Der #6 Porsche fuhr siebenmal in die Top-6, der zehnte Platz in Bahrain bedeutete das schlechteste Ergebnis. Einen faden Beigeschmack hinterließ nur der vierte Platz in Le Mans, nachdem Estre den Porsche auf die Pole Position gestellt hatte.
Lotterer/Estre/Vanthoor waren mit einem komfortablen Vorsprung von 35 Punkten auf den #50 Ferrari (Molina/Fuoco/Nielsen) nach Bahrain gereist. Mit 152 Zählern setzte sich das Trio schließlich an der Spitze durch und bescherte Porsche den ersten WM-Titelgewinn seit 2017. Lotterer: "Das Teamwork war der Schlüssel für alles. Ich habe tolle Teamkollegen und bin glücklich, hier gewesen zu sein."
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