Es ist längst kein MotoGP-Geheimnis mehr, dass Hersteller der Königsklasse großen Wert auf das Absolvieren von Wildcards legen. Einige der Piloten, die ihre aktive Karriere als Stammfahrer beenden, engagieren sich als Test- beziehungsweise Entwicklungsfahrer. Die Zusammenarbeit mit den Werken geschieht nicht aus reiner Gutmütigkeit, sondern aus einem bestimmten Grund: Die Teams suchen hochklassige Fahrer für ihr MotoGP-Testprogramm. Als Gegenleistung locken die Hersteller gerne mit Wildcards, die in der Königsklasse abgehalten werden. Wie genau eine solche MotoGP-Wildcard funktioniert und welchen Nutzen sie hat, erklärt Dir Motorsport-Magazin.com in diesem Artikel.

Grundsätzlich ist eine Wildcard einfach die Möglichkeit für einen Gaststarter an einem Event der Königsklasse teilzunehmen. Eben jener Teilnehmer absolviert also das komplette Wochenende der MotoGP und nimmt dabei an allen offiziellen Sessions teil, er hat auf und auch neben der Strecke die gleichen Rechte und Pflichten wie alle anderen Piloten auch. So kann ein Wildcard-Pilot also auch seine Chance zu einem Spitzenresultat und sogar zu einem Sieg nutzen. Was nach einer abenteuerlustigen Geschichte klingt, ist tatsächlich schon vorgekommen. Aber dazu später mehr.

Auch Stefan Bradl geht 2024 mit MotoGP-Wildcards an den Start, Foto: LAT Images
Auch Stefan Bradl geht 2024 mit MotoGP-Wildcards an den Start, Foto: LAT Images

Wer kann als Wildcard-Pilot in der MotoGP starten?

Grundsätzlich darf jeder Hersteller über die Vergabe der Wildcard-Plätze selbst entscheiden. Lediglich die entsprechende Rennlizenz der Piloten gilt als Voraussetzung, um am MotoGP-Geschehen teilnehmen zu können.

Die Hersteller haben dabei nach dem aktuellen Concessions-Reglement, welches seit der Saison 2024 gilt, das Recht auf eine bestimmte Anzahl an Wildcards, die sie frei im MotoGP-Kalender verteilen dürfen. Momentan ergibt sich die Aufteilung nach den Gruppen A bis D wie folgt: Ducati darf momentan als einziger Hersteller keine Wildcards einsetzen, da sie sich in der höchsten Gruppe A befinden. Im B-Segment dürften die Hersteller dreimal einen Gaststarter an den Start bringen. Momentan belegt aber keines der fünf MotoGP-Werke den Rang B. Gruppe C und D haben die Möglichkeit zu sechs Wildcard-Tickets. Demzufolge verfügen KTM, Aprilia, Honda und Yamaha jeweils über sechs zusätzliche Einsatzmöglichkeiten ihrer MotoGP-Maschinen mittels eines der Test- oder Entwicklungsfahrer.

Wie werden Wildcard-Piloten in der MotoGP gewertet?

Wie bereits angesprochen, werden Wildcards als normaler Teilnehmer an einem MotoGP-Event gewertet. Der Pilot hat demnach die gleichen Möglichkeiten, sich für die Pole Position zu qualifizieren, Punkte zu ergattern oder auch aufs Podest zu fahren. In der Fahrerwertung gehen die Punkte auf das Konto des jeweiligen Piloten. Sollten zwei oder mehr Entwicklungsfahrer pro Saison eingesetzt werden, werden beide also getrennt in der Weltmeisterschaft gewertet.

In der Teamwertung werden die eingefahrenen Punkte separat gezählt. So kann beispielsweise der KTM-Testfahrer Dani Pedrosa keine Punkte für das Mattighofener Werksteam in der Teamwertung ergattern. Anders ist es dagegen in der Herstellerwertung. Dort wird das jeweils beste Bike eines jeden Herstellers gewertet. Beendet der Wildcard-Fahrer ein Rennen als bestplatzierter Pilot seines Werkes, so sammelt er zugehörige Zähler für die Konstrukteurswertung.

Wer startet 2024 für die MotoGP-Hersteller als Wildcard-Pilot?

Ducati hat seit einigen Jahren Michele Pirro als Testpilot engagiert. Da die Mannschaft aus Borgo Panigale durch das Concessions-Regelwerk aber keine Wildcards zur Verfügung hat, dürfen sie im aktuellen Zeitfenster der Zugeständnisse kein zusätzliches Bike einsetzen.

KTM hat aktuell sogar mehrere Piloten für die Entwicklung der RC16 unter Vertrag. Im Pool der potenziellen Wildcard-Piloten befindet sich neben Dani Pedrosa und Pol Espargaro auch Jonas Folger. Ob der Deutsche 2024 noch zu einem Renneinsatz kommen wird, ist allerdings unklar. Pedrosa und Espargaro haben bereits Gaststarts in diesem Jahr abgehalten. Ersterer durfte beim vierten Saisonrennen in Jerez auf der Sitzbank Platz nehmen. Espargaro wurde beim Italien-Grand-Prix in Mugello vor wenigen Wochen eingesetzt.

Pol Espargaro hat seine Karriere als Stammfahrer (vorerst) beendet und ist nun Testfahrer bei KTM, Foto: LAT Images
Pol Espargaro hat seine Karriere als Stammfahrer (vorerst) beendet und ist nun Testfahrer bei KTM, Foto: LAT Images

Aprilia vertraut auf die Dienste Lorenzo Savadoris. 2024 ging er ebenfalls beim Spanien-Grand-Prix in Andalusien an den Start. Weitere Wildcard-Termine des Italieners sind bisher nicht bekannt. Yamaha und Honda haben ebenfalls mehrere Fahrer im Wildcard-Aufgebot, da sie sowohl japanische als auch europäische Testpiloten starten lassen.

So sind Stefan Bradl für Honda und Cal Crutchlow für Yamaha Teil der europäischen Testteams ihres Werkes und damit meist Gaststarter bei Europa-Rennen. Bradl absolvierte bereits die spanischen Grands Prix in Jerez und Barcelona. Sein ehemaliger MotoGP-Kollege Crutchlow musste einen Einsatz in Mugello verletzungsbedingt absagen. Er wird in Silverstone und Misano dabei sein.

Als Wildcard-Pilot stand Dani Pedrosa in Jerez 2024 auf dem Podium, Foto: KTM Media
Als Wildcard-Pilot stand Dani Pedrosa in Jerez 2024 auf dem Podium, Foto: KTM Media

Welchen Nutzen hat eine Wildcard in der MotoGP?

Grundsätzlich bietet eine Wildcard den MotoGP-Herstellern die optimale Gelegenheit neue Komponenten, veränderte Setups oder sonstiges im Renngeschehen auszuprobieren, ohne dass dabei die Stammpiloten riskieren müssen, wertvolle Punkte zu verlieren. Die Test- und Entwicklungsfahrer können ihren Markenkollegen wichtige Unterstützung bieten und weitere Daten für die Ingenieure sammeln. Auch hier ist Dani Pedrosa ein wunderbares Beispiel: Der 38-Jährige konnte in Misano 2023 die Wettbewerbsfähigkeit des getesteten Karbonchassis bei KTM unterstreichen. In den Rennen an der Adriaküste fuhr er damals sensationell zwei vierte Plätze ein.

Wildcard-Piloten haben des Öfteren schon für große Überraschungen gesorgt. So konnte Pedrosa in diesem Jahr als Gaststarter beim Sprint der MotoGP in Jerez ein Podium einfahren. Mit seinem Podest als Nicht-Stammfahrer steht der 'kleine Samurai' aber nicht allein da. Hier erfährst du, wer zu den erfolgreichsten Wildcard-Piloten der MotoGP-Historie gehört!